Energieversorgung in der Ukraine: Stundenlang ohne Strom
Noch gibt es in Kiew Nachschub aus dem Westen – und Benzin. Aber Streichhölzer fehlen und der Bürgermeister warnt vor einer möglichen Evakuierung.
Aber warum auch beeilen? Der Mann hat Zeit. Er ist für die Abfertigung der Pkws zuständig. Und davon ist weit und breit fast keiner zu sehen. Und so ist er froh über die Abwechslung und das Gespräch über Solarenergie. Ganz anders sieht es auf der Spur für Lkws aus. Dort ist eine lange Schlange. Ein Drittel davon führt Neuwagen der gehobenen Mittelklasse mit sich. Ja, wenn die Lkws nicht wären, wäre die Versorgung der Ukraine schon längst zusammengebrochen, meint mein Fahrer.
Auf der polnischen Seite der Grenze sind alle Zelte und mobilen Toiletten, die für ankommende Flüchtlinge vorgesehen waren, abgebaut. Auf der ukrainischen Seite stehen sie noch, die Zelte und die Tische mit Personen, die für die Betreuung von Menschen zuständig sind, die auf die andere Seite fliehen wollen. Nur: An diesem Sonntag ist hier niemand, der fliehen will.
Nein, klärt mich mein Fahrer auf, als er gegen Abend kurz vor Kiew eine Tankstelle anfährt. „Die Tankstelle ist nicht geschlossen. Man hat nur Notbeleuchtung eingestellt, weil ja landesweit Energie gespart werden soll.“ Obwohl sein Tank zu zwei Dritteln voll ist, tankt er noch mal. „Man weiß ja nie. Ich brauche immer so viel Diesel im Tank, dass es bis Polen reicht.“ Im März seien fast alle Tankstellen hier auf der Straße von Kiew nach Schitomir ohne Treibstoff gewesen.
Bürgermeister fürchtet Blackouts
Derzeit scheint es an Benzin wohl keinen Mangel zu geben. Nur der Mann nebenan, der an einer Zapfsäule Strom für sein E-Fahrzeug zieht, wird wohl Pech haben. Bei den aktuellen Stromausfällen kann man mit einem E-Wagen schnell liegen bleiben. „Im März war es genau andersherum“, meint mein Fahrer. „Da konnten die E-Wagen problemlos fahren, sind viele Benziner liegen geblieben.“
Sorgen machen mir Medienberichte, die Kiews Bürgermeister Klitschko zitieren, der lang anhaltende Blackouts von Strom, Wasser und Heizung fürchtet. Auch über eine Evakuierung von drei Millionen Menschen aus Kiew müsse man nachdenken. Gut, dass ich meinen Daunenschlafsack, mit dem man sogar im Winter draußen schlafen kann, mitgenommen habe.
Doch als ich mein Zimmer betrete, kann ich es nicht fassen. Ich öffne als Erstes das Fenster. Es ist so heiß, dass man gar nicht schlafen könnte. Warum nur machen die die Zentralheizung nicht ein paar Grad niedriger? Und überhaupt, wenn ich nicht in Kiew bin, brauche ich überhaupt keine Heizung. Warum nur ist es in meinem Haus so, dass man die Heizung gar nicht abschalten, die Zimmertemperatur nur durch gelegentliches Öffnen des Fensters regeln kann? Dabei wären doch gerade jetzt Energiesparmaßnahmen sinnvoll.
Gas gibt es genug, Streichhölzer nicht
Meine Nachbarin, die 75-jährige Nadja, beklagt sich über die regelmäßigen Stromabschaltungen. Fünf Stunden ohne Strom am Tag sei der Durchschnitt, klagt sie. Und das Ungerechte sei, dass in dem Viertel, in dem ihre Freundin wohnt, nur einmal pro Woche für zwei Stunden der Strom abgeschaltet werde. Sie ist ein sparsamer Mensch, spart Streichhölzer und lässt einfach das Gas in der Küche laufen, damit sie nicht jedes Mal ein neues Streichholz verbrauchen muss. Gas gäbe es ja genug, meint sie. Streichhölzer nicht.
Am Morgen bin ich dann auch bis jetzt drei Stunden ohne Strom. Auch im Nachbarhaus ist kein Licht zu sehen. Im Zentrum, teilt mir mein Fahrer vom Vortag mit, habe er bisher keinen Stromausfall gehabt.
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