Gewalteskalation in Israel: Solidarität mit der Opposition
Einen Ausweg sehen viele in Israels Opposition nicht. Doch jenseits absurder Boykottfantasien muss sie internationale Unterstützung erhalten.
D ie Gewalt zwischen Israel und Palästinensern eskaliert – mal wieder. Auf einen Anschlag auf zwei Israelis im Westjordanland folgten Ausschreitungen von Siedlern, bei denen ein Palästinenser getötet und Hunderte verletzt worden sind. Das israelische Militär stuft die Taten der Siedler als „Terrorakte“ ein. Kurz gesagt: die ohnehin angespannte Lage spitzt sich weiter zu.
Israelis – auch solche, die sich nicht als besonders links bezeichnen würden und die an ihren Staat glauben – schämen sich fremd für ihre Regierung. Zynisch könnte man sagen, der Einzige, der von der Eskalation profitiert, ist Premierminister Benjamin Netanjahu selbst: Je mehr akute Krise, desto weniger muss man sich mit Kritik an der eigentlichen Politik – etwa der jüngst beschlossenen, vorsichtig formuliert, umstrittenen Justizreform – beschäftigen, gegen die Zehntausende jeden Samstag demonstrieren.
Ein bisschen albern wirken deshalb nun die Kommentare, die sich wundern, dass Israels Regierung offenbar nicht um Deeskalation bemüht sei. Genau wie alle anderen rechten, radikalen Regierungen braucht sie Konflikte und Feinde von außen. Zumal der in drei Korruptionsfällen angeklagte Netanjahu durch die Justizreform einer möglichen Gefängnisstrafe entgehen könnte.
Wie wenig es ihm, dem einstigen Pragmatiker, inzwischen noch um den jüdischen Staat geht, den er ja vertritt und den zu verteidigen er vorgibt, zeigt, dass er und seine Clique sich nicht zu schade sind, die alte, peinliche Elitenfeindlichkeit für ihre Zwecke zu nutzen, indem sie die Demonstranten, die meistens gut ausgebildet sind und aus dem gesamten politischen Spektrum kommen, diskreditieren.
Einen Ausweg aus der Misere sieht diese Opposition nicht. Doch Europa und ebenso die USA sollten sehen, dass sie mit ihr ins Gespräch kommen und jede Unterstützung – jenseits absurder Boykottfantasien – anbieten, die möglich ist. Denn ein starkes, demokratisches Israel in einer ansonsten instabilen Region kann nur in ihrem Interesse sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Die US-Wahl auf taz.de
Die Rückkehr des Donald Trump
Geopolitik der US-Wahlen
Am Ende der alten Welt
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?