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Klausurtagung der Grünen-SpitzeUnbequem ins neue Jahr

Rückwärts nimmer: Während Ak­ti­vis­ten im Rheinland gegen die Grünen protestieren, beschwört die Parteispitze auf ihrer Klausur den Blick nach vorne.

Polizei in Lützerath: Die Grünen verteidigen ihren Kohlekompromiss Foto: Federico Gambarini/dpa

Berlin taz | Für die Grünen startet das Jahr mit unbequemen Bildern: Am Sonntag lieferten sich De­mons­tran­t*in­nen und Polizei in Lützerath erste Auseinandersetzungen, am Mittwoch könnte die Räumung des besetzten Dorfes im Rheinland beginnen. In Nordrhein-Westfalen und im Bund hatte die Partei der Abbaggerung des Dorfes in einem Kompromiss zum Kohleausstieg 2030 zugestimmt – mit Beginn des Polizeieinsatzes könnte das Zugeständnis jetzt auf sie zurückschlagen.

Am Rande ihrer Vorstandsklausur in Berlin zeigte die Parteispitze am Montag, wie sie mit dem Problem kommunikativ umgehen möchte. Die alleinige Verantwortung für die Räumung wollen die Grünen nicht übernehmen, vor allem nicht für den Fall einer Eskalation. „Innerhalb der Landesregierung liegt der Polizeieinsatz erst mal im Innenministerium von Herrn Reul“, sagte Parteichefin Ricarda Lang mit Blick auf die schwarz-grüne Koalition in NRW und CDU-Innenminister Herbert Reul. „Ich finde: Deeskalation aller Beteiligten ist jetzt das Gebot der Stunde.“

Inhaltlich verteidigte Lang den Kohlekompromiss dagegen, hielt sich aber nicht lange an der Begründung auf, sondern warf stattdessen den Blick nach vorne auf die absehbar nächsten klimapolitischen Konfliktpunkte. Sie habe „Verständnis“ für die Demonstrant*innen, deren Frust und den Wunsch nach mehr Klimaschutz. Es gehe jetzt darum, die Kräfte zu bündeln und „bis 2030 bundesweit aus der Kohle“ auszusteigen.

Auf den Deal zum Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen müsste dafür eine Einigung für die ostdeutschen Kohlegebiete folgen. Diese Forderung hatte vorige Woche auch schon der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck zum wiederholten Male aufgestellt. In den betroffenen Regionen und Bundesländern hält sich die Bereitschaft bisher aber in engen Grenzen.

Weitere Schritte, mit denen die Grünen 2023 zum „Jahr des Klimaschutzes“ machen wollen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden sollen beschleunigt werden – beides Vorhaben, bei denen Habecks Wirtschaftsministerium im Zentrum steht. Daneben macht die Partei aber vor allem Druck auf den Koalitionspartner: Im Verkehrsbereich sei Deutschland „immer noch viel zu weit davon entfernt, unsere Klimaziele einzuhalten“, so Lang. Zuständig dort: Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP.

Wahlkampfhilfe für Berlin

Erkennbar nicht einlassen wollen sich die Grünen umgekehrt auf den Versuch der Liberalen, die Diskussion über noch längere Laufzeiten der Atomkraftwerke neu aufzumachen. Der Bundeskanzler habe dazu im Herbst ein Machtwort gesprochen und das gelte weiterhin, so die knappe Antwort aus dem Parteivorstand.

Zwei Tage dauert die Klausurtagung der Grünen-Spitze insgesamt. Zum Auftakt hatte der Bundesvorstand für Montag Bettina Jarasch eingeladen, die Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im Februar. Die Partei hofft, dass sie nach der Wahl Regierende Bürgermeisterin wird. Im Wahlkampf ist aktuell aber Amtsinhaberin Franziska Giffey von der SPD präsenter, zuletzt in der Diskussion über Straftaten in der Silvesternacht.

Jarasch spricht dieses Thema am Montag erst auf Nachfrage an. Einerseits grenzt sie sich dann von der CDU ab, die die Gewalt als Migrationsproblem sieht: Es geht, so Jarasch, um „unsere Berliner Jugendlichen“. Andererseits kritisiert sie wenig subtil auch Giffey und deren für innere Sicherheit zuständige SPD für fehlende Vorkehrungen vor dem Jahreswechsel: Sie hoffe, „dass unsere Sicherheitskräfte zum nächsten Silvester rechtzeitig ein Konzept haben, das sie schützt.“

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8 Kommentare

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  • Empfehlung für alle Parteimitglieder:

    www.klimabuendnis-...e-fuer-luetzerath/

  • die grünen sind spätestens mit lützerath kein teil mehr der klimabewegung. es ist dringend notwendig eine neue partei den grünen gegenüberzustellen, um von einer reaktionären zu einer realen klimapolitik überzugehen. keine stimme mehr für die grünen!

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    „ Die alleinige Verantwortung für die Räumung wollen die Grünen nicht übernehmen, vor allem nicht für den Fall einer Eskalation.“



    Da gibt es halt nur das klitzekleine Problem, das dieser sogenannte „Kompromiss“ mit RWE (der in Wirklichkeit ein Milliardengeschenk für den Konzern zulasten des Klimas ist) NUR von Habeck und Neubaur initiiert und unterschrieben wurde.



    Nicht von Hrn Reul und Hrn Wüst – die waren da offenbar klüger oder weniger schamlos.



    Und deshalb, Frau Lang und Hr Nouripour, genau deshalb sind die Grünen vollumfänglich verantwortlich zu machen für alles, was jetzt in Lützerath kommen wird.



    Das wird der Hartz4 Moment für die Grünen.

  • Zugegeben: Es sind nicht nur die falschen Grünen, die die ganze ratlose Ampelpolitik mit zu verantworten haben. Es war schon vorher so, dass die Wählerinnen und Wähler die falschen Kandidaten vorgesetzt bekommen hatten, die ohne entsprechende Kenntnisse fast ausschließlich den Bedürfnissen der globalen Riesen wie RWE, BASF und jetzt sogar Heidelberg-Zement nachgeben. Jedem irgendwie kritischen Ökonomen muss doch klar sein, dass es die Großen sind, die in einer Krise als Erste scheitern, weil sie viel unbeweglicher im Markt sind, als kleinere flexible kreative Unternehmen aus dem Mittelstand, die den eigentlichen Reichtum und das know how verkörpern, aber im Wettbewerb in der jetzigen Krise mitgerissen werden. Das kann aber ein als Schriftsteller gescheiterter und sich als Berufspolitiker versuchender Minister nicht wissen, auch wenn er von Altmaier ein schon vorher kaum effektives Ministerium mit Tausenden von 'Fachleuten' übernimmt, für die er ja gar keine Zeit mehr hat. Denjenigen, die sich in die Parlamente 'hochgearbeitet' haben, fehlt das intellektuelle Potential, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Konsequenz: Stillstand, ängstliches Handel im Ukraine-Krieg, Verschuldung bis zum Gehtnichtmehr und Versagen in der Europa-Politik, wo jede/r gegen jede/n unterwegs ist und damit andere Wirtschaftsmächte und Staaten stärkt.



    Das grüne Wahlprogramm war nur ein Wünsch Dir Was ohne Realitätsbezug. Und jetzt noch Politik mit dem Räumbagger und völlig sinnfreie Polizeieinsätze. Hau Drauf ohne jede Perspektive ! Die Ampel-Regierung ist die Schwächste seit dem letzten Weltkrieg.

  • Vielleicht eins noch. Sollte ich doch besser Mitleid haben mit den Grünen. Fuuffzehn Prozent, da sind sie eingekesselt von SPD und CDU, gegängelt von der FDP und haben einen schweren Stand und nicht nur ihr Versagen auch ihreleistungen lassen sich sehen und machen was her. Ok die Armen.



    Vielleicht lassen wir die Grünen mal links liegen - oder rechts - und schauen mal auf die SPD und die Gewerkschaften, deren Verhältnis zur Umweltbewegung - das ist beschönigend gesagt krank. Welche Verbindungen haben Kommunalpolitiker und Funktionäre mit der RWE, all die Windkraft, wo ja auch Beteiligungen sind - bringen schon wieder Habeck ins Spiel. Ach ist doch alles viel zu kompliziert für eine überhastete Lösung der Probleme.



    Ich erwarte zur Befriedung der Republik Weitblick von unserem SPD-Kanzler und damit erneut Richtlinienkompetenz: Moratorium für die Räumung und dann erstmal die unbequeme Klärung all der offenen Fragen.

  • Wie feige. diese ich war's nicht-Haltung. Sind das die Grünen: nicht Schuld amAutobahnbau und der Arbeitsplatzvernichtung bei neuen Energien. Fischer hat dummerweise Steine geworfen, aber wurde trotzdem Außenminister. Die jetzigen Grünenmisterinnen haben sich mit RWE, Beuth und Reul verbündet. So kommt Mensch auch an die Macht. Geben den Chinesen die Schuld und verbünden sich mit Dakar. Das Motto ist: morgen wird alles besser. Das wurde auch gestern schon gesagt und morgen kann es von den Grünen wieder gesagt werden. Grüne: So war das von euren Wählern aber nicht beabsichtigt! Ich plädiere jetzt weiter für eine Spaltung der Grünen. Hoffentlich haben genug dazu den Mut.



    Ich fordere alle echten Grünen auf, eine neue Partei zu gründen. Bündnis 90 zum Beispiel, das hat Tradition. Wäre ein Neuanfang.

    • @StefanMaria:

      Abspalten und in der Bedeutungslosigkeit versinken - ganz tolle Idee. Schonmal ausgerechnet wie der Bundestag nach der nächsten Wahl zusammengesetzt wäre?

      • @Nachtsonne:

        da wären die guten Grünen und



        die leicht grauen oder gelbschwarzen oder wie auch immer - Grünen - nicht so schlimm