piwik no script img

Finanzstrategien der StreaminganbieterPipipause und Datensammeln

Wie wollen Streaminganbieter sich künftig finanzieren? Der Trend geht zu einer Kombination aus Werbung und dem Handel mit Nutzerdaten.

Werbung für die 2019 erschienene Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online Fast“ in Berlin Foto: DAVIDS/Sven Darmer

Cannes taz | Praktisch alle Big Player der Unterhaltungsbranche suchen im Moment nach Finanzierungsquellen für ihre Inhalte. Die Inhalte werden zwar nach wie vor stark nachgefragt, aber wie sie bezahlt werden sollen, das wird bei dem harten Wettbewerb und der schwierigen wirtschaftlichen Gesamtlage immer unklarer.

Zuletzt war der Handel mit Nutzungsdaten das Rückgrat des Systems. Das haben jetzt auch die Hollywood-Giganten, inklusive Netflix und Disney+, entdeckt und wollen damit Geld machen. Denn die Informationen, die sie direkt von ihren Abon­nen­t*in­nen erhalten, sind begehrt. NBC Universal hat im Januar sogar eine neue Stufe gezündet und NBCunified gegründet, eine Plattform, die keine Cookies mehr benötigt. Auf dieser Plattform stellt NBC Universal Daten von 230 Millionen seiner monatlichen Nut­ze­r*in­nen für Werbetreibende zur Verfügung.

Der Dienst speichert Daten der Verbraucher*innen, zum Beispiel Strea­ming- oder Themenparkbesuche sowie Einkäufe im elektronischen Handel. „Wenn du nicht für das Produkt bezahlen musst, dann bist du selbst das Produkt.“ Das Mantra der US-amerikanischen Werbeindustrie aus den 70ern gewinnt durch die Medienbranche eine neue Aktualität.

Comback der Werbung

Ganz deutlich wurde dieser Trend zuletzt auf der weltgrößten TV-Messe, der MIPCOM in Cannes im Oktober. Dort hat Maria Rua Aguete vom Marktforschungsunternehmen Omdia vorgerechnet, welche Potenziale sich dahinter verbergen: Rund 190 Milliarden Dollar werden dieses Jahr in Onlinewerbung investiert, 2027 sollen es 362 Milliarden Dollar sein. „Bei diesen Aussichten ist es keine Überraschung, wenn alle großen SVOD-Dienste, einschließlich Netflix, auch von diesem Wachstum profitieren möchten“, sagte sie.

Die Direktorin der Forschungsabteilung schätzt, dass bis 2027 fast 60 Prozent der weltweiten Netflix-Fans das neue günstigere Abo mit Werbung nutzen werden. Daraus würden 23 Prozent der US-Einnahmen dann generiert, global gesehen sollen es 14 Prozent sein.

Der Werbeblock kehrt also zurück. Was in Deutschland gerade anfängt, ist in den USA schon Standard: Paramount+ hat zehn Minuten Werbung pro Stunde mit 26 Spots, Peacock setzt fünf Minuten ein und HBO Max vier Minuten. Ungefähr genauso lange soll der Werbeblock bei Netflix werden, während Disney ein Zeitfenster von sechs Minuten stündlich plant. Für das Publikum werden so die Angebote der Videoplattformen deutlich preiswerter. Zumindest was die monatlichen Gebühren angeht, Zahlen muss man aber weiterhin mit den eigenen Daten. Denn hier liegt der wirklich lukrative Vorteil des Streamings. Wenn Disney am 8. Dezember sein Werbeangebot startet, sind 46 Unternehmen am Datengeschäft beteiligt, darunter Amazon Web Service, Google und Microsoft. Datenplattformen wie Adobe, Oracle und Qualtrics mischen ebenfalls mit.

Die Privaten bangen

Und auch Netflix hat sich gerüstet, um ins Daten-Business einzusteigen. Unter anderem heuerte das Unternehmen ehemalige Manager von Snap an, zusätzliche Unterstützung kommt von Microsoft. Der Softwarehersteller wird die technische Infrastruktur, die Werbeformate sowie das Sammeln und Managen der Daten organisieren.

Die großen privaten Sendergruppen in Deutschland dürften über diese Aktivitäten nicht erfreut sein. Zumal sie hoffen, über ihre eigenen Streamingangebote Daten zu gewinnen, um etwa personalisierte Werbung platzieren zu können. Zwar sei das klassische Fernsehen in Deutschland nach wie vor das Medium mit der stärksten Reichweite, sagt Frank Vogel, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters Ad Alliance.

Aber: „Die Nachfrage der Kunden nach Werbemöglichkeiten in hochwertigen Streaminginhalten ist höher als das Angebot.“ Für die Nutzerschaft wiederum zähle immer weniger die Unterscheidung in klassisches Fernsehen, Video-on-Demand oder andere Kategorien: „Künftig wird man auch in Sachen Werbung gar nicht mehr klar zwischen den beiden Bereichen trennen.“

Viele Kon­su­men­t*in­nen sind sich nicht bewusst darüber, dass und welche Daten von ihnen gesammelt und verwertet werden. Daher sollten sie auch hier, genau wie beim „normalen“ Surfen im Netz, darauf achten, wozu sie ihre Einwilligung erteilen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Gibt es eine Möglichkeit, für den kleinen Noname, gerichtlich dagegen vorzugehen?

    Ansonsten gibt es zum Glück die gute alte DVD/Blue Ray. Ohne Werbung, und es kommt nicht nach zehn Jahren ein Mitarbeiter vom Media Markt und nimmt mir den Film wieder weg - analog zu Streaming-Diensten, die ihren Content nur für wenige Jahre zur Verfügung stellen.

    Nieder mit Werbung!

  • „Wenn du nicht für das Produkt bezahlen musst, dann bist du selbst das Produkt.“ ist jagerade veraltet. Das neue Motto ist:

    "Obwohl Du für das Produkt zahlen musst bist Du trotzdem selber das Produkt."