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Olaf Scholz reist nach IndienAnnäherungstanz des Kanzlers

Olaf Scholz schmeichelt Indien beim Staatsbesuch. Im Fokus: Freihandelsabkommen, Fachkräftezuwanderung und ein mögliches U-Boot-Geschäft.

Scholz besucht am 26.2.23 eine Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP in Bengaluru Foto: Michael Kappeler/dpa

Delhi taz | Für Olaf Scholz (SPD) kam der berüchtigte Hauptstadtverkehr in Neu-Delhi für kurze Zeit zum Erliegen. Für ihn und seine Delegation wurden nicht nur Straßen gesperrt. Beim zweitägigen Besuch in Indien wurde der Bundeskanzler mit einem Aufgebot an Höflichkeiten inklusive Militärparade begrüßt – der indische Premierminister Narendra Modi (BJP) empfing ihn persönlich. Nach vertraulichen Gesprächen und einem Treffen mit Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen traf Scholz auch Präsidentin Droupadi Murmu (BJP). Der Antrittsbesuch endete am Sonntag in der IT-Stadt Bengaluru.

Für Scholz war es der erste Besuch als Kanzler, 2012 hatte er das Land als Bürgermeister von Hamburg bereist. Scholz habe damals schon das Potenzial Indiens erkannt, so Modi bei einem gemeinsamen Presseauftritt. Auf Twitter sprach er von „produktiven Gesprächen“. Scholz betonte, er wolle sich nun persönlich einsetzen, damit das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien nicht mehr so lange dauern werde.

Der Hintergrund: Die Verhandlungen zwischen der EU und Indien, von dem Deutschland als Exporteur von Maschinen und Autos profitieren könnte, sind ziemlich langwierig und zäh. Nun bekräftigte Scholz: Beide Länder seien eng verbunden. Auch „weil wir ähnliche Vorstellungen haben, ganz besonders, was die Demokratie betrifft“, sagte Scholz, was kaum hinterfragt wurde. Dabei schränkt Indien verstärkt die Pressefreiheit ein.

Mehr Investitionen in Indien erwünscht

Auch beim Thema Krieg in der Ukraine sind die beiden Länder nicht ganz auf einer Wellenlänge. Das „blockfreie“ Indien enthielt sich auch bei der vergangenen UN-Resolution, in der die Forderung von Russlands Abzug aus der Ukraine eine überwiegende Mehrheit fand. Zudem trägt Indien die Sanktionen nicht mit. Im Energie- und Rüstungsbereich ist das Land stark von Russland abhängig.

Doch dieses Thema wurde nur oberflächlich behandelt. Modi sagte: „Indien ist bereit, sich an allen Friedensgesprächen zur Lösung dieser Krise zu beteiligen.“ Scholz pflichtete ihm bei, dass die Probleme des Westens nicht die Indiens sein müssten. Der Fokus sollte diesmal woanders liegen: Die Stärkung der Wirtschaft und die strategische Partnerschaft auch im Hinblick auf Chinas Ambitionen.

Im Gegensatz zu China sind in Indien erst 1.800 deutsche Unternehmen aktiv, die aber Zehntausende Arbeitsplätze schafften, so Scholz. Außerdem warb er für mehr Fachkräftezuwanderung aus Indien. Deren Einreise sei mit dem ersten bilateralen Mobilitäts- und Migrationsabkommen seiner Art schon erleichtert worden, dennoch brauche Deutschland in den nächsten Jahren mehr „Talente“, betonte der Kanzler bei einer Fragerunde mit Inder:innen.

Spekulationen über möglichen U-Boot-Deal

Im Gegenzug brachte Scholz Premierminister Modi eine Wirtschaftsdelegation mit, die von Hapag-Lloyd über SAP zu Siemens reichte und in der sich mit Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz eine der mächtigsten Frauen der deutschen Wirtschaft befand.

Laut indischen Medien sucht Delhi einen Partner für die Produktion von sechs konventionell angetriebenen U-Booten im Wert von etwa fünf Milliarden Euro. Neben zwei internationalen Bietern ist auch das deutsche Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems im Gespräch. Eine Rüstungskooperation könnte Indien langfristig unabhängiger von russischen Waffenimporten machen. Für Modi ist daher die Zusammenarbeit im Sicherheits- und Verteidigungsbereich ein wichtiger Teil der Partnerschaft.

Daneben hat Indien Interesse an mehr Investitionen im IT-Sektor sowie an mehr Visa. Denn mehr Arbeitskräfte im Ausland bedeuten weniger Jobsuchende im Land und gegebenenfalls mehr Rücküberweisungen in die indische Heimat.

Befürchtungen, dass die neue Bundesregierung den deutsch-indischen Beziehungen einen Dämpfer verpassen könnte, sind verflogen. Modi fühlt sich in seiner Verhandlungsposition sicher. Die Frequenz von hochrangigen deutschen Besuchen ebbt in Indien nicht so schnell ab. Am 2. März wird Annalena Baerbock (Grüne) beim Treffen der G20-Außenminister:innen erwartet. Ein Wiedersehen von Scholz und Modi wird es im Herbst beim G20-Gipfel geben. Danach stehen erneut deutsch-indische Regierungskonsultationen in Neu-Delhi an.

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3 Kommentare

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  • Ach das ach so demokratische Indien - geleitet von einem hinduistischen Ultranationalisten. Mal die aktuelle Le Monde Diplomatique dazu lesen. Aber egal, einst pflegte Deutschland gute Kontakte zum Apartheitsregime in Südafrika - Hauptsache es dient dem Business.

  • Das sind gute Nachrichten.



    Es ist positiv, dass die Regierung stärker auf demokratische Staaten zugeht und die Zusammenarbeit intensiviert.



    Die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen ist hier ein Grundpfeiler.



    Die Strategie, neue Partnerschaften neben dem politisch eher fragwürdigen China zu entwickeln ist der richtige Weg.

  • Indien ist auf dem Weg zu einem religiös-radikalen Notionalstaat. Welche Semmeln wollen da Waffen hinliefern? Shame on Germany!