Plan der Innenministerkonferenz: Vorratsdatenzoff ohne Ende
Die Innenminister wollen die Vorratsdatenspeicherung. Justizminister Buschmann hält dagegen. Der Streit entzweit selbst Landesregierungen.
BERLIN taz | Seit mehr als 15 Jahren wird über die Vorratsdatenspeicherung gestritten, nun steht ein weiterer Vorstoß bevor. Wenn ab Mittwoch die halbjährliche Innenminister:innenkonferenz (IMK) tagt, wird am Ende wohl die erneute Forderung nach Wiedereinführung der Massenspeicherung stehen. Nach taz-Informationen wird dafür in einer Beschlussvorlage die „Nutzung verbleibender Spielräume“ eingefordert.
Der Vorstoß kommt von den Unions-Innenminister:innen, aber auch etliche der SPD unterstützen ihn, ebenso wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Erst im September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland eigentlich für rechtswidrig erklärt. Die anlasslose Speicherung nur von IP-Adressen für Ermittlungen gegen schwere Kriminalität erklärte er indes für vertretbar. Eine Ausnahme, die Faeser sofort einforderte – und nun auch die Innenminister:innen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt das aber ebenso wie die Grünen weiterhin vehement ab – beide plädieren stattdessen für das Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten nicht anlasslos, sondern erst nach einem Anfangsverdacht auf eine schwere Straftat und nur von konkret verdächtigten Nutzer:innen erfasst werden.
Auf der IMK aber wollen die Innenminister:innen nun noch mal Druck aufbauen. „Das EuGH-Urteil lässt große Spielräume, die es auszuschöpfen gilt“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der taz. „Insbesondere bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch ist die Einführung des Quick-Freeze-Verfahrens keine Alternative zur Speicherung von IP-Adressen und kann diese allenfalls ergänzen.“
Auch SPD-Innenminister sind fürs Speichern
Auch Joachim Herrmann (CSU), Bayerns Innenminister und IMK-Gastgeber, verweist auf Kindesmissbrauchsfälle, bei denen Ermittlungen „häufig an der unzureichenden oder fehlenden Speicherung von Verbindungsdaten scheitern“. Es brauche daher „umgehend eine gesetzliche Neuregelung, welche die vom EuGH aufgezeigten Spielräume konsequent ausnutzt“. Hier erwarte er eine „große Einigkeit im Kreise der Innenminister“.
Und tatsächlich unterstützt etwa auch Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius den Vorstoß. Verkehrsdaten seien „ein überragend wichtiger Ermittlungsansatz“, erklärte er zuletzt. Die Sicherheitsbehörden müssten in einer digitalen Welt „mit Kriminellen Schritt halten“ und die EuGH-Spielräume „schnellstmöglich nutzen“.
Justizministerkonferenz plädierte für Quick Freeze
Faeser zeigte sich zuletzt „optimistisch“, sich mit Buschmann zu einigen. Bisher ist aber weiter völlig offen, wie das aussehen soll. Der FDP-Mann jedenfalls bleibt bei seinem Veto. Und er bekam zuletzt Unterstützung von den Justizminister:innen der Länder. Die beschlossen mit knapper Mehrheit von 9 zu 7 ihre Unterstützung für das Quick-Freeze-Verfahren, für das Buschmann bereits einen Gesetzentwurf vorlegte. Dieses sei eine „grundrechtsschonende und verfassungskonforme Lösung“, hielten sie in einer Erklärung fest. Unter den Justizminister:innen sind auch vier Grüne, zwei Linke und ein FDP-Mann. Buschmann pries das Votum als „wichtiges Signal“.
Der Streit zieht sich inzwischen auch quer durch Landesregierungen. So forderten am Montag Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck, beide CDU, vehement die Speicherung von IP-Adressen ein. Es sei eine „Schande“, dass Ermittlern dieses „wichtigste Ermittlungswerkzeug“ verwehrt sei, so Beuth. Jedes weitere Zögern „verlängert das Leid Unschuldiger“, die Bundesinnenministerin müsse hier „endlich“ handeln. Die mitregierenden Grünen reagierten pikiert. Das sei nicht die Meinung der Koalition und ein „befremdliches“ Vorgehen der CDU, konterte Fraktionschef Mathias Wagner prompt.
Auch die Grünen im Bund halten dagegen. Natürlich könne man als Innenminister:innen „seit 16 Jahren gleichlautende Beschlüsse fassen, ohne genau darzulegen, wie es verfassungsrechtlich denn konkret gehen soll“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz. Der Arbeit und Rechtssicherheit der Ermittler:innen diene das aber nicht. „Wir brauchen endlich zielgerichtete und damit auch verfassungskonforme Ermittlungsinstrumente“, forderte von Notz. Darauf hätten die Justizminister:innen „völlig zu Recht“ hingewiesen.
Das Quick-Freeze-Verfahren reicht aber auch Sozialdemokrat:innen nicht. Für Faeser kann dieses höchstens eine Ergänzung sein. Und auch Pistorius erklärte, Quick Freeze sei nicht ausreichend. „Denn oftmals sind die Daten dann schon gelöscht“. Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung geht also in eine neue Runde.
Leser*innenkommentare
resto
Vielleicht ist die FDP doch nicht unnütz. Bei denen gab es schon immer einige aufrechte Kämpfer:innen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht.
Rudi Hamm
Es ist schon traurig, wenn nur noch die FDP die Fahne des Datenschutzes hoch hält und die anderen "Volksparteien" den Bürgern gerne ihren Datenschutz wegnehmen würden. Dass ausgerechnet SPD und Grüne so vehement in eine Datensammelwut verfallen, zeigt das wahre Gesicht dieser Regierungsparteien.
Bolzkopf
Wäre ja ein Einfaches die Diskussion bis zum St. Nimmerleinstag in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Man muss den Politikern nur mal vor Augen führen wie die Vorratsdatenspeicherung geholfen hätte die Verstrickungen von Spahn, Tandler, Hadertauer, ff in die Maskenaffäre aufzuklären.
Und schwupps - ist die Diskussion vorbei.
Thomas Brunst
taz-Zitat: "(...)Der Streit zieht sich inzwischen auch quer durch Landesregierungen. So forderten am Montag Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck, beide CDU, vehement die Speicherung von IP-Adressen ein. (...)"
Die hessischen Datenschutzskandale (ungeklärte Abfragen auf hessischen Polizeidienststellen im Zuge der NSU 2.0-Ermittlungen) im polizeilichen Problembundesland Hessen sind bis heute nicht aufgeklärt; telefonische Auskünfte von personenbezogenen Daten durch die hessische Polizei sollen aber auch künftig möglich sein, verkündete Innenminister Peter Beuth bereits im letzten Jahr. Die Polizei-Software "Hessendata" wird von Kritikern gar als unzulässige Rasterfahndung bezeichnet. Dies alles sind keine Gründe, weshalb die Bürgerinnen und Bürger vertrauen in den Datenschutz der Hessischen Polizei haben können.
Nun fordert der Hessische Innenminister Zugriff auf weitere Bürgerdaten und vergißt dabei seine Bringschuld um den polizeilichen Datenschutz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen. Die FR schreibt es ganz direkt: Peter Beuth hat als Hessischer Innenminister nichts mehr zu verlieren, weil er nach der kommenden Hessischen Landtagswahl im nächsten Jahr für dieses Amt nicht mehr zur Verfügung stehen wird und auch kein Abgeordneter des Hessischen Landtags mehr sein möchte. Der Hessische Skandal- und Pannenminister nimmt nächstes Jahr seinen Hut.