Neues Album von US-Star Maggie Rogers: Zwischen Uni und Ozean
Was kommt nach dem Überraschungserfolg: US-Singer-Songwriterin Maggie Rogers zieht auf ihrem neuen Album „Surrender“ Bilanz.
Aufgewachsen ist sie in einer kleineren Stadt in Maryland, an der US-Ostküste. Ihre Sommerferien verbrachte Maggie Rogers oft in einem Camp an der Küste von Maine in New England. Umgeben von Natur. Genau dahin sehnte sich die 28-jährige Musikerin wieder, nachdem sie schier endlos mit den Songs ihres Majorlabel-Debütalbums „Heard It in a Past Life“ um die Welt getourt war.
Am Ende fühlte sie sich völlig kraftlos und lethargisch, offenbar litt sie an einem Burnout. Also zog die US-Künstlerin Anfang 2020 die Notbremse. Sie kehrte in ihr einstiges Sommerdomizil an der Küste von Maine zurück und schottete sich vollständig ab. Die meiste Zeit las sie, unternahm ausgedehnte Spaziergänge entlang der Kliffs – fasziniert von der unbändigen Natur am Atlantik.
Der tosende Ozean war nicht nur Balsam für ihre Seele, er schäumte auch ihre Kreativität auf. Genau genommen zimmerte die wilde See den musikalischen Rahmen für ihr neues Album „Surrender“ (Hingabe). Jedenfalls in gewisser Weise. Der Song „Want Want“ wirkt so unbeständig wie der Atlantik.
Fast wie in den 1990ern
Eingangs fragt man sich: Verschreibt sich die Musik ernsthaft dem Pop der 1990er? Trommelwirbel und Gitarrenriff jenes Intros erinnern definitiv an Roxette. Doch dann schlägt das Stück plötzlich einen Haken, es findet mit verzerrten Beats zu einem super zeitgemäßen Sound. Wenn Maggie Rogers singt: „As I watch you getting undressed / Pray to God this won’t be a mess“, wird diese Aussage zu einem Statement für Lust.
Maggie Rogers: „Surrender“ (Capitol/Universal)
Tour: 21. 11., Huxleys Neue Welt, Berlin; 22. 11., Live Music Hall, Köln; 23. 11., Fabrik, Hamburg
Das kommt bei ihr nun doch überraschend. Schließlich hat sich Maggie Rogers vehement dagegen gewehrt, sexualisiert zu werden, als sie 2019 zuerst bei einem Majorlabel Musik veröffentlichte. Während der Pandemie wurde ihr allerdings klar: Das Thema Sex vollständig auszuklammern, wäre Selbstbetrug.
Denn sie ist eine Frau, der zum einen Begehren nicht fremd ist und die sich zum anderen für die Rechte von Frauen starkmachen will. Dass der Supreme Court in der Bundeshauptstadt Washington das Recht auf Abtreibung kippte, ließ Rogers nicht unkommentiert. Bei Instagram schrieb sie: „Abtreibung ist Gesundheitspflege“.
Wuchtige Riffs
Es scheint, als hätte sich Maggie Rogers ziemlich gewandelt, ohne dabei in aktivistische Kitschgefilde der „gereiften Künstlerin“ abzugleiten. Ihr Song „Different Kind of World“ spricht das an: Sein Sound ist erst von einer akustischen Gitarre getragen, später von wuchtigen Riffs. Dieses Lied will die Singer-Songwriterin nicht bloß als ein Plädoyer für Frieden verstanden wissen, sie bekennt: „I’m a different kind of girl.“
Tatsächlich hat sich in ihrem Alltag einiges geändert, seitdem sie 2016 im Clive Davis Institute of Recorded Music einen Kurs bei Pharrell Williams belegte. Der Starproduzent war damals sehr angetan, als er ihren Song „Alaska“ hörte. Er fand ihn sogar perfekt. Wie fassungslos seine Schülerin dieses Urteil machte, sieht man in einem Video, das in den sozialen Medien viral ging.
Seither hat sich Maggie Rogers weitgehend von Pharrell emanzipiert. Ihr Album „Heard It in a Past Life“ stand 2019 auf Platz zwei der US-Album-Charts, die US-Alternative-Charts führte es sogar an. Der Erfolg kam über Nacht, wirklich glücklich machte er Maggie Rogers indes nicht. Während des Lockdowns entwickelte sie eine Angststörung. Sie fühlte sich wie betäubt.
Masterarbeit in Religionswissenschaften
Nicht nur Komponieren half ihr dabei, sich Schritt für Schritt aus diesem Tief herauszukämpfen. Zugleich begann sie, in Harvard Religionswissenschaften zu studieren. Ihre Master-Arbeit heißt genauso wie ihr jüngstes Album: „Surrender“.
Ihre Songs nahm Maggie Rogers teils in der elterlichen Garage auf, teils in den Electric Ladyland Studios in New York und in Peter Gabriels Real World Studios im britischen Bath. Co-Produzent war Kid Harpoon. Seine Handschrift lässt die Musik zwar großspuriger wirken, hegt Rogers’ glasklare Stimme aber andererseits nicht ein. Der groovige Song „That’s Where I Am“ erzählt nicht nur, wie aus Freundschaft Liebe wurde. Es ist auch eigenwilliger und sphärischer Pop.
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