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Entschädigungsdebatte auf COP27Meilenstein auf dem Klimagipfel

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Schadenersatz für Klimakatastrophen-Folgen war für die Industrieländer lange ein Tabu. In Ägypten kommt das Thema endlich auf die Agenda.

Überlebt: Nach dem Tropensturm „Nalgae“ am 30. Oktober auf den Philippinen Foto: Eloisa Lopez/reuters

E s ist ein Novum im Kosmos der Weltklimakonferenzen, die immerhin schon mehr als ein Vierteljahrhundert lang fast jährlich abgehalten werden: Auf der Tagesordnung der COP27 im ägyptischen Scharm al-Scheich steht endlich auch der finanzielle Umgang mit der Zerstörung, die die Klimakrise nach sich zieht.

Die Notwendigkeit liegt auf der Hand. Wenn extremes Wetter zunimmt, gibt es immer mehr Schäden. Stürme demolieren Häuser, Fluten reißen Ernten mit sich, der Meeresspiegel wird künftig ganze Landstriche oder Inseln schlucken. Arme Länder im globalen Süden können das finanziell kaum stemmen. Früher war so etwas höhere Gewalt – mittlerweile ist es eben doch oft menschliche. Und zwar in erster Linie aus dem Globalen Norden, der die Klimakrise durch seine CO2-intensive Industrialisierung hauptsächlich verursacht und seinen Reichtum unter anderem darauf aufgebaut hat.

In einer solchen Situation liegt es eigentlich nahe, dass Schadenersatz vonnöten ist. Trotzdem ist das Thema ein Tabu: Die Industrieländer haben Angst vor den juristischen Folgen. Sie befürchten, dass ihnen Zahlungen für Schäden und Verluste als Schuldeingeständnis ausgelegt werden könnten und arme Länder immer mehr Entschädigungen einklagen könnten. Das wollen sie auch weiterhin vermeiden: In einer Anmerkung zu dem Tagesordnungspunkt wurde deshalb vermerkt, dass „dieser Prozess keinen Schadenersatz und keine Kompensationen beinhaltet“. Der Schadenersatz darf also nicht Schadenersatz heißen.

Das allein zeigt schon, dass die Verhandlungen nicht einfach werden. Dies liegt nicht nur an politischen Blockaden, sondern auch an den komplizierten Details. Schließlich ist eben doch nicht jedes einzelne Extremwetter auf die Klimakrise zurückzuführen. Und wie viel Schaden es gibt, hängt auch von der Vorbereitung vor Ort ab, die zumindest teilweise in der Verantwortung der jeweiligen Länder liegt.

In Scharm al-Scheich wird dazu nicht das letzte Wort gesprochen werden. Dass aber das erste Wort offiziell fällt, ist ein Meilenstein.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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9 Kommentare

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  • China hat auf der COP27 bekanntgegeben, dass es sich an den Maßnahmen zur Hilfe von armen Ländern beteiligen wolle, aber kurz darauf dann sagen lassen, dass es keine Hilfe mittels Geld sein werde.



    Es geht dann wohl darum diese armen Länder bei den Rohstoffen auszubeuten und im Gegenzug dort Klimaschutz in Form von Klimaanpassung vorzunehmen, nehme ich an.

  • Ist alles nicht so einfach, wie es dargestellt wird. Die industrialisierten Länder haben auch Wohlstand in den Entwicklungsländern mit aufgebaut.



    China baut jetzt Kohlekraftwerke, versorgt aber mit seiner Produktion die Welt. Schaden und Nutzen da abzuwägen ist schwierig.

    • @u62:

      Wohlstand in den Entwicklungsländern? Na ja, davon habe ich nur in sehr überschaubaren, elitären Kreisen etwas sehen können und ich bin extrem viel herumgekommen. Der absolut größte Teil der Bevölkerungen lebt mal grade so, mehr schlecht als recht. Sowohl China als auch der "wertegesteuerte" Westen "versorgt" die Menschen dort mit Waren die den Wohlstand bei uns fördern - dort keineswegs.

      • @Perkele:

        Die UN-Zahlen zur Entwicklung geben mir recht. Natürlich ist es Armut, wenn in den ländlichen Gebieten einmal im Jahr ein mobiles Medizin-Team vorbeikommt (wenn man Glück hat). Auf der anderen Seite sind in Nairobi, Lagos und vielen grossen Städten mehr Universitäten und Krankenhäuser mit ordentlicher Ausstattung. Die Armut ist insgesamt gross, aber das hat sich in den letzten 50 Jahren verbessert.



        Dass nur kleine Bevölkerungsgruppen tatsächlich "wohlhaben" sind, hat drei Ursachen:



        1. Korruption durchzieht die Gesellschaften



        2. internationale Konzerne fördern das zu ihren Zwecken



        3. internationale Geldgeber (EU, auch unsere GIZ) fördern das durch Geldausschüttung bei mangelnder Kontrolle der Verwendung



        An 2. und 3. können und sollten wir im Westen durchaus was tun.

  • Die Kommentatorin hat natürlich völlig recht, dass das Thema enorm wichtig ist und dass insofern sein Einbezug in die Diskussion ein Fortschritt ist.

    Zunächst einmal ist der Einbezug des Themas aber der Ausdruck eines Scheiterns:

    Die Begrenzung des Klimawandels ohne enorme Schäden ist nicht mehr möglich. Da letztlich doch jeder sieht, dass es auf einen katastrophalen Klimawandel hinausläuft und weil der wohlhabende Teil der Welt der Verantwortliche ist, ist es kaum noch möglich, das Thema auszublenden.

    Leider ist ebenfalls bereits absehbar, dass nicht einmal eine im Ansatz faire Schadenersatzzahlung erfolgen wird. Die wohlhabenden Staaten wollen sich ihrer Pflicht entziehen, schotten sich auch physisch ab nach dem Motto "rette sich, wer kann".

    Verblüffend, dass eines der wichtigsten Themen fehlt:

    Was tun mit den dutzenden oder hunderten Millionen Geflüchteten, die aus dem Klimawandel resultieren werden?

    Wenn hierauf keine klare Vorbereitung jenseits von Schottung erfolgt, wird eine humanitäre Katastrophe erfolgen.

  • Was wurde denn entschieden, wenn es keine offiziellen Entschädigungen gibt, was gibt es dann?

  • Es ist klar, dass Europa, historisch betrachtet, durch die frühe Industrialisierung , einen Negativrekord in Umweltverschmutzung und Klimaschäden hält.



    Leider nehmen sich Andere Länder ein Negativbeispiel daran, statt es besser zu machen.



    Bei Allem Gerechtigkeitssinn: wenn Alle anderen Länder den gleichen Mist nochmal anstellen, ist die Welt noch etwas schneller aufgebraucht .



    Aus kolonialen Bedenken heraus hielt Europa sich in jüngster Zeit in Afrika bei Infrastrukturprojekten zurück.



    Was wir, zu gegenseitigem Nutzen, brauchen, ist das Gegenteil: nicht "Spenden" sind die Lösung, sondern wirtschaftliche Zusammenarbeit.



    Grüner Wasserstoff aus Ländern, in denen die Sonne häufiger scheint, als bei uns, oder Ähnliches.



    Vielen Länder brauchen eine Perspektive, keine Almosen.



    Leider ist in vielen Ländern Korruption ein Problem, daher spreche ich auch von Kooperation.



    Eine Zusammenarbeit kann Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Mittelmeeres schaffen und wir können gemeinsam gegen die Krisenlage anarbeiten.



    Eben las ich, seit 1990 sind Waldflächen in der Größe von Europa verschwunden.



    Das muss aufhören.



    Ich hoffe auf Kooperationen mit dem " neuen Brasilien".



    Gut, dass der Kanzler, auch finanziell, ein Zeichen gegen den Raubbau an Wäldern gesetzt hat

  • In den Industriestaaten fand aber auch fast die gesamte technische Entwicklung seit Beginn der industriellen Revolution statt. Erfindungen und Entwicklungen, die jetzt auf der gesamten Erde verbreitet sind und genutzt werden, wurden gemacht. Das muss auch seine Anerkennung finden. Hier muss eine Abwägung von Kosten und Nutzen stattfinden.

  • "Trotzdem ist das Thema ein Tabu..."

    Noch viel mehr: die reichen Länder gehen auch noch davon aus, dass die ärmeren ihre Schulden weiterhin bedienen.

    Wir investieren lieber in Frontex, um uns diese lästigen Armen vom Leib zu halten.