Untersuchungsausschuss zu Afghanistan: „Wir dachten, uns würde geholfen“

Im Untersuchungsausschuss zu Afghanistan im Bundestag sagt eine ehemalige Ortskraft aus. Es ist der verzweifelte Bericht in einer ausweglosen Lage.

Ausschnit: Die Schulter eines Soldaten.

Bundeswehrsoldat in Afghanistan vor dem Abzug 2021 Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

BERLIN taz | Der Untersuchungsausschuss Afghanistan tagte am Donnerstag zum 13. Mal im Bundestag. Doch kaum eine Sitzung zuvor dürfte so eindrücklich gezeigt haben, wie groß das Leid der afghanischen Ortskräfte war und ist und wie groß die Hoffnung in die Bundeswehr und die Bundesregierung war, vor den Taliban gerettet zu werden.

Der einzige Punkt auf der Agenda des Ausschusses an diesem Tag: Die Zeugenvernehmung ehemaliger Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan. So berichtet ein heute 29-jähriger Afghane über seine Arbeit für die Bundeswehr. Rund 6 Jahre hat er für sie gearbeitet, bis die Taliban die Macht ergriffen. Als Journalist, als jemand, der Berichte über die Verbrechen der Taliban im Norden des Landes veröffentlichte.

Seine Aufgabe sei es gewesen, die ausländischen Kräfte mit seiner Tätigkeit zu unterstützen, sagt er in seiner Muttersprache Dari. Die öffentliche Anhörung ist stark besetzt, mit Abgeordneten, mit Presse, mit Ver­tre­te­r:in­nen der Bundeswehr.

Mit dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im August 2021 verließ auch die Bundeswehr das Land. Der Zeuge hatte – wie so viele andere Ortskräfte – sich auf die Bundeswehr verlassen. „Wir waren uns sicher, dass die Ortskräfte, die mit ihrem Leben bedroht sind, dass wir aus der Gefangenschaft der Taliban gerettet werden.“ Aber so einfach wird es nicht, wie der afghanische Journalist sichtlich angespannt berichtet. Es ist die Erinnerung an die Flucht aus Afghanistan, an die Angst seiner Frau und seiner beiden kleinen Kinder, an die Ungewissheit, was mit ihnen passiert, wenn das repressive Regime der Taliban sie fasst.

Kein Plan für die Ortskräfte

Dem Journalisten zufolge gab es keine Programme für die Ortskräfte als die deutschen Truppen Afghanistan verließen. Da es Probleme mit seinem Vertrag gibt, sagt die Bundeswehr ihm, dass er nicht zu den ehemaligen Mit­ar­bei­te­r:in­nen gehört, die ausgeflogen werden sollen. Seinen Angaben zufolge hätten er und seine Kollegen ab 2016 mit neuen Verträgen die selbe Arbeit bei einem Medienzentrum in Afghanistan fortführen müssen. Als die Bundeswehr abzieht wird offenbar aber genau dieser Vertrag zum Problem.

Schließlich kommt der Journalist per Zufall mit der Hilfsorganisation Mission Lifeline und dem Patenschaftsnetzwerk Afghanistan in Kontakt, die die Ausreise der Familie mit unterstützen kann. Die Flucht, die er schildert, ist spektakulär. „Die Lage war einfach furchtbar“, sagt er und berichtet etwa vom nördlichen Tor des Flughafens in Kabul. Davon, dass Tausende Menschen dort auf ihre Chance auf eine Ausreise warteten, von Tränengas, das in die Menge gefeuert wurde und auch das kleine Kind seines Kollegen traf. Schließlich wurden seine Familie und er weggeschickt und konnten erst später aus dem Land reisen, schließlich über Pakistan nach Deutschland fliehen.

Über eine Stunde berichtet die ehemalige Ortskraft von seinen Erlebnissen, von seiner Arbeit für die Bundeswehr, von seiner Flucht und dem Ankommen in Deutschland. „Das scheint Ihnen auch schwer gefallen zu sein“, sagt der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD) als die Befragung beginnt. In der Sitzung wird auch klar, dass die Aussagen der Ortskraft Überprüfung brauchen. Ein Mailverkehr mit der Bundeswehr, den er erwähnt, soll der Ausschuss erhalten. Die Zusammenhänge der Geschehnisse sind für die Zuhörenden nicht eindeutig zu fassen.

Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, der Evakuierung von deutschem Personal, von Ortskräften und anderen Personen zu beleuchten. Der Ausschuss wurde am 8. Juli eingesetzt.

Hoffnung auf Rückkehr

Den Abgeordneten geht es im Kern um den Zeitraum vom 29. Februar 2020, also dem Datum, als das sogenannte Doha-Abkommen zwischen der US-Regierung und Vertretern der Taliban abgeschlossen wurde – bis zum 30. September 2021. Zu diesem Zeitpunkt endete das Mandat zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan.

Es geht um die Frage, ob Menschen hätten früher gerettet werden können, ob es Erkenntnisse über die Machtergreifung durch die Taliban und den Zusammenbruch Afghanistans gab. Und es geht um Empfehlungen, welche Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen sind.

„Haben Sie sich sicher gefühlt während ihrer Tätigkeit für die Bundeswehr?“, fragt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Stegner. „Hundertprozentig!“ lautet die Antwort der ehemaligen Ortskraft. „Natürlich war ich besorgt um unsere Sicherheit. Aber ich wollte auch um den Frieden in Afghanistan kämpfen.“ Er weiß, dass solange die Taliban an der Macht sind, ein Leben in Freiheit nicht möglich sein wird. Und er hofft, dass die die noch in Afghanistan sind, auch rauskommen. Trotzdem ist er sich sicher: Eines Tages will er zurückkehren.

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