AfD-Richter Jens Maier: „Kleiner Höcke“ arbeitslos
Das Dienstgericht Leipzig hat entschieden: Der als rechtsextrem eingestufte frühere AfD-Richter Jens Maier muss in den vorzeitigen Ruhestand.
Am Ende half alles nichts. Das Richterdienstgericht entschied nach mehrstündiger Verhandlung in Leipzig, dass Jens Maier nicht mehr Recht sprechen darf. Das sächsische Justizministerium hat den AfD-Richter damit erfolgreich in den Ruhestand versetzt. Eine Revision gegen das Urteil ist zugelassen. Den Streitwert hat das Gericht auf 97.000 Euro festgelegt. Die Kosten des Verfahrens muss Maier tragen.
Seine Bezüge behält er
Das Gericht begründete das Urteil mit Maiers Tätigkeit als Obmann des rechtsextremen AfD-Flügels sowie zahlreichen Äußerungen in Social-Media-Beiträgen, während Wahlkampfauftritten und in Reden. Durch eine Tätigkeit von Maier im Staatsdienst würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz in hohem Maße Schaden nehmen. Eine Versetzung in den Ruhestand sei geboten. Seine Bezüge behält Maier dabei.
In der Regel haben Beamte einen Anspruch auf Rückkehr in den Staatsdienst, nachdem sie ein Mandat in Parlamenten wahrgenommen haben. Das für Beamte geltende Mäßigungsgebot ruht während der Abgeordnetentätigkeit. Das sächsische Justizministerium von Ministerin Katja Meier (Grüne) erkannte den Rückkehranspruch Maiers 2022 zunächst an, um dann ein Disziplinarverfahren gegen ihn anzustrengen und ihn nach seiner Rückkehr auch infolge eines großen zivilgesellschaftlichen Aufschreis dann doch in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken.
Während der Hauptverhandlung im Leipziger Landgericht machte der Vorsitzende Richter Hanns-Christian John klar: Für Äußerungen im Bundestag oder dessen Ausschüssen bestehe Immunität, aber Maier müsse sich bei der Rückkehr in den Staatsdienst auch Äußerungen anrechnen lassen, die er außerhalb des Bundestags während seiner Abgeordnetenzeit getätigt hat, so John: „Beamte im ruhenden Dienstverhältnis sind stärker aus ihren Pflichten herausgelöst, aber sie sind nicht gänzlich daraus befreit.“ Sie müssten nachweisen, jederzeit die Gewähr zu bieten, im Sinne des Grundgesetzes für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.
Genau das stellte das sächsische Justizministerium während der Verhandlung im Fall Maier deutlich in Abrede mit einer umfangreichen Sammlung an Zitaten, Social-Media-Posts, Videoaufnahmen von Wahlkampfauftritten und Wirtshausreden.
Die Richter*innen hatten diese bereits im Vorfeld gesehen und verzichteten in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten auf eine Vorführung im Saal, etwa der berüchtigten Rede im Ballhaus Watzke, worin Maier in Höcke-Manier eine Abkehr von der „Herstellung von Mischvölkern“ und vom angeblichen „Schuldkult“ in Bezug auf die NS-Aufarbeitung forderte.
Das Gericht ging jeden vorgelegten Beleg durch: Social-Media-Beiträge, in denen Maier kommentiert haben soll: „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘ fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Einen Tweet, in dem Maier eine Kopftuch tragende Frau als „Schleyereule“ und „Gesindel“ bezeichnet haben soll. Oder Berichte über eine Compact-Veranstaltung, wo er Verständnis für den norwegischen Massenmörder von Utøya geäußert haben soll.
AfD-Politiker im Publikum
Zu der Verhandlungen waren auch einige AfD-Politiker gekommen. Als es um einen Wahlkampf-Auftritt vor der Dresdener Frauenkirche ging, wo Maier von „linker Schmarotzerideologie“ sprach, die auf den „Müllhaufen der Geschichte“ gehöre und „Volksverräter“-Rufe provizierte, quittierte der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich, der zusammen mit Siegbert Droese und weiteren AfD-Politikern im Gerichtssaal saßen, kommentierte die Schilderung der „Volksverräter“-Rufen mit einem trockenem: „Wahlkampf“.
Jochen Lober, der Verteidiger Maiers, behauptete, dass mittlerweile gelöschte Tweets von Mitarbeitern gestammt hätten, dass einzelne Aussagen aus dem Kontext gerissen worden oder gar nicht gefallen seien. In Summe seien die vorgelegten Fakten des Justizministeriums „Beschmutzungsversuche“ und eine „Sammlung von Phrasen, Unterstellungen und letztlich Erfindungen“, von denen aus seiner Sicht nichts juristisch bestand habe. Auf den antidemokratischen Subtext all der belegbaren Bemerkungen ging er nicht ein. Auch von Reue keine Spur: „Mein Mandat hat sich nichts vorzuwerfen“, sagte Lober im Abschlussplädoyer.
Das sächsische Justizministerium argumentierte, unabhängig davon, wie man „Rechtsextremismus“ definierte, stünden die vorgebrachten Äußerungen im Spannungsfeld mit dem Amt des Richters, wobei der öffentliche Vertrauensverlust überwiege. Maier habe seine Haltung gegenüber Migranten, Andersdenkenden, Religionen und Minderheiten gründlich dokumentiert. In einem gerichtlichen Verfahren könne er daher nicht unparteilich neutral sein und besäße nicht die für den Rechtsstaat erforderliche Integrität. „Der Staat muss von seinen Repräsentanten geschützt und nicht bekämpft werden“, sagte die Vertreterin der Antragsstellers.
Verschärfung nach der „Causa Maier“?
Auch wegen der „Causa Maier“ drängt die sächsische Justiz derzeit auf schärfere gesetzliche Regeln für den Fall, dass Rechtsextreme nach einer Abgeordnetentätigkeit in den Staatsdienst zurückkehren wollen. Vor der letzten Justizministerkonferenz plädierte Justizministerin Katja Meier dafür, dass man die Bezüge kürzen könne, falls Dienstgeschäfte vorläufig untersagt werden. Ebenso will sie Verjährungsfristen bei disziplinarrechtlichen Verstößen verlängern. Darüber müsste letztlich der Bundestag entscheiden. Der Rechtsstaat müsse grundsätzlich klären, wie mit Verfassungsfeinden umgegangen werde, die in „sensible Bereiche des öffentlichen Dienstes“ zurückkehren wollten, begründete Meier.
Das Dienstgericht Berlin hatte in einem ähnlichen Fall entschieden, dass die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann wieder als Richterin arbeiten darf. Bei ihr gab es über ihre AfD-Mitgliedschaft hinaus deutlich weniger außerparlamentarische Beleg für eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Ihre rassistischen Reden im Bundestag durften laut Gericht aufgrund des Immunitätsschutzes nicht bei der Bewertung einfließen. Die Berliner Justizbehörde prüft derzeit noch, ob sie dagegen in Berufung geht.
Der Verfassungsrechtler Fischer-Lescarno kritisierte das Berliner Urteil deutlich – sehr wohl sei Malsack-Winkemann eine „Nähe zu verschwörungstheoretischen Kreisen mit rechtsextremen Hintergrund“ nachzuweisen – schließlich sei sie Mitglied der AfD und habe als Bundestagsabgeordnete und Richterin sogar im Vorfeld des Sturms auf die Reichstagstreppen im August 2020 mit der Querdenken-Bewegung in Berlin demonstriert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS