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Ordnungshaft für MutterDie Gesetze müssen überprüft werden

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Dass eine Mutter, die nur ihr Kind bei sich lässt, in Haft muss, war vor 20 Jahren nicht möglich. Doch seither wurden Stück für Stück Rechte umgebaut.

Wenn ein Kind bei der Mutter sein will, sind Polizei und Gercihtsvollzieher fehl am Platz Foto: Thomas Warnack/dpa

D ass eine Mutter, die eigentlich nichts anders tut, als sich um ihr Kind zu kümmern, für 30 Tage in Haft soll, ist erschütternd. Vor 20 Jahren war das noch nicht möglich. Doch seither haben sich scheibchenweise immer mehr Gesetzte geändert, hin zu einem System, das solche Verfolgung ermöglicht.

Sicher, jede Entwicklung hat zwei Seiten. Väter reklamierten, dass sie zu wenig Rechte hätten und bekamen mehr davon. Es gilt heute als für das Kindeswohl wichtig, dass ein Kind Kontakt zu beiden Eltern hat, wenn diese getrennt leben. Es schien nur fair, als 2013 auch den unverheirateten Vätern erlaubt wurde, das Sorgerecht zu beantragen. Vorher konnte die Mutter das verweigern. Nur dürfen Väter seither auch das Sorgerecht für sich allein beantragen, sprich: die Mutter ausknocken.

Und in der Tat: Unlängst führte der Soziologe Wolfgang Hammer anhand von 1.000 Fällen aus, dass man Mütter in Deutschland ohne gravierenden Grund von ihren Kindern trennt. Und ein Blick in die Statistik seit 2002 zeigt, dass sich die Zahl der Mütter, die ihr Sorgerecht an den Vater oder an Dritte verloren haben, fast verdoppelte.

Es kommt heute dazu, dass Richter den Stab über Mütter brechen und ihnen das Sorgerecht nehmen, nur weil der Umgang zum Vater nicht klappt. Wenn ein Kind nicht zum Vater will, bekommen die Mütter die Schuld. Die gelten dann als „bindungsintolerant“ oder „manipulativ“. Obwohl sie ihre Kinder lieben und prima versorgen. Und hat eine Mutter auf dieser Schiene das Sorgerecht verloren, ist die Hürde hoch, es zurück zu bekommen.

Fortbildung für Väterrechte

Bei Verheirateten, die sich trennten, gab es im Prinzip diese Väter-Alleinsorge schon früher. Nur bekamen die Jugendämter mit der 2013er-Gesetzesänderung den Auftrag, die Väter aktiv über ihre Rechte zu beraten – und dazu passend eine oft von Väterrechtlern geprägte Fortbildung. So zog ein neuer Geist in manches Jugendamt ein. In der Folgezeit konnte es passieren, dass die frisch Fortgebildeten sich Fälle neu vornahmen und forcierten, dass Sorgerecht von der Mutter auf den Vater zu übertragen.

Es können auch Väter Kinder gut allein erziehen. Aber wenn das Kind bei Mutter sein möchte, sollte sein Wille akzeptiert werden. Staatliche Interventionen mit Polizei und Gerichtsvollzieher verbieten sich hier. Ganz schlimm ist, wenn Kinder ins Heim kommen, weil das Wohnen beim Vater nicht klappt. Hier wird sich auf dem Altar der Väterrechte an der Zukunft der jungen Menschen versündigt. Getilgt gehört auch die Ordnungshaft. Sie dient nur Bestrafungsfantasien.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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7 Kommentare

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  • Ja, die Gesetze müssen überprüft und he ändert werden! Die Mutter eines Kindes in den Knast zu stecken ist niemals im Interesse des Kindes! Sie in den Knast zu stecken, weil sie das Willen ihres Kindes ernst nimmt den Vater nach einer Trennung nicht sehen zu wollen ist erst recht nicht im Interesse des Kindes! Wenn man die prozentuale Anzahl der Mütter, die sich weigern das Kind dem Vater zu überlassen endlich in Relation setzt mit der prozentualen Anzahl der Frauen, die samt Kindern häusliche Gewalt erleben und sich deshalb trennen und dazu mit der prozentuale Anzahl der Kinder, die sexuelle Gewalt durch den eigenen Vater erleben (Zahlen, die uns nur Bild über die Spitze des Eisbergs geben können!), wird man vielleicht endlich Klarheit darüber haben, dass in den wenigsten Fälle die Verweigerung der Mutter nicht begründet war. Leider…

  • "Ein Kind braucht beide Eltern" - dieses Narrativ hat oft nur dann Gültigkeit, wenn ein Vater es gegenüber der Mutter durchsetzen möchte. Wird einer Mutter "Manipulation" vorgeworfen, dann wechselt das Kind Kind häufig zum Vater und hat danach gar keinen Kontakt mehr zur Mutter. Von besagtem Narrativ ist dann gar keine Rede mehr.

  • Grundsätzlich sollte das Kind bei beiden Eltern aufwachsen und mit beiden Kontakt haben können. Kinder sollten nie in die Zwangslage gebracht werden, sich für oder gegen einen Elternteil entscheiden zu müssen. Das ist eine Überforderung der Kinder und endet in einem Loyalitätskonflikt.



    Das Beispiel ist sehr exotisch. Meist wird der Vater entsorgt und von der Mutter der Kontakt zum Vater be- oder verhindert. In 85% der Trennungsfälle leben die Kinder bei der Mutter. Die meisten Umgangsgerichtsverfahren werden von Vätern angestrengt, weil ihnen der Kontakt zu den Kindern verweigert wird. Deshalb wäre als Ausgangspunkt eine gleichberechtigte Betreuung die gerechteste Variante. Leider spielen auch noch finanzielle Gründe eine Rolle warum den Vätern das oft verweigert wird.



    Genau wie bei der Betreuung sollte sich auch beide Eltern die finanziellen Lasten teilen. In anderen Ländern geht das ja auch.

  • ja und wenn es zwei Mütter oder zwei Väter sind?



    Das Sorgerecht wird in D nicht leichtfertig entzogen. Und es ist auch nicht so, dass Väter das einfacher beantragen könnten als Mütter. Und es gibt psychisch labile manipulativen Elternteile denen man tatsächlich besser das Sorgerecht entzieht. Ein Zusammensuchen von 1000 Fällen klingt erst einmal gut aber am Ende gilt es jeden Einzelfall genau zu betrachten. Und - natürlich kann es sein, dass es z.Zt eine Schieflage in den Urteilen gibt, das gilt es anzuschauen

  • Wenn es um die generelle Gesetzeslagr und nicht um den Einzelfall geht, sollte man nicht von "Müttern" und "Vätern" reden, sondern vom Elternteilen, denn das Gesetz macht da zu Recht keinen Unterschied. Man hat bei der Wortwahl des Kommentars leider das Gefühl, dass die Autorin mit dieser Gleichbehandlung nicht wirklich einverstanden ist, aber die Fragen, die hier aufgeworfen werden, sollten eigentlich sein:



    Ist es richtig, dass im Normalfall das gemeinsame Sorgerecht gilt?



    Sollte das Sorgerecht entzogen werden können, wenn ein Elternteil das Umgangsrecht des anderem Elternteils behindert?



    Wie kann in solchen Fällen der Wunsch des Kindes berücksichtigt werden, wie kann sichergestellt werden, dass dieser nicht durch ein Elternteil manipuliert wird?



    Ist es richtig, dass als ultima ratio Haftstrafen für Elternteile möglich sind, die sich wiederholt nicht an gerichtlich festgestellte Sorge- und Umgangsrechtdentscheidungen halten oder sollte man Elternteilen im Zweifel die Möglichkeit geben, sich über solche Beschlüsse hknwegzusetzen, wenn sie mit diesen nicht einverstanden sind?

    • @Ruediger:

      Das sind sicher gute Fragen, aber das Drama fängt im Familiengericht meist schon vorher an.



      Von Gleichbehandlung ist die Rede, wenn es dem Vater nützt. Im Prinzip erfolgt damit ein geschicktes Umdeuten von ehemals feministischen Begriffen: Auch wenn er sich Jahre nicht um die Kinder gekümmert hat, stellt man den Vater vor Gericht dann auf eine Ebene mit der Mutter und für sie sieht es dann so aus, dass es plötzlich nichts mehr wert ist, die Kinder all die Jahre betreut zu haben. Im Gegenteil: Fordert ein Vater plötzlich Parität, hat sich die Mutter zu rechtfertigen, warum sie das nicht will. Sagt ein Kind, dass es das nicht will, ist der Wille sicher manipuliert. Führt die Mutter Gewalt an, ist das sicher nur ausgedacht um dem Vater zu schaden. Viele Richter und Väter haben dabei kein Problem, Kinder wie Objekte gerecht aufzuteilen oder umzuplatzieren, weil es so läuft. Das ist leider ein Trend, der viel Schaden anrichtet. Dass es die Parität vorher nicht gab, dass sie sogar oftmals die Trennung zwischen Vater und Mutter befördert hat, hinterfragt niemand.



      Was Behinderung von Umgang und Manipulation betrifft, muss es als ein weiterer Trend bezeichnet werden, Mütter so aussehen zu lassen, als würden sie das tun. Es ist ein simples Erfolgsrezept nach Schema F, dass viele Anwälte durchschaut haben, um durchzusetzen, was ihre Mandaten wollen. Das hat mit Macht und mit Unterhalt zu tun, weniger mit Kindeswohl. Und leider oft sehr wenig, mit dem, was wirklich ist. Mit dem Zauberwort "Bindungsintoleranz" gebrandmarkt, hat eine Mutter dann kaum noch Chancen vor Gericht und es kommt zu absurden Entscheidungen, die einer Gesetzeslogik entsprechen, die die Kinder aus dem Blick verliert und niemand mehr nachvollziehen kann. Vielmehr ist es also so: Fälle wie diese nehmen in den letzten Jahren zu, weil die Dinge gezielt dahin eskaliert werden. Es ist Politik und Ideologie auf dem Rücken der Kinder und Mütter.

      • @Luma Seidel:

        Die Sache mit der Manipulation wird interessanterweise auch meist in dieselbe Richtung gegen die Mutter eingesetzt. Als ob die Väter die Kinder nie manipulieren könnten und die finanzielle Überlegenheit, welche sie oft genießen ausnutzen würden um ihnen den Aufenthalt trotz Verweigerung schmackhaft zu machen…