Bewältigung der Schuldenkrise: Verpasste Chance für arme Länder

Deutschland blockiert beim IWF die Reform der Zinsaufschläge bei Schuldentilgungen. Das schadet besonders krisengebeutelten Ländern.

Das Luftbild eines überschwemmten Gebietes

Die Umweltkatastrophen im Sommer dieses Jahres haben Pakistans Schuldenprobleme noch verschärft Foto: Zahid Hussain/ap

BERLIN taz | Länder, die von Krisen geplagt sind, erhalten nur schwer Kredite auf dem privaten Markt. Deswegen wenden sie sich – oft in letzter Instanz – an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Wenn sie dann überhaupt Geld bekommen, müssen sie sich Vorgaben zu ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik machen lassen.

Dass der IWF also kein Instrument der Krisenbewältigung ist, zeigen für viele Kri­ti­ke­r:in­nen auch die sogenannten Surcharges – Zinsaufschläge von 1 bis 2 Prozent auf den Kredit, wenn die vereinbarte Tilgungszeit überschritten wird. Diese Aufschläge müssen die Länder zusätzlich zahlen – in Zeiten, in denen sie bereits in der Krise stecken.

Bei der Vorstandssitzung des IWF am Montag standen die Zinsaufschläge auf der Tagesordnung. Argentinien, Pakistan und andere hochverschuldete Länder forderten, sie abzuschaffen – oder zumindest vorübergehend auszusetzen.

Eine Einigung gab es nicht, wie ein Sprecher des IWF auf Anfrage der taz mitteilte: „Insgesamt gingen die Meinungen zu Änderungen der Zuschlagspolitik weiter auseinander, auch zu den Vorzügen eines vorüber­gehenden Verzichts auf Zuschläge.“

„Länder in derKrise werden noch zusätzlich bestraft“

Die politische Koordinatorin des deutschen Bündnisses erlassjahr.de, Kristina Rehbein, zeigte sich enttäuscht. Erlassjahr.de setzt sich seit vielen Jahren für die Abschaffung der zusätzlichen Gebühren ein. „Angesichts externer Schocks wie Ukrainekrieg und Coronapandemie hatten viele Länder kaum andere Möglichkeiten, als beim IWF Kredite aufzunehmen“, sagte sie der taz. „Sie werden für die Krise, in der sie stecken, zusätzlich noch bestraft. Wir haben in verschiedenen Papieren aufgezeigt, dass die zusätzlichen Gebühren die internen Krisen verschärfen.“

Dabei wäre die Abschaffung der Zinsaufschläge für den IWF relativ leicht in Angriff zu nehmen und ein wichtiger erster Schritt. „Die Schuldenkrise wäre dadurch natürlich noch nicht gelöst“, so Rehbein.

Durch die Pandemie, teure Energie im Zuge des Kriegs gegen die Ukraine und vom Klimawandel ausgelöste Krisen wie die Fluten in Pakistan sind viele Länder im Globalen Süden noch tiefer in die Schulden geschlittert.

Deutschland und USA verhindern Abschaffung der Gebühren

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass sich neben den USA auch Deutschland gegen die Abschaffung eingesetzt hatte. Für Deutschland sitzt derzeit die Bundesbank im IWF-Vorstand. Ihre Positionen hat sie in Abstimmung mit dem FDP-geführten Finanzministerium (BMF) entwickelt.

„Die Bundesregierung ist ein einflussreicher Anteilseigner im IWF und hat entsprechend eine relativ hohe politische Wirkkraft im Vorstand. Wir hätten uns gewünscht dass sie das nutzt, um sich, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, für eine gerechtere Schuldenpolitik einzusetzen, die krisengeplagte Länder nicht weiter benachteiligt“, sagt Rehbein.

Auf dem Höhepunkt der Pandemie im November 2020 hatte sich IWF-Direktorin Kristalina Georgieva zusammen mit Weltbankpräsident David Malpass für einen Schuldenerlass eingesetzt. Gefruchtet hat das offensichtlich bislang nicht. Ein Problem ist, dass eine Vielzahl von privaten und staatlichen Gläubigern, allen voran China, an den Tisch kommen müssten. Gespräche zu einer Umstrukturierung von Schuldenerlassen sind bisher allerdings gescheitert, etwa auf dem G7-Gipfel im Juni oder beim Treffen der G20-Finanzminister im Juli.

Rehbein fordert daher auch, dass der IWF die zentrale Rolle, die er im derzeitigen System bei der Verhandlung von Schuldenerlassen spielt, verantwortungsvoller ausübt. Denn die Institution ist der zentrale Player, sie berechnet etwa, wie hoch nötige Schuldenerlasse sein müssten, und steht in Kontakt mit den Gläubigern.

„Häufig rechnet der IWF die Schuldenerlässe zu klein und entmutigt Länder so, Schuldenerleichterungen aufzunehmen, die sie eigentlich dringend benötigen. Auch verlangt der IWF von ihnen Haushaltsreformen und -einsparungen, aber macht keine entsprechenden Vorgaben an Gläubiger“, so Rehbein.

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