Tierquälerei in der Fleischindustrie: Schlachthöfe im Blick
Streit über Video-Überwachung: schleswig-holsteinische Landkreise dafür, das Landwirtschaftsministerium hat Bedenken.
RENDSBURG taz | Rinder, die sich vor Schmerzen winden, Blutpfützen am Boden, herumliegende Organe: Es waren Horrorbilder, die die Gruppe Soko Tierschutz im Juli heimlich in der „Landschlachterei Horn“ im schleswig-holsteinischen Flintbek aufnahm. Der Betrieb wurde stillgelegt, die Staatsanwaltschaft ermittelt, auch die behördliche Aufsicht geriet in die Kritik.
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) beschuldigte die Tierärzt*innen und damit die Kreise. Die schlagen Videoüberwachung in den Schlachtereien vor. Doch das Ministerium hat rechtliche Bedenken und verweist auf die Erfahrungen in Niedersachsen.
Im Massentierhaltungsland Niedersachsen startete 2019 eine freiwillige Überwachung, nachdem sich Skandale in Schlachtereien häuften. Doch 2020 stoppte die Bundesregierung den Vorstoß von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Kameras in den Betrieben zur Pflicht zu machen. Begründet wird das mit Sorgen um den Datenschutz: Die Dauerüberwachung aller Beschäftigten sei unverhältnismäßig, befand das damalige CDU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium.
„Da die rechtlichen Rahmenbedingungen seither unverändert sind, bleiben auch die rechtlichen Bedenken bestehen“, heißt es aus dem Kieler Ministerium auf taz-Anfrage. Gleichzeitig weist das Ministerium darauf hin, dass die Kreise dafür zuständig seien, für Tierwohl und Lebensmittelsicherheit zu sorgen.
Andere Länder handeln
Protest kommt vom Landkreistag: „Eigentlich müsste nun allen klar sein, dass es ein systemimmanentes Defizit in der Überwachung der Schlachthöfe gibt“, sagt Sönke Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages. „Doch anstatt dieses Problem gemeinsam anzugehen, versteckt sich das Ministerium hinter datenschutzrechtlichen Bedenken.“ Das sei „absolut nicht nachvollziehbar“, findet Schulz.
Zuständig für die Schlachterei in Flintbek ist der Kreis Rendsburg-Eckernförde. Kreisveterinärin Manuela Freitag sagte der Landeszeitung, die Schlachterei sei in den vergangenen Jahren mehrfach und unangekündigt kontrolliert worden. Dabei sei es aber vorrangig um die Frage gegangen, ob das Fleisch für den Verzehr geeignet sei.
„Eine permanente Überwachung ist rein rechtlich nicht möglich“, sagt Freitag. Daher hatte der Landrat des Kreises, Oliver Schwemer, eine freiwillige Videoüberwachung als Modellversuch vorgeschlagen und sich für eine landesweite Lösung ausgesprochen.
Die Kritik weist das Ministerium zurück: Man nehme das Lebensmittel- und Tierschutzrecht sehr ernst und habe sich klar zu einer Prüfung der bestehenden Kontrollsysteme positioniert. Daher begrüßte das Haus den vorgeschlagenen Versuch des Kreises Rendsburg-Eckernförde durchaus. Über die noch offenen Fragen soll gesprochen werden – ein Treffen ist für Ende Oktober geplant.
Während in Deutschland noch geredet wird, handeln andere Länder: Spanien hat Ende August die Überwachung als erstes EU-Land vorgeschrieben, in Großbritannien stehen seit 2018 Kameras in den Schlachthöfen.
Leser*innenkommentare
wxyz
Ist das nicht so ähnlich wie bei der Kriminalitätspräventation? Die Polizei ist dafür, die Einbrecher sind dagegen.
Bolzkopf
Nun gut.Wenn durchgängige Videoüberwachung nicht möglich ist kann man nichts machen.
Aber dagegen, dass bei den Kontrollbehörden immer mehr Personal abgebaut wird und Kontrollen damit automatsich immer seltener werden liesse sich was tun !
Es hat ja auch nicht jedes Auto einen Fahrtenschreiber - gelegendliche Radarkontrollen sorgen da auch so für Ordnung.
Warum sollte das bei Schlachthöfen nicht funktionieren ?
Also vorrausgesetzt, die verhängten Bußen sind nicht nur symbolisch sondern auch schmerzhaft.
Wie wäre es mit einer zeitlich befristeten staatlichen Aufsicht im Falle gravierender Verstösse ?
Ich weiß woran es liegt: Bei unseren Parlamenten geben die Fleischlobbiisten ein und aus. Schweine, Rinder und Hühner haben bekanntlich keinen Zutritt.