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Der Wahlkampf und die Berliner ClubszeneKeiner glänzt mit der Clubkultur

Stell Dir vor, es ist Wahlkampf und die Parteien entdecken lauter Berlin-Themen. Nur die Clubkultur spielt keine Rolle. Unser Kolumnist wundert sich.

Mit der Clubkultur will wohl keine Partei im Wahlkampf kämpfen (Diskokugel im Club Golden Gate) Foto: dpa/Annette Riedl

A uf Wahlplakaten sollen ja Kernanliegen einzelner Parteien schlagwortartig proklamiert werden. Vor allem für diejenigen, die keine Lust oder keine Zeit dafür haben, sich mühsam durch die schwammig formulierten Wahlprogramme zu wühlen. Von den grünen Innenhöfen, die geschützt gehören, bis hin zu mehr „Klartext“ gegenüber Straftätern ist da aktuell wieder für jeden Geschmack etwas dabei.

Nur Slogans wie „Clubkultur schützen“ oder „Mehr Partys wagen“ konnte ich bislang nirgendwo finden. Nicht einmal Klaus Lederer, Schutzherr der Berliner Clubszene, spricht die Thematik in dieser Form an. Scheint gerade überall Wichtigeres zu geben.

Immerhin hat nun die Berliner Clubcommission bei großen Parteien außer der AfD deren „clubkulturelle Positionen“ erfragt. Wie stehen diese zur weiteren Förderung von Lärmschutzmaßnahmen bei Clubs, damit es in Zukunft weniger entnervte Nachbarn gibt? Zu beschleunigten Genehmigungsverfahren bei Open-Air-Veranstaltungen? Zu Drug-Checking, um das Nehmen von Drogen – die ohnehin genommen werden – für Konsumenten sicherer zu machen?

Die großen Parteien – außer die AfD – haben ja längst allesamt erkannt, wie wichtig die Clubs als Wirtschaftsfaktor und für das Standortmarketing sind. Dementsprechend gilt schon lange nicht mehr, dass die sich als links und progressiv verstehenden eher wohlwollender auf den Partyhedonismus blicken und die konservativeren sich für weniger Lotterleben und After-Hour-Dekadenz aussprechen würden.

Wer hat's gemacht? Die CDU …

Die CDU verweist sogar darauf, dass es einer der ihren war, ein gewisser Heinz Zellermeyer, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Abschaffung der Sperrstunde durchsetzte. Der Gründungsvater der Berghain-Exzesse war demnach, wenn man so will, ein Schwarzer. Wäre man ja auch nicht unbedingt darauf gekommen, wenn man mal Youtube-Clips gesehen hat, in denen CDUler auf dem Dancefloor eher ungelenk abhotten.

Grundsätzlich lässt sich somit aus den Antworten zum Fragenkatalog der Clubcommission herauslesen, dass letztlich alle der genannten Parteien unbedingt möglichst alles dafür tun wollen, den Clubstandort Berlin zu sichern. Mit erwartbaren Differenzen – etwa beim Drogenthema. Drogen sind nicht gut, man sollte keine Drogen nehmen, das ungefähr ist hier die Position der CDU. Mehr fällt der Partei ja auch zur geplanten Legalisierung von Cannabis nicht ein.

Wirklich spannend und durchaus originell liest sich die Stellungnahme von Kai Wegners Partei zum kontrovers diskutierten Weiterbau der A100. Die FDP ist hier wenigstens offen und ehrlich: Wir brauchen unbedingt diese Autobahn, deren Fertigstellung bekanntlich Clubs wie das About:­Blank und die Wilde Renate zum Opfer fallen würden.

Die CDU aber stellt nun die dialektisch interessante These in den Raum: Nur die A100 wird diese Clubs nicht verschwinden lassen, sondern sie im Gegenteil retten. Denn falls die Autobahn nicht kommt, würden die Clubs geplanten Wohnungen weichen müssen. Die CDU jedoch habe den genialen Plan, Autobahnfertigstellung und Clubrettung durch einen Tunnel zu vereinen. Dann könne oben die Party weitergehen und unterirdisch trotzdem durch die Stadt gebrettert werden. Warum in diesem Fall die Clubs nicht den angedachten Wohnungen weichen müssten, dazu erfährt man von der CDU leider nichts.

Eine viel größere Bedrohung für den Bestand Berliner Clubs, fügt sie dann noch hinzu, sei aber sowieso der geplante Ausbau von Fahrradwegen. Auf diese Form von Whataboutism muss man auch erst einmal kommen.

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