Serbische Nationalisten in Bosnien: Militär provoziert in Sarajevo

Am Jahrestag der Republika Srpska marschieren Soldaten im Osten Sarajevos auf. Im Namen der Führung der bosnischen Serben verbreiten sie Angst.

marschierende Soldaten

Parade trotz Verbot: bosnisch-serbische Soldaten am 9. Januar im Ostteil Sarajevos Foto: Dado Ruvic/reuters

SPLIT taz | Als am Montag im serbisch dominierten Ostteil der bosnischen Hauptstadt Sarajevo Soldaten auflaufen, dürften sich viele der Bewohner an Kriegszeiten vor 30 Jahren erinnert gefühlt haben. Damals war die Stadt von 1992 bis 1996 von serbischen Truppen belagert, beschossen und von der Außenwelt abgeschnitten worden, rund 11.000 Menschen starben.

Am Montag waren die Soldaten Teil einer Militärparade, die den Jahrestag der sogenannten Republika Srpska, der serbischen Teilrepublik, begingen. Angst und Schrecken sollten sie aber damals wie heute verbreiten.

Am 9. Januar 1992 gründeten serbische Nationalisten die „Republika Srpska u Bosni i Hercegovini“ und sendeten damit eine Kampfansage an die nichtserbische Bevölkerung, bestehend aus Bosniaken, Kroaten und anderen Gruppen. Mit diesem Datum entwickelte sich die Dynamik hin zu dem verheerenden Krieg mit mehr als 100.000 Opfern und den vor allem von Serben durchgeführten Verbrechen der ethnischen Säuberungen. Die Kriegsverbrecher von damals werden bis heute als Kriegshelden verehrt.

Der „Feiertag“ wurde vom bosnischen Verfassungsgericht als illegal eingestuft

Die Feierlichkeiten vom 9. Januar samt Militärparade gründen also auf der mit großen Verbrechen durchgesetzten Vertreibung aller nichtserbischen Bewohner in den von serbischen Milizen und Armeen eroberten Gebieten in Bosnien und Herzegowina. Aus diesem Grund ist der „Feiertag“ vom bosnischen Verfassungsgericht als illegal eingestuft worden. Doch das schert den serbischen Nationalistenführer Milorad Dodik nicht, er ließ das Parlament der Republika Srpska abstimmen, was wieder 2019 vom Verfassungsgericht kassiert wurde.

Eigentlich feiern serbische Familien nach dem orthodoxen Weihnachtsfest am 9. Januar den Hauspatron Slava. Geschickt hat die nationalistische Führung dieses Datum für sich vereinnahmt: das traditionelle Familienfest wurde seit 2015 zu einem Feiertag für die serbische Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina umfunktioniert und suggeriert nicht mehr die Einheit der Familie, sondern die Einheit der serbischen Nation insgesamt.

Das passt zu Dodiks Strategie: Er strebt die Abspaltung des serbischen Teilstaats vom Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina an.

Höchster Orden für Wladimir Putin

Nicht nur den anderen Bevölkerungsgruppen Bosniens will Dodik mit der Militärparade seine Macht demonstrieren, sondern auch Europa und den USA. Dazu dient, dass er schon am Sonntag dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den höchsten Orden seines Teilstaates verliehen hat.

Putin ist sein großes Vorbild: „Putin ist verantwortlich dafür, die Zusammenarbeit und politischen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Republika Srpska und Russland zu entwickeln und zu stärken“, erklärte Dodik bei der Zeremonie am Sonntag in Banja Luka. Dodik zählt bei seinen Abspaltungsplänen auf die Unterstützung Moskaus.

In der Tat hat Russland die Republika Srpska im Weltsicherheitsrat der UNO mehrmals mit seinem Veto unterstützt, ja ihre Existenz abgesichert. Relevante Verfassungsänderungen sind so nicht durchsetzbar gewesen.

Für Putin bedeutet der Einfluss auf die serbische Teilrepublik, zugleich Einfluss auf den Gang der Dinge auf dem Balkan insgesamt zu haben. Die Verbindung mit der Republika Srpska wurde in den letzten Jahren systematisch ausgebaut, von der Übernahme der Ölindustrie in Bosanski Brod bis hin zur Ausbildung von Polizeikräften.

Diese sogenannten Antiterroreinheiten könnten nach Ansicht westlicher Militärs sehr schnell in eine Armee verwandelt werden – ein wichtiger Schritt in Richtung Loslösung der serbischen Teilrepublik. Die am Montag in Reih’ und Glied in Ostsarajevo marschierenden Einheiten gehören zu dieser Kategorie.

Dodik rechnet damit, dass die Serben, die ein Drittel der regulären Armee Bosnien und Herzegowinas ausmachen, zu einem gegebenen Zeitpunkt zu den Truppen der Republika Srpska überlaufen werden. Und indem er seine Truppen in Sarajevo nahe den Kasernen der europäischen Eingreiftruppe Eufor und des Nato-Büros in Butmir aufmarschieren ließ, scheute er auch diese Provokation nicht.

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