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Gericht verurteilt FitnessstudioAblehnung war Diskriminierung

Ausgegrenzt wegen des Nachnamens: Weil er eine Sinteza nicht trainieren ließ, muss ein Fitnessstudio-Besitzer aus Neumünster Schmerzensgeld zahlen.

Genug Platz und Geräte hätte es auch im Neumünsteraner Fitnessstudio gegeben (Symbolbild) Foto: Bodo Schackow/dpa

Neumünster taz | Ja, es handelt sich um Diskriminierung: Das Amtsgericht Neumünster verurteilte den Betreiber eines Fitnessstudios zu einer Schmerzensgeld-Zahlung und gab damit der Neumünsteranerin Kelly Laubinger recht. Sie hatte vermutet, dass sie wegen ihres Nachnamens nicht Mitglied in dem Studio werden durfte – Laubinger ist ein Name, den viele Sinti tragen. Sie hofft, dass sich durch ihren jetzigen Sieg vor Gericht andere ermutigt fühlen, gegen Ungleichbehandlung vorzugehen.

Nach der Urteilsverkündung ist Laubinger froh und erleichtert: „Nicht alle Familienmitglieder waren begeistert, als ich beschlossen hatte zu klagen“, sagt sie der taz. „Wir sind eh marginalisiert und ausgegrenzt, Aufmerksamkeit können wir eigentlich nicht brauchen. Aber es hat sich gezeigt, es war richtig.“

Denn Richterin Antje Vogt folgte Laubingers Antrag in vollem Umfang: 1.000 Euro Schmerzensgeld soll der Studiobetreiber Wolfgang B. zahlen. Hinzu kommen rund 150 Euro für die Erstattung außergerichtlicher Vorkosten, erklärte die Pressestelle des Gerichts. Laut dem Urteil sei Laubinger die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio „aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit“ verweigert worden: „Es handelt sich damit um einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.“

Passiert ist die Diskriminierung im Frühsommer 2021. Damals wollte die Neumünsteranerin Mitglied im Studio „Muskelkater“ werden. Aber statt sie aufzunehmen, hatte das Personal „Rücksprachebedarf“ und ließ sie warten, so berichtete Laubinger bei der Verhandlung, die Ende Oktober vor dem Amtsgericht Neumünster stattfand.

Am Ende wurde sie abgewiesen, angeblich wegen Corona-Einschränkungen. So argumentierte Wolfgang B. auch vor Gericht: Aufgrund der Pandemiemaßnahmen habe es „keinen unkontrollierten Zufluss“ geben können. Mehrfach sprach er davon, dass er „Selektion“ betreiben musste – ein Wort, das für die Zuhörenden im Saal, darunter viele Verwandte von Laubinger, schmerzhaft war. Schließlich hat die Familie, wie viele Sinti, während der NS-Zeit gelitten, zahlreiche ihrer Mitglieder starben in KZs.

Nicht-Sinti-Namen wurden akzeptiert

Gegen B.s Argumentation, dass nur Corona schuld sei, sprachen die Beweise, die Laubinger und ihr Anwalt Martin Klingner vorlegten. So warb das Studio in jenen Wochen in lokalen Zeitungen und im Netz um neue Mitglieder, bot sogar Rabattaktionen und Schnupperkurse an. „Warum werben Sie, wenn Sie Kunden dann abweisen müssen?“, fragte Richterin Vogt – eine schlüssige Antwort gab es von B. nicht.

Zudem hatte Laubinger auf Rat des Antidiskriminierungsverbandes Schleswig-Holstein Freundinnen mit Nicht-Sinti-Namen gebeten, sich zu bewerben. Sie waren akzeptiert worden. Bereits bei der Verhandlung hatte die Richterin angedeutet, sie sehe eine Diskriminierung. Das hat das Urteil nun bestätigt.

„Ich freue mich sehr über dieses Zeichen“, sagt Laubinger. Ihr gehe es darum, die „Spirale der Ausgrenzung“ zu beenden: „Mein Opa durfte nicht im Sportverein mitmachen, mein Vater wurde vor Jahren bereits vom selben Studio abgewiesen. Der nächsten Generation soll es besser gehen.“

Sinti leben seit dem 15. Jahrhundert in Schleswig-Holstein. Der Landtag hat die Minderheit 2012 in die Verfassung aufgenommen, sie zählt heute rund 6.000 Personen.

In einer vorherigen Fassung dieses Textes hatten wir irrtümlich geschrieben, Wolfgang B. müssen eine „Strafe“ zahlen. Es handelt sich jedoch im Zivilprozess um Schmerzensgeld.

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