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Gäbe es eine grundlegende Auseinandersetzung zu den verknüpften Themen Energie, Umwelt und Gesundheit, dann müsste sich die lokale Presse (und damit auch die RP) sehr kritisch mit der Lebensweise der eigenen Abonnenten auseinandersetzen:
1. Wieso gibt es keine große Protestbewegung der Bewohner vor Ort, wo doch jahrzehntelang die gesundheitlichen Folgen, die Kumpanei von Politik und Energieerzeuger und das Fehlen einer langfristigen ökologischen Planung offensichtlich in Kauf genommen wurden? Wo bleibt die Solidarität der umliegenden Orte mit den Demonstranten und Besetzern? Warum kommen nicht viele Tausend Menschen zu den Protesten und zeigen ihre Unterstützung? Die Antworten hierauf würden Zweifel an dem Vorhandensein einer grundsätzlichen Vernunft hervorrufen.
2.Wie sollte die Presse (und damit die RP) die Abonnenten „informieren“, damit diese bei der Stange bleiben? Kann es sein, dass ein „Aufschrecken“ vermieden werden muss, dass das „Weiterso“ zu den Grundlagen der Finanzierung der Zeitung notwendig ist?
3. Ist es „guter“ Journalismus, wenn Personen diffamiert werden, bei jeder Gelegenheit das Gewaltmonopol und die Rechtsprechung als Begründungen angeführt werden, jedoch keine Konsequenzen aus dem eigenen Übermaß-Verhalten abgeleitet werden?
4. Wieso versagen die Medien in NRW fast vollständig? Wieso werden kontroverse Meinungen nicht viel stärker öffentlich diskutiert? Was gehört zu den grundlegenden Aufgaben des ÖRR?
Die bequeme Körperlage in weichen Kissen und bei nahezu 20°C Außentemperatur im Januar wird sicherlich auch jetzt, wo das Ende von Lützerath bevorsteht, nicht verlassen. Es gibt wenig Grund zur Hoffnung.
Dieses Mal sollen Funkgeräte der Hisbollah-Miliz detoniert sein, in mehreren Gebieten auch Solaranlagen. Die Extremisten kündigen Vergeltung an.
Kritik an den Kohlegegnern von Lützerath: Propaganda gegen Klimaschützer
Das besoffene Land böllert sich zu Silvester halb tot. Währenddessen werden die BewohnerInnen von Lützerath als Kriminelle diffamiert.
Sehen Sie hier Terroristen? Wir auch nicht Foto: Jochen Tack/imago
Am Samstag schrieb der Vizechef der anerkannt konservativen Rheinischen Post (RP) seinen Lützerath-Kommentar. Da wird abgerechnet mit, igitt, „professionellen Kohlegegnern“ an der Tagebaukante, vor „Öko-Ideologen“ gewarnt, die eine „neue Apo“ seien mit „teils militanter Ausprägung“. Tenor: Packt ein, verpisst euch. Die Horrorvision: Ohne Kohlestrom bleiben womöglich die Büros der RP dunkel, als sei man in Kyjiw.
Dazu faktisch falsche Populistensätze wie: „Von Lützerath ist nichts mehr übrig, das rettenswert wäre.“ Ist ein denkmalgeschützter, wunderschöner Hof von 1763 nichts oder eine Friedenslinde von 1650, wohl gleich nach dem Dreißigjährigen Krieg gepflanzt? Das Wort Klima kam übrigens kein einziges Mal vor. Von den ekelhaften Bestätigungskommentaren sei hier nur der absurde Begriff „Klimaterroristen“ erwähnt.
Gewalt und Terror in Deutschland. Will niemand. Außer an Silvester, da ist das okay. Da heißt das feiern. In Berlin schossen zugedröhnte Horden ihre Feuerwerkskörper völlig von Sinnen waagerecht statt senkrecht ab, eine Rakete nach der anderen. Ziel: vorbeifahrende Autos, FußgängerInnen. Heißa, wie das knallt. In Aachen war, wie in vielen anderen Städten, ein Böllerverbot in der Innenstadt verfügt. So what: Vor dem dicht umdrängten Rathaus stiegen in der Winterhitze die lustigen bunten Knalldinger im Sekundentakt umjubelt in den Himmel. Woanders das Gleiche. Ordnungskräfte: nirgends zu sehen. Die Attacken Besoffener auch auf Rettungswagen, gezielter Raketenbeschuss von Feuerwehren wie in Essen, all das habe im Vergleich zur Vorpandemiezeit deutlich zugenommen, meldet die Polizei. Heißa 2023.
Die Bilanz im Lande: Schwerverletzte sonder Zahl mit abgesprengten Gliedmaßen, zerfetzten Händen, Armamputierte und Erblindete, brennende Autos und Wohnungen (inklusive Toten), die Notaufnahmen voll. Der Feierfuror traf auch Unbeteiligte, aber das zählt als Kollateralschäden. Das ist Alltagsgewalt. Sie wird hingenommen. Die einen kleben sich fest, die anderen, in vielem über Jahrzehnte die Täter, kleben fest an ihrer gestrigen Weltsicht und an Ritualen, die sie farbenprächtiges Himmelsspektakel nennen.
Allein in Düsseldorf, dem RP-Sitz, gab es zwei Großbrände. In Lützerath nebenan werden sich viele Hundert „Öko-Terroristen“ aus gutem Grund mit Verantwortungsbewusstsein auf die Wege setzen und an Bagger ketten, ohne Raketen, ohne Gewalt. Wenn aber eine oder einer auch nur „Scheißbullen“ ruft oder zappelt beim Weggeschleiftwerden, darf man auf Strafverfahren zählen und auf neue, schnell losgeböllerte Kommentare aus kohlestromwarmen Redaktionsstuben.
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Schwerpunkt Klimawandel
Kommentar von
Bernd Müllender
Autor
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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