Epidemie im Libanon: Die Cholera ist zurück
Der Libanon kämpft mit internationaler Hilfe gegen eine Cholera-Epidemie. Doch wegen der verbreiteten Korruption sind Geldgeber vorsichtig.
„Unser Ziel ist nicht nur der Schutz“, sagte der Interimsgesundheitsminister Firass Abiad nach einem Besuch in einem staatlichen Krankenhaus. Er wolle auch die Ausbreitung stoppen und Cholera wieder gänzlich loswerden. Man verteile die Impfung zunächst dort, wo die Infrastruktur nachweislich sehr marode und die Verschmutzung hoch ist.
Cholera wird durch unsauberes Wasser oder kontaminierte Lebensmittel übertragen und verursacht Durchfall und Erbrechen. Die Krankheit ist potenziell tödlich, wenn sie unbehandelt bleibt. Wenn sie schnell entdeckt wird, kann die Krankheit leicht behandelt werden mit oraler Rehydrationslösung oder im Krankenhaus mit intravenösen Flüssigkeiten und Antibiotika.
Die Cholera-Epidemie hat in Afghanistan begonnen und sich in der Folge im Irak und Iran sowie seit August auch in Syrien verbreitet. Dort gibt es mehr als 20.000 Verdachtsfälle und 75 Todesfälle. Durch den regen Verkehr über die Landesgrenze kam die Cholera aus Syrien in den Libanon.
Der Libanon steckt seit 2019 in einer schweren Wirtschaftskrise. Knapp achtzig Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Menschen in Notunterkünften und Siedlungen von Geflüchteten haben oftmals keinen Zugang zu sauberem Wasser. Oft mischt sich Abwasser mit frischem Grundwasser, Flüsse und Bäche sind verunreinigt. Geld für gefiltertes oder gechlortes Frischwasser fehlt. Hinzu kommt, dass 90 Prozent der libanesischen Landwirt*innen ihren Anbau mit verschmutztem Grundwasser bewässern, was die Ausbreitung der Krankheit befördert.
Abwasser in Flüssen
Durch den Mangel an staatlichen Mitteln sind im Libanon auch die Sanitär- und Gesundheitssysteme beeinträchtigt. So gibt es zum Beispiel lange Unterbrechungen der Wasserversorgung und einen Mangel an Brennstoffen für den Betrieb von Kläranlagen. Viele Kläranlagen sind gänzlich außer Betrieb, was dazu führt, dass die Kommunen ihr Abwasser in Flüsse und ins Meer leiten. All das erschwert es, den Ausbruch von Cholera einzudämmen.
Weil der libanesische Staat pleite ist, sind internationale Geldgeber*innen eingesprungen. Die 60.000 Impfdosen, die der Gesundheitsminister aktuell austeilen lässt, wurden gesponsert von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese bemüht sich derzeit, weitere zwei Millionen Impfdosen zu finanzieren. Am Mittwoch bereits hat Ägypten Impfdosen und medizinisches Equipment gespendet.
Die Europäische Union hat zunächst 700.000 Euro für den Kampf gegen Cholera in Syrien bereitgestellt. Humanitäre Partnerorganisationen vor Ort sollen helfen, die Verbreitung zu verhindern. Für den Libanon gab die EU 800.000 Euro aus für Wasser-, Sanitär- und Hygienemaßnahmen in Gemeinden mit hoher Konzentration von Cholerafällen. Der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič, sagte, die EU-Finanzierung werde für sicheres Wasser in den betroffenen Gemeinden sorgen.
Auch die Vereinten Nationen helfen aus. Das Kinderhilfswerk Unicef hat die internationale Gemeinschaft um eine Anfangsfinanzierung von 29 Millionen US-Dollar gebeten. Vorerst wurden 100.000 Liter Treibstoff an Kläranlagen und Trinkwasserpumpstationen verteilt, um die Stromausfälle abzumildern. Darüber hinaus wurden Vorräte an Chlor zur Desinfektion von Wasser, Notfallrehydrierungs-Kits und Medikamente für Krankenhäuser und Familien verteilt.
Unicef hatte die libanesische Regierung wiederholt vor einem Zusammenbruch der Wasserinfrastruktur des Landes gewarnt. Das verantwortliche Ministerium für Wasser und Energie benötige jedoch rund 25 Millionen US-Dollar für „Interventionen in informellen Siedlungen sowie Kosten für Elektrizität und Personal“, sagte eine Beraterin des Ministers der arabischen Nachrichtenwebseite The New Arab.
EU und IWF fordern Reformen
Wasserpumpstationen und Kläranlagen wurden im Libanon jahrelang systematisch vernachlässigt. Sie müssen jetzt wieder in Gang gebracht werden, um die Cholera-Epidemie zu bekämpfen. Die Geberstaaten hätten jedoch „nicht positiv“ auf die Anfrage des Ministeriums reagiert.
Das mag daran liegen, dass Libanons Energiesektor und auch das verantwortliche Ministerium für Energie und Wasser wie kein anderer Sektor für eine aufgeblähte Bürokratie und die Korruption in dem Land stehen.
Geldgeber*innen wie die EU, der Internationale Währungsfonds oder Organisationen für Entwicklungszusammenarbeit fordern tiefgreifende Reformen im Libanon, vor allem im Energiesektor. Daher werden sie kaum bereit sein, dem Ministerium selbst das Geld in die Hand zu geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will