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Eine Kirche für die KunstBlumengrüße auf Ruß

In der Paul-Gerhardt-Kirche hat es gebrannt. Die Künstlerin Eva von Schirach nähert sich dem mutmaßlich durch einen Anschlag zerstörten Raum mit Kunst.

Wirkt poetisch: Kunst in der Kirche Illustration: Jeong Hwa Min

Berlin taz | Am schwärzesten wirkt die Kirche unter der Kuppel. „Das liegt daran“, sagt Eva von Schirach, dass die Hitze immer nach oben steigt – und mit ihr der Rauch.“ Seit Monaten arbeitet die Künstlerin an und mit diesem zerstörten und übelriechenden und dennoch schönen Ort.

Am 20. Januar 2022 wurde der Altar und das Altarbild der Paul-Gerhardt-Kirche an einer der meistbefahrenen Straßen im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg bei einem Brand zerstört. Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass es sich um einen Brandanschlag handelte – allerdings gibt es bislang keine weiteren Erkenntnisse. Von Schirach, die von der Gemeinde beauftragt wurde, die Kirche bis zur Renovierung mit Kunst zu füllen, findet es seltsam, welche Wege das Feuer gegangen ist. Sie hat sich sogar bei der Feuerwehr über die Löscharbeiten informiert. Einerseits ist kein Fenster geborsten, berichtet sie. Andererseits schmolzen einige Pfeifen der gegenüberliegenden Orgel und liegen nun wie gekenterte Boote in der Kirche herum.

Die 1910 eingeweihte, zwischen Altbauten eingeklemmte Blockkirche aus Backstein gehört nicht gerade zu den schönsten Gotteshäusern Berlins. Die beiden Türme links und rechts: wuchtig. Das neugotische Kirchenschiff mit den schwarzen Kirchenbänken: kalt und eng.

Eine engagierte Gemeinde

Allerdings: Die Kirche gehört zur engagierten Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord, die auch die berühmte Gethsemanekirche nutzt. Die Gemeinde hält geschickt die Erinnerung daran wach, dass die vor der Wende einer der wichtigsten Treffpunkte für die DDR-Friedensbewegung war.

Auch für die Paul-Gerhardt-Kirche hatte die Gemeinde schon vor dem Brand eine Öffnung hinein in den Stadtraum geplant. Die Kirchenbänke sollten raus, stattdessen sollte es Gottesdienste im Stehen geben. Vor allem aber sollte die Kirche so auch säkularer für Schulsport genutzt werden.

Kunst mit Dreistufenplan

Eva von Schirach steht in der schwarzen Kuppel der Kirche, die die Herzen eines jeden Gothics höher schlagen lassen dürfte, und strahlt. Ihre Arbeitshaltung beschreibt sie als „heitere Erschrockenheit“. Einerseits findet sie, dass die Kirche durch den Brand nahbar, ja berührbar geworden sei. Andererseits, sagt sie, will sie auch nicht „in der Betroffenheit verharren“ oder der Kirche einfach ein Kunstprojekt überstülpen.

Darum hat die Künstlerin eine Art Dreistufenplan entwickelt. Alle, die sich angesprochen fühlen – ob kirchennah oder kirchenfern –, können der Kirche Musik schicken oder einen Blumengruß, am liebsten ein Foto, auf dem auch die Hand der Person zu sehen ist, welche die Blumen überreicht. Drittens bietet die Künstlerin Baustellenführungen an und berichtet dabei nicht nur über den Hergang des Brandes, sondern auch darüber, wie der Ort sie verändert hat. Sie sei schon jetzt „voller Abschiedsschmerz“, wenn das Projekt nun zu Ende geht.

Der schönste der drei Annäherungsversuche sind vielleicht die Blumengrüße. Von Schirach, die übrigens ganz offen damit umgeht, eine Nachkommin des Nazi-Reichsjugendführers Baldur von Schirach zu sein, hat zahlreiche Fotos mit Blumengrüßen erhalten. Diese projiziert sie mithilfe verschiedener Beamer an die schwarzen Wände. „Interessant“, sagt sie, „wie sich Wand und Bild oft erst finden müssen.“ Gerade hat sie ein Foto von Schü­le­r*in­nen aus der Schweiz bekommen, auf dem eine Blume in einer Hand von oben fotografiert wurde. So ist auch das Herbstlaub zu sehen, auf dem die Schü­le­r*in­nen stehen.

Eva von Schirach läuft mit einem ihrer Beamer in der beschädigten Kirche herum und sucht eine Stelle, wo das Bild gut passt. Schließlich findet sie eine Säule, an dem der Ruß Tropfnasen hinterlassen hat. Diese werden nun durch das Herbstlaub und die Blumen erleuchtet. Das wirkt sehr poetisch.

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