Winfried Kretschmann in Kalifornien: Was hilft gegen Rechtspopulismus?
Der BaWü-Ministerpräsident traf den kalifornsichen Gourverneur Gavin Newsom. Doch der hat auch kein Patentrezept.
A m Beverly Hills Boulevard von Los Angeles stoppen zu später Stunde Limousinen vor der Riviera 33 Lounge. Schöne, auf jeden Fall schön angezogene Menschen steigen aus und gehen rein, um Salsa zu tanzen. Wenn man sich durch die Tanzenden gedrängt hat, kommt man ganz hinten zu einem gläsernen Raum. Dort sitzt Mitte dieser Woche Winfried Kretschmann, der weitgereiste Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Ob er Tanzschuhe trägt oder seine bequemen, ist in der Dunkelheit nicht zu ermitteln. Jedenfalls analysiert er die Welt nach seinem Treffen mit dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom am Vormittag in Sacramento.
Der Demokrat Newsom, 54, versucht in den USA die vakante Rolle des liberaldemokratischen Starpolitikers zu besetzen, der die sozialökologische Moderne durchsetzt und die emanzipatorische verteidigt. Zunächst in Kalifornien, und dann wird man weitersehen.
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Doch drinnen sieht es anders aus. Jedenfalls nach dem Eindruck Kretschmanns und anderer Gesprächsteilnehmer. Dem Gouverneur sei im Hintergrundgespräch die Verzweiflung aus jeder Pore gedrungen. Angst vor Faschismus. Nicht in Kalifornien, das auch nach den Midterms Anfang November ein demokratischer One-Party-State sein wird. Aber mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl und danach. Am frühen Nachmittag hatte Kretschmann mit Newsoms legendärem Vorgänger Jerry Brown zu Mittag gegessen. Dem habe er dieselbe Frage gestellt wie zuvor dem Gouverneur: Was die Strategie sei gegen die abdriftenden Republikaner und den ausgreifenden Rechtspopulismus?
Das ist keine neue Frage, aber eine entscheidende: Wie verteidigt sich die liberale Demokratie gegen ihre Feinde? Da wird gerade von progressiv sein Wollenden gern gesagt, dagegen müsse man „kämpfen“. Aber was genau heißt das? Dass man gegen Putin demonstriert, offene Briefe schreibt, mahnende Tweets absetzt, doch bitte keine anderen Länder zu überfallen und dort die Leute zu massakrieren?
Die Idee, dass die ganze Welt liberaldemokratisch wird, muss man sich leider abschminken. Das bedeutet, dass die liberale Gesellschaft klären muss, ob sie das schöne Spiel spielen will, um ihre Ideale zu verteidigen. Oder ob sie Politik entwickelt und unterstützt, mit der sie die Mehrheit behält und die Zukunft gewinnt. Das kann beinhalten, dass Resilienz auch militärische sein muss und individuelle Freiheitsrechte eingeschränkt werden, um die liberale Demokratie und ihre Errungenschaften als Ganzes zu schützen. In der Netflix-Serie „A Handmaid's Tale“ kann man schön beklemmend sehen, wie schnell auch in einer scheinbar gefestigten westlichen Demokratie Frauen im Namen eines totalitären Gottes zu Sklavinnen und Gebärmaschinen degradiert werden.
Schön Utopien beschwören, Pazifismus, Antikapitalismus und Triggerwarnungen, das kann man alles machen, aber es ist auch eine Flucht aus der Realität, die währenddessen die anderen und ein politisch ignorierter Klimawandel brutal eskalieren. Ich sage nur: Florida.
Aber gibt es denn nun in den USA eine liberaldemokratische Strategie gegen eine erneute feindliche Übernahme, fragte jemand in der Riviera Lounge von Los Angeles. Kretschmann hustete. „Nein“, sagte er dann: „Oder jedenfalls konnte sie mir keiner sagen.“
Vor dem Glaskasten tanzten die Angelenos Salsa.
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