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Reform des VergaberechtsWarten auf den fairen Markt

Zahlreiche Gesetze und Initiativen sollen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Doch bei der Umsetzung gibt es Lücken.

Kaffebohnen werden in Kenia gepflückt Foto: Ute Grbowsky/photothek/imago

Die Gesetzestexte und Vorschriften für mehr Nachhaltigkeit entlang der Lieferketten von Unternehmen biegen Regalböden krumm und sorgen für jede Menge Bürokratie. So verpflichtet seit exakt zwei Jahren die EU-Konfliktmineraleverordnung Unternehmen, die die Industrierohstoffe Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus bestimmten Gegenden in die EU einführen wollen, zu bestimmten Sorgfaltspflichten.

Damit will die EU verhindern, dass der Handel mit diesen großflächig eingesetzten Rohstoffen Konflikte finanziert und bei Abbau, Weiterverarbeitung und Handel Menschenrechte verletzt werden. Die Unternehmen müssen dokumentieren und offenlegen, woher sie ihr Handelsgut beziehen.

Allerdings stellte die für die Umsetzung in Deutschland zuständige Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten (Deksor) am Mittwoch in ihrem ersten Bericht zur Verordnung fest, dass „der weit überwiegende Teil der deutschen Importeure seinen Sorgfaltspflichten innerhalb der Rohstofflieferketten bisher nicht ausreichend nachgekommen ist“.

Entlang der Lieferketten auf den Schutz des Waldes zu achten, darauf einigte sich Anfang Dezember die Europäische Union. Unternehmen, die Produkte wie Kaffee, Kakao oder Holz auf dem EU-Markt verkaufen möchten, müssen eine Sorgfaltserklärung darüber abgeben, dass beim Anbau kein Wald geschädigt oder gar geopfert wird. Ab dem Sommer 2024 müssen sich die Unternehmen an die neue Regel halten – wer schlampt oder schummelt, riskiert Geldstrafen. Umweltverbände begrüßten die Einigung, bemängelten aber blinde Flecken und Schlupflöcher.

Enorme Marktmacht

Kein Gesetz, aber ein staatliches Siegel ist der „Grüne Knopf“ für mehr Ökologie und faire Arbeitsbedingungen entlang der Produktionskette von Textilien. Inzwischen führen zahlreiche Unternehmen und Verfahren den Grünen Knopf. Dem Lieblingsprojekt des ehemaligen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) ging ein jahrelanges, zähes Ringen von Regierung, Entwicklungs- und Umweltorganisationen und Unternehmen voraus.

Beteiligte hatten sich immer wieder gefragt, ob der Bund nicht schneller für mehr Nachhaltigkeit gesorgt hätte, wenn er bei der Beschaffung in Bundeswehr, Ministerien oder Behörden auf Kleidung, Tischdecken oder Teppichen aus fairer und ökologischer Produktion bestanden hätte – und bei Computern, Möbeln und Bauwerken ebenso.

Die öffentliche Hand könnte mit ihrer enormen Marktmacht schnelle, signifikante und umfassende Wirkungen für Klimaschutz und die UN-Nachhaltigkeitsziele erzielen und so zügig Leitmärkte für klimaverträgliche Technologien und kreislauffähige Produkte schaffen, heißt es in einem Aufruf der Initiative „Aktiv für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ vom Herbst dieses Jahres. Zu weniger Bürokratie würde sie wohl nicht führen, aber wahrscheinlich zu besseren Ergebnissen.

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2 Kommentare

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  • Was ist besser?



    Ja, da kann man meckern und warten, oder einfach selbst bewusst einkaufen.



    Was die "öffentliche Hand" betrifft, es wird ja schon erwähnt, dass ein Nachweis der Nachhaltigkeit mehr Bürokratie bedeutet.



    Das ist, entgegen der landläufigen Ablehnung des Begriffs, nicht grundsätzlich schlecht.



    Denn mehr Kontrolle bedeutet einfach mehr Arbeit.



    Das nicht ganz so Positive an dem Ideal ist aber auch, dass mehr Arbeit auch mehr Zeit bedeutet .



    Wer also mehr Sozialwohnungen möchte, muss sich derzeit schon mit Material- und Fachkäftemangel herumschlagen.



    Soll nun Firma X. , neben der Arbeit, die ja derzeit im Überfluss vorhanden ist, sich noch die zusätzliche Arbeit machen, alle Materialzulieferer auf Nachhaltigkeit zu überprüfen? Das ist nur ein frommer Wunsch.



    Real bedeutet es in der Folge weniger sozialen Wohnungsbau.



    Wer hier so lustige Forderungen vertritt, nimmt sich sicher auch die Zeit, die zu überprüfen!?



    Das ist recht einfach, die Vetternwirtschaft beginnt in der Kommunalpolitik. Da sitzen allerdings selten BürgerInnen und kontrollieren . Zu Hause sitzen und kritisieren ist eben so viel leichter.



    Was den letzten Satz mit den besseren Ergebnissen betrifft: Es dürfte auch klar sein, dass mehr Arbeit auch immer teurer bedeutet.



    Demgegenüber wird immer wieder Kritik, an z.B. teuren Ausgaben des Staates laut und bzgl. Wohnungsbau: wenn das Produkt teurer wird, wird bei begrenzten Mitteln die Anzahl geringer. Ist das dann ein besseres Ergebnis?

    • @Philippo1000:

      Ihre Kinder müssen ja nicht Rohstoffe aus dem Boden kratzen oder Kakao ernten statt zur Schule gehen. In ihrer Nachbarschaft fallen auch keine Rebellen ein um sich Bodenschätze zu sichern und sie müssen auch nicht zum Hungerlohn in Sklaverei ähnlichen Arbeitsverhältnissen schuften. Das noch den Sozialen Wohnungsbau der damit nix zu tun hat zu verbinden, um zu Argumentieren das es dem Kapital nicht zuzumuten ist sich um ihre Lieferketten zu kümmern, ist die Krönung der Selbstgefälligkeit.