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Untersuchungsausschuss AfghanistanUmgang mit Traumatisierten

Die Mitglieder des Untersuchungsausschuss zu Afghanistan lassen sich fortbilden. Retraumatisierungen von Zeu­g*in­nen sollen vermieden werden.

Ralf Stegner (SPD) ist Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Der Bundestagsuntersuchungsausschuss zum Afghanistan-Abzug will bei Befragungen von Ortskräften künftig mehr Rücksicht auf deren psychische Gesundheit nehmen. Sitzungen, in denen ehemalige Ortskräfte aussagen, werden ab sofort durch eine Psychotherapeutin begleitet. Den Mitgliedern des Ausschusses wird zudem eine Fortbildung zum Thema Retraumatisierung angeboten. Nach taz-Informationen haben die Obleute der Fraktionen das als Reaktion auf eine vorzeitig abgebrochene Sitzung im November vereinbart.

Als Zeuge war damals ein Mann geladen, der einst in einem Medienzentrum der Bundeswehr in Masar-e Scharif gearbeitet hatte. Seine Flucht vor den Taliban schilderte er als Odyssee: Zunächst habe ihm die Bundeswehr Hilfe verweigert, weil er nur per Werksvertrag beschäftigt war. Später hätten Bun­des­wehr­sol­da­t*in­nen ihn und seine Familie trotz einer Evakuierungszusage mit vorgehaltener Waffe vom Kabuler Flughafen verscheucht. Letztendlich musste die Familie über den Landweg nach Pakistan ausreisen, wo sie ein Visum für Deutschland erhielt.

Die Befragung des Zeugen im Untersuchungsausschuss zog sich über mehrere Stunden. Sie wurde immer wieder unterbrochen, weil im Bundestagsplenum Abstimmungen stattfanden, an denen die Mitglieder des Gremiums teilnehmen mussten. Als Abgeordnete dem Mann am Abend Fragen nach seinen in Afghanistan zurückgeblieben Eltern stellten, erlitt er einen psychischen Zusammenbruch. Der Ausschuss beendete die Befragung daraufhin.

„Abgesehen von der AfD haben sich alle Abgeordneten um einen sensiblen Umgang mit meinem Mandanten bemüht. Es war aber auch erkennbar, dass die Situation neu für sie war. Sie können nicht wissen, wie man mit traumatisierten Zeugen am besten umgeht. Insofern ist eine Schulung sicher sinnvoll“, sagt der Rechtsanwalt Matthias Lehnert, der den Zeugen zu dessen Aussage begleitet hatte.

„Wir sind uns unserer besonderen Fürsorgepflicht bei der Befragung von ehemaligen Ortskräften sehr bewusst“, sagt Robin Wagener, Obmann der Grünen im Ausschuss. „Wir befragen Menschen, die während der Machtübernahme durch die Taliban höchst traumatische Situationen erleben mussten und mit den Konsequenzen bis heute zu kämpfen haben. Deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, dieser besonders sensiblen Befragungssituation so gut es geht gerecht zu werden. Zudem möchte ich betonen, dass alle geladenen Ortskräfte ihre Geschichte auch erzählen wollen.“ Die Perspektive der Ortskräfte sei für ein Gesamtbild von enormer Bedeutung.

Der Untersuchungsausschuss hat bisher vor allem deutsche Regierungsbeamte vernommen. Der im November befragte Mann war der erste afghanische Zeuge. Für die kommenden Wochen plant der Ausschuss Sitzungen mit weiteren Ortskräften, an diesem Donnerstag wird voraussichtlich eine ehemalige afghanische Mitarbeitern der KfW Entwicklungsbank aussagen.

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1 Kommentar

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  • Wenn ich das so lese, bin ich geteilter Meinung.

    Zum einen ist die Welt wieder ein bisschen besser geworden, weil die Abgeordneten des Ausschusses was verstanden haben und sinnvoll reagieren. Zum anderen ist es erschütternd, dass sie da nicht schon früher drauf gekommen sind.

    Was ich vermisse, ist die Option, dass die Fragen indirekt gestellt werden; also etwa so, dass die Abgeordneten die Frage schriftlich formuliern und die/der trauma-umgang-erfahrene Psychotherapeut*in die Person befragt und zwar in einer Weise und in einem Maße, dass möglichst keine Retraumatisierung entsteht. Und das ganze sollte nicht allzulange dauern, vermutlich max. 1 Stunde; notfalls mehrere Befragungen an unterschiedlichen Tagen.

    Zwei Aussagen aus dem Zitat von Robin Wagener (im vorletzten Absatz) fallen mir auf:



    "... Deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, dieser besonders sensiblen Befragungssituation so gut es geht gerecht zu werden. ..." so selbstverständlich ist es ja nicht, immerhin hat der Ausschuss es erstmal verpatzt und nun reagiert er in die richtige Richtung. Das sagt er aber nicht, sondern er stellt es als Selbstverständlichkeit hin. Das ist Politik und alles andere als trauma-sensibles Verhalten.

    "... Zudem möchte ich betonen, dass alle geladenen Ortskräfte ihre Geschichte auch erzählen wollen. ..." Was da fehlt, ist das Bewusstsein, dass es unter dem Blickwinkel der Retraumatisierungsgefahr ein Riesenunterschied ist, ob die Person erzählt, was sie erzählen will, oder ob sie befragt wird; denn die Fragen können immer etwas berühren, was zu sehr erschüttert.

    Außerdem wurde durch das wiederholte Unterbrechen wegen Abstimmungsteilnahmen der Person eine Botschaft gegeben, nämlich: es gibt für uns wichtigeres als dich. Auch dies ist schon verkehrt.

    Da sind die Abgeordneten also erst ganz am Anfang eines richtigen Weges.