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Flüchtlingsgipfel im InnenministeriumFaesers Gipfel ohne echtes Ergebnis

Die Bundesinnenministerin hatte am Donnerstag zum Krisentreffen mit Ländern und Kommunen geladen. Heraus kam dabei nicht viel, und die Kritik ist groß.

Da kam nicht viel raus: Nancy Faeser eröffnet im Bundesinnenministerium den Flüchtlingsgipfel Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Die Stimmung ist kühl, als Bundesinnenministerin Nancy Fae­ser (SPD) am Donnerstag zusammen mit Vertretern von Ländern und Kommunen vor die Presse tritt. Reinhard Sager, Präsident des Landkreistages, spricht mit Blick auf die Ergebnisse des vorangegangenen Flüchtlingsgipfels von „großer Enttäuschung“.

Und es ist wirklich nicht viel, was Faeser präsentieren kann: Der Bund will zusätzliche Liegenschaften als Unterkünfte für Geflüchtete bereitstellen und herrichten. Neue regelmäßige Treffen sollen für bessere Zusammenarbeit der Bundesbehörden mit den Kommunen sorgen. Und ein neues Dashboard soll den lokalen Behörden eine bessere Übersicht zu den aktuellen Flüchtlingszahlen liefern, so wie es das Dashboard des Robert-Koch-Instituts für die Coronazahlen ermöglicht.

Strukturreformen oder mehr Geld stellt die Bundesregierung dagegen nicht in Aussicht. Um Ostern herum, so Faeser, könne man mit dem Bundeskanzler erneut über Finanzen verhandeln.

Damit enttäuscht die Innenministerin Länder und Kommunen, die im Vorlauf des Gipfeltreffens vor allem betont hatten, wie dringend schnelle finanzielle Unterstützung sei. Ohne weiteres Geld könnten viele Kommunen die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen bald nicht mehr stemmen, so die Warnungen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU hatte sich etwa am Mittwoch dafür ausgesprochen, dass der Bund seine Beteiligung an den Unterbringungskosten verdreifache. Helmut Dedy, Geschäftsführer des Deutschen Städtetages, forderte, dass der Bund eigene Aufnahmekapazitäten aufbauen solle.

Union dringt auf Abschiebungen

Faeser verweist am Donnerstag auf die bestehende Unterstützung für die Kommunen: Im letzten Jahr hatte der Bund 3,5 Milliarden Euro extra für die Unterbringung von Flüchtlingen bereitgestellt, für das laufende Jahr sind Ländern und Kommunen weitere 2,75 Milliarden schon versprochen. Faeser verspricht außerdem, sich für eine bessere Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU einzusetzen. Und: Sie sagt, man wolle Fluchtbewegungen nach Deutschland künftig besser „steuern“.

Was gemeint ist, formuliert wenig später Peter Beuth (CDU) aus, der Innenminister Hessens: „Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden.“ Es ist ein Ton, den auch andere Politiker insbesondere der Union, aber auch von der FDP in den letzten Tagen angeschlagen hatten. Sie hatten auch immer wieder schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber gefordert, um die Lage in den Kommunen so zu entschärfen.

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, sagt der taz am Donnerstag: „Zu Recht fordern die Kommunen eine deutliche Begrenzung irregulärer Migration. Doch die Ampel macht genau das Gegenteil und sendet mit ihrem Paradigmenwechsel weiter Signale der Öffnung.“

Konkretere Ergebnisse gewünscht

Die Grüne Ministerin für Integration in Schleswig-Holstein Aminata Touré sagt der taz am Donnerstag, die Frage nach schnelleren Rückführungen sei derzeit nicht entscheidend. „Es ist klar, dass wir da ein Defizit haben und uns darum kümmern müssen. Doch aktuell geht es um Integration und Unterbringung. Denn die allermeisten Menschen, die derzeit zu uns kommen dürfen bleiben.“ Das Thema sei während des Gipfels behandelt worden, habe aber nicht den Raum eingenommen, wie es auf der anschließenden Pressekonferenz schien.

Es sei gut, dass man zusammengekommen sei, so Touré weiter. „Ich hätte mir aber konkretere Ergebnisse gewünscht.“ So bräuchten Länder und Kommunen dringend mehr dauerhafte Unterkünfte und entsprechend mehr Unterstützung vom Bund. „Und wir brauchen mehr Integration und Plätze in Integrationskursen“, so Touré zur taz. Im Vorfeld hatte Touré auch feste Finanzzusagen vom Bund gefordert. „Das wäre hilfreich gewesen“, sagt sie. „Gut, nun werden die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen darüber im April verhandeln.“

Die Anwesenheit des Kanzlers, wie sie von den CDU-Ländern und von Reinhard Sager vom Deutschen Landkreistag eingefordert worden war, hält Touré ebenfalls für nachrangig. „Das war mir egal. Es war völlig in Ordnung auf Fachebene und mit der Bundesinnenministerin und der Staatssekretärin im Finanzministerium zu sprechen.“

29.000 Asylanträge im Januar

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, sagt der taz: „Die Debatte um vermeintlich illegale Migration ist völlig fehl am Platz.“ Sein Vorschlag: „Eine Lösung wäre es, nachhaltige Strukturen für die Aufnahme von Geflüchteten aufzubauen.“

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, sagt gegenüber der taz: „Es ist enttäuschend, dass Bund und Länder offenbar nicht von dem starren Verteil- und Unterbringungssystem für Asylsuchende abweichen wollen.“

Letztes Jahr stellten rund 200.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag, im Januar 2023 allein waren es weitere 29.000. Im vergangenen Jahr kamen zudem rund 1 Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland. Wegen ihres Sonderstatus durchlaufen sie das normale Asylverfahren nicht. Dennoch sind die Kommunen für ihre Unterbringung und Versorgung zuständig.

Zuletzt hatte Faeser zusammen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zudem angekündigt, den Erdbebenopfern aus Syrien und der Türkei einfacheren Zugang zu Visa zu verschaffen. Wer Verwandte ersten oder zweiten Grades in Deutschland hat und direkt vom Erdbeben betroffen ist, soll vorübergehend nach Deutschland kommen können.

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