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Europa weiter weg von Kioto-Zielen

Die Treibhausgas-Emissionen in der EU sind wegen des höheren Kohleverbrauchs im Energiesektor gestiegen. Der Kommissar gibt sich dennoch zuversichtlich. Umweltschützer befürchten hingegen, dass die Klimaschutzvorgaben verfehlt werden

AUS BRÜSSELRUTH REICHSTEIN

Die Treibhausgas-Emissionen in der Europäischen Union sind im Jahr 2003 um 1,5 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Jahresbericht der Europäischen Umweltagentur hervor, der gestern in Brüssel veröffentlicht wurde (siehe auch taz vom 16. Juni). In Tonnen bedeutet das allein in den 15 alten EU-Mitgliedsstaaten einen Anstieg von 53 Millionen. In Deutschland stiegen die Emissionen um 0,2 Prozent oder 2,3 Millionen Tonnen. Damit hat das Land im Vergleich zu 1990 den Treibhausgasausstoß um 18,5 Prozent verringert. Kioto schreibt bis 2012 eine Reduktion um 21 Prozent vor.

Als „schockierend“ bezeichnete die Umweltorganisation Friends of the Earth die neuen Zahlen. „Europa wird es vermutlich nicht schaffen, die gesteckten Ziele im Klimaschutz zu erreichen“, schätzt der Klimaexperte Jan Kowalzig. Für den sprunghaften Anstieg der Emissionen ist vor allem der Energiesektor verantwortlich. In der EU-15 stieg der Ausstoß – bedingt vor allem durch einen höheren Kohleverbrauch – um 24 Tonnen. Deutschland, Großbritannien und Finnland sind dabei die größten Sünder. Ein Grund für den erhöhten Energiebedarf sei der kalte Winter gewesen, heißt es in dem Bericht der Umweltagentur.

Mit diesem Anstieg hat die EU fast die Hälfte der im Jahr 2002 erreichten Reduzierung wieder zunichte gemacht. Im Vergleich zum Basisjahr 1990 hat die EU ihre Emissionen nur um 1,7 Prozent verringert. Der Ausstoß von CO2 ist im Vergleich zu 1990 sogar um 3,4 Prozent angestiegen. Das Protokoll von Kioto schreibt bis 2012 eine Minderung um 8 Prozent vor.

Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas zeigte sich „enttäuscht“ über die Zahlen. Er sei aber überzeugt, dass die Kioto-Ziele dennoch fristgerecht erreicht werden können. „Die Zahlen zeigen uns lediglich, wie wichtig es ist, alle Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen“, sagte der Kommissar gestern in Brüssel. Dazu gehöre zum Beispiel die Förderung von Biobenzin, Steuern auf Energieverbrauch und der Emissionshandel, der zum Jahresanfang begonnen hat.

„Wir hoffen, dass diese Zahlen ein Weckruf für die europäischen Regierungen sind. Sie müssen den Klimaschutz endlich ernst nehmen“, sagt Regine Günther, Klimaschutzexpertin von WWF Deutschland. Bisher hätten sich einige Regierungen auf statistischen Effekten ausruhen können. So sei zum Beispiel die deutsche Bilanz durch die Wiedervereinigung geschönt worden. Da in den neuen Bundesländern Industrie abgebaut wurde, seien automatisch auch die Emissionen gesunken. Günther fordert vor allem, den Emissionshandel konsequent umzusetzen. „Die Kontingente sind in fast allen Staaten zu hoch. Für die kommende Periode von 2008 bis 2012 muss die EU-Kommission unbedingt eine härtere Linie vorgeben.“ Eine gute Nachricht gibt es für Deutschland: Die Emissionen im Transportsektor sind bereits zum vierten Mal in Folge gesunken, obwohl sie in der EU-15 um 6 Tonnen gestiegen sind.

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