piwik no script img

Nachhaltigkeit in der BaubrancheDas Runde muss ins Eckige

Wie nachhaltig geht es im Gebäudesektor zu? Eine Studie hat das untersucht. Das Ergebnis: Die Kreislaufwirtschaft ist dort noch immer die Ausnahme.

Mehr als die Hälfte aller Neubauten erfüllte weniger als 50 Prozent der Anforderungen Foto: Monika Skolimowska/dpa

Die Kreislaufwirtschaft ist kaum in die Baubranche eingezogen, die Vorgaben der EU-Taxonomie kann sie bislang nicht umsetzen. Das ist Ergebnis einer gemeinsamen Studie von sieben Gesellschaften aus Europa, die sich der Nachhaltigkeit im Gebäudesektor verschrieben haben, darunter die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) und der Rat für nachhaltiges Bauen aus Spanien. Am Mittwoch wurde die Untersuchung vorgestellt.

Demnach konnte keines der untersuchten Gebäude in dem Umweltziel Wandel zur Kreislaufwirtschaft als taxonomiekonform eingestuft werden, mehr als die Hälfte aller Neubauten erfüllte weniger als 50 Prozent der Anforderungen. Untersucht wurden 35 Neubauten und 3 Gebäudesanierungen unter anderem in Spanien, Frankreich, Deutschland, Dänemark und Irland. Darunter waren etwa ein Hotel, Wohn- und Bürogebäude und Fabriken.

Das Thema drängt: Laut dem „Bündnis für Bauen und Wohnen“ gehen ein Drittel aller weltweit genutzten Ressourcen in den Bausektor, das Baugewerbe ist für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Mit der Taxonomie will die EU die Transformation der Branche vorantreiben und Geld in nachhaltige Investments umlenken. Eines von insgesamt sechs definierten Zielen ist der Wandel zur Kreislaufwirtschaft, neben Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Vermeidung von Verschmutzung sowie der Schutz von Ökosystemen und Biodiversität.

Für die Baubranche heißt das, dass sie beispielsweise Materialquoten einhalten soll: 15 Prozent der Baustoffe sollen wiederverwertet werden, 15 Prozent aus Recycling stammen und 20 Prozent entweder aus nachwachsenden, wiederverwerteten oder recycelten Rohstoffen. Für Renovierungen gilt, dass mindestens die Hälfte des bestehenden Gebäudes erhalten bleiben soll. Mit der Buchführung klappt es bei den Unternehmen zwar schon ganz gut: Die meisten der untersuchten Projekte erfüllten die Anforderungen der Lebenszyklusanalyse. Aber schon Aussagen über die spätere Demontierbarkeit von Gebäuden konnten die meisten Unternehmen nur treffen, wenn sie klare methodische Vorgaben erhielten.

Der Markt hat eine Henne-Ei-Problem

Roza Wegkmap von der Niederländischen Bank ABN Amro forderte mehr Zusammenarbeit. „Keine Firma kann den Wandel alleine stemmen“, sagte sie, „sie müssen ihr Wissen teilen.“ Etwa an runden Tischen könne die Branche diskutieren, welche Geschäftsmodelle künftig erforderlich seien oder wo Probleme in Lieferketten lägen.

Jonathan Leonardsen, Chef der Nachhaltigkeitsabteilung des dänischen Wohnungskonzerns Balder, verweist auf ganz praktische Probleme in der Umsetzung der Taxonomie: Große Projekte benötigten von der Planung bis zur Umsetzung oft mehrere Jahre. Bislang stelle der Markt nicht sicher, dass zu Baubeginn die Recyclingziegel in der Qualität und Menge verfügbar seien, die vor Jahren vom Architekten eingeplant worden seien. „Stehen die re-used oder recycelte Materialien zu der Zeit und an dem Ort zur Verfügung, zu der und an dem wir sie brauchen?“, fragt Leonardsen. Es sei eine Henne-Ei-Frage: Kommt erst die perfekte Lieferkette und dann die Nachfrage, oder stimuliere die Nachfrage die Lieferkette? Solche praktischen Fragen erschwerten den Wandel zur Kreislaufwirtschaft auf dem Bau.

„Das Ergebnis ist überraschend“, sagt Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, „in Vorträgen, Diskussionen und in den Medien sprechen alle über das zirkuläre Bauen und es entsteht der Eindruck, das Thema sei in der Branche angekommen“, sagt Lemaitre, doch „in der gebauten Realität ist es in dieser Dimension nicht vorhanden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen