Im Osten der DR Kongo: Auf der Flucht vor neuen Kämpfen
Im Ostkongo sind erneut heftige Kämpfe ausgebrochen. Kongos Regierung will so eine bessere Verhandlungsposition erreichen.
Berlin taz | Gerade wiederholt sich im Ostkongo ein Drama: Seit letztem Donnerstag wird im Dreiländereck mit Ruanda und Uganda erneut heftig gekämpft. Wieder geht es um die strategisch wichtige Handels- und Grenzstadt Bunagana in den Vulkanbergen. Wieder liefern sich die Tutsi-Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) Gefechte mit Kongos Armee. Wieder müssen Abertausende Kongolesen ihre Habseligkeiten zusammenraffen und sich nach Uganda retten.
Manche Bewohner Bunaganas sind allein in diesem Jahr schon vier Mal geflohen. Ugandas Flüchtlingsministerium spricht von 8.000 Kongolesen, die allein am Wochenende Schutz suchten.
Die Gewalt hat eine gewisse Logik: Kongos Regierung hat vor zwei Wochen neue Gespräche mit den über hundert Milizen im Osten des Landes angekündigt. Die letzten Gespräche blieben im April in Kenias Hauptstadt Nairobi ergebnislos.
Die M23-Rebellen unter dem Tutsi-General Sultani Makenga, der 2012 aus der Armee desertierte, wollen auch verhandeln. Doch solange deren Kämpfer die Grenzstadt besetzten und damit im Vorteil sind, verweigert ihnen die Regierung Gespräche.
Bisher hat die Armee gegen die M23 stets verloren
Zuerst soll ein militärischer Sieg her. Dabei hat die Armee die vergangenen Gefechte gegen die M23 stets verloren. Kongos Präsident Félix Tshisekedi hat in letzter Zeit fast die ganze Armeeführung ausgetauscht und stattdessen loyale Generäle aus seiner ethnischen Volksgruppe in Schlüsselpositionen gehievt.
Als Frontkommandant gegen die M23 hat Tshisekedi General Richard Moyo Rabbi ernannt, der sich schon im Krieg gegen die ugandischen islamistischen Rebellen der ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte) bewährt hat. Kaum war der General im Osten eingetroffen, startete er am letzten Donnerstag Operationen.
Seit über drei Monaten kontrolliert die M23 schon Bunagana und erhebt dort Zölle. Der Grenzposten liegt auf der wichtigsten Handelsroute der ganzen Region. Im April trat die Demokratische Republik Kongo der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAC) bei, um zollfreien Warenverkehr vom Indischen Ozean bis zu Kongos Atlantikküste zu ermöglichen. Ugandische Firmen bauen derzeit Straßen für Lastwagen in den Kongo hinein.
Die Besetzung von Bunagana machte die Wirtschaftsintegration bisher unmöglich. Die EAC-Staaten haben Kongo angeboten, Truppen zu schicken und bei Verhandlungen mit Milizen zu vermitteln, um den Osten zu befrieden. Sie üben Druck auf Kongos Regierung aus, mit der M23 zu einer friedlichen Lösung zu kommen.
Kongos Armee braucht einen Geländegewinn
Kongos Armee braucht zuvor aber einen Geländegewinn, um die Oberhand zu haben. Sie hat alles schwere Gerät aufgefahren und seit Donnerstag sind sogar Mittelstreckenraketen im Einsatz. Ein Geschoss landete am Samstag aus Versehen in Uganda. Auch dort flohen Menschen entlang der Grenze.
Derzeit gibt es zwei Frontlinien. Die Armee versucht von der Bezirkshaushauptstadt Rutshuru die 40 Kilometer lange Straße nach Bunagana zurückzuerobern. Die Gefechte wurden um das Wasserkraftwerk im Ort Matebe geführt, das einen Großteil des Stroms der Provinz Nord-Kivu produziert.
Voreilig hatten einige Kongolesen am Sonntag schon die Rückeroberung von Bunagana getwittert. Quellen vor Ort konnten dies jedoch nicht bestätigen.
Die andere Front verläuft von Rutshuru entlang der Handelsstraße gen Süden durch den Virunga-Nationalpark in Richtung der Millionenstadt Goma. Dort hatte am Sonntag die M23 die Oberhand.
Gegenseitige Vorwürfe
Laut Kongos Armee starben dabei drei Menschen, darunter zwei Kinder. 35 Verletzte seien im Krankenhaus behandelt worden. Die M23 dementiert das und meldet ihrerseits Kriegsverbrechen der Armee an der Bevölkerung.
Die Armee versichert erneut, dass Präsident Tshisekedi eine „Lösung“ des Konflikts suche, und wirft Ruanda als „Aggressor“ vor, die M23 zu unterstützen. UN-Ermittler hatten im Juli Beweise dafür geliefert. Westliche Diplomaten bestätigen jetzt erneut eine Unterstützung der M23 durch ihr freundlich gesinnte Armeen der Nachbarn, darunter Uganda.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!