Robert Forster „The Candle and the Flame“: Das Leben und die Endlichkeit

Das neue Album des australischen Singer-Songwriters Robert Forster ist eine berührende Antwort auf die Krebsdiagnose seiner Frau.

Portrait Robert Forster

Hat seine eigene Vorstellung von „beauty“: Robert Forster Foto: Stephen Booth

Wer wissen möchte, ob es sich lohnt, das neue Album „The ­Candle and the Flame“ des australischen Singer-Songwriters Robert Forster zu hören, sollte sich das Video zu seinem Song „She’s a Fighter“ anschauen. Den hat Forster über und für seine deutsche Frau Karin Bäumler geschrieben.

Sie musste sich einer Chemotherapie unterziehen, nachdem im Juli 2020 Eierstockkrebs bei ihr diagnostiziert wurde. Im Video sitzt sie im Kreis der vierköpfigen Familie, trägt eine graue Kurzhaarfrisur und spielt Xylophon. Text hat sie keinen, aber zweimal, in der Mitte und am Ende des zweiminütigen Kleinods, gibt sie ein langgestrecktes, befreit gehauchtes „Haaaaahhhh“ von sich.

„Unser Sohn Louis spielt ja längst mit seiner eigenen Band The Goon Sax“, sagt Forster der taz. „Mit uns Eltern zusammen wurde er dagegen noch nie beim Musizieren gesehen. Und unsere Tochter Loretta ist überhaupt noch nie öffentlich als Musikerin in Erscheinung getreten. Wir wussten also, dass dieses Video ein starkes Statement wird.“ Allerdings.

Pop-Klischees werden weggewischt

Robert Forster: „The Candle and the Flame“ (Tapete Records/Indigo). Auf Tour ab 27. März

Denn was in diesen nur wenig mehr als zwei Minuten alles eingefangen ist, lässt sich nur nach und nach fassen. Natürlich ist da die Endlichkeit, aber mehr noch das Leben. Die zwei jungen Erwachsenen, die trotz ihrer Schönheit und Coolness in einem gewöhnlichen Musikvideo kaum auffallen würden. Hier aber feiern sie nicht nur standesgemäß ihre Jugend.

Den Song für die erkrankte Mutter, könnte man als rituell bezeichnen (drei Akkorde, stakkatohafter Rhythmus). Dabei hauen sie in die Saiten – als Percussion drischt Louis zudem wütend auf einen Einkaufswagen ein –, als ginge es um Leben und Tod. Und darum geht es ja auch. Emotionalität, stellvertretend für Versprechen und Transzendalität im Pop. Musiker werden als jüngerer Teil eines Generationenzusammenhangs erkennbar und dadurch zu Menschen, nicht nur zu Figuren.

Daneben Karin Bäumler und Robert Forster, von denen sich jüngere, glamourösere Versionen ihrer selbst (Bäumler als Teil der Band Baby You Know, Forster als Teil der Band Go-Betweens) ebenfalls im Netz recherchieren lassen. Sie wirken gealtert und verletzlich. Gleichzeitig sehr lebendig und stark. Wie viele Pop-Klischees und -Lügen von Jugend und alterndem Genie, von Coolness und Originalität, von „it is better to burn out than it is to rust“ werden in diesem Song mit einem Handstreich weggewischt.

Familie als Keimzelle lebendiger Popmusik

Die Mythen werden nicht unbedingt durch etwas Besseres, aber vielleicht durch etwas Wahreres, etwas Wirklicheres ersetzt. Und die Kleinfamilie, das bürgerliche Zwangsgebilde, hier als Keimzelle lebendiger, berührender, stärkender, vielleicht sogar rettender Popmusik. Hat man so was schon gesehen und gehört?

„She’s a Fighter“ ist der einzige von neun Songs auf „The Candle and the Flame“, den Robert Forster nach der Krebsdiagnose seiner Frau komponiert hat. Trotzdem hört sich das Album vor diesem biografischen Hintergrund anders an, als es jemals sonst geklungen hätte.

„Nehmen Sie die Songtitel, wie ‚There’s a Reason to Live‘, und auch viele der Texte, sie haben nach der Diagnose eine ganz neue Bedeutung bekommen,“ sagt Forster. „Es ist geradezu unheimlich, wie gut manche meiner Songtexte zu dem passen, was danach passiert ist.“

Ursprünglich hatte Robert Forster gar keine Pläne für ein neues Werk, aber er hat seine Lieder so oft mit seiner Frau gespielt, zu Hause, nach Tagen der Ungewissheit, dass ein Album mit diesen Songs irgendwann als das Richtige erschien.

Eine schöne Vorstellung, wie die beiden zusammen im Wohnzimmer „Tender Years“ gespielt haben, eine Liebeserklärung Forsters an seine Frau, nach über 30 Jahren Ehe: „I see her through the ages / She’s a book of a thousand pages / That you can thumb / Images of her are vivid / Her beauty has not withered / From her entrance in Chapter One“.

Auch dazu gibt es ein Video. Wir sehen Forster in der Küche in Brisbane dabei zu, wie er Müsli für sich und seine Frau zubereitet – eine banale Alltagstätigkeit, ungeschnitten, ungeschminkt, ohne künstliches Licht.

In „The Roads“ besingt er die Landschaft und Straßen rund um Regensburg

Das Leben zelebrieren

Forster macht sehr deutlich, dass seine Vorstellung von „beauty“ nichts mit Oberflächen zu tun hat. Er zelebriert das Leben, das ja bekanntlich das ist „what happens while you are busy making other plans“. Auch die Musik ist wenig geschönt. Keine Streicher, kein Klavier, die meisten Songs sind live aufgenommen, weil während der Chemotherapie nur wenig Zeit zur Verfügung stand – und auch niemand wusste, wie viel Zeit überhaupt noch bleibt.

Sicher lässt ei­ne*n das Wissen über den Hintergrund der Entstehung diese Musik anders hören. Aber auch in den Aufnahmen, in der Musik selbst steckt die Dringlichkeit, die Bedeutung, die die Worte und Töne durch Bäumlers Krankheit bekommen. „I don’t do drugs, I do time“, singt Forster mit seiner Frau im Duett. Wie das geht? Sich hinsetzen und erinnern, an ein Leben voller Ereignisse: „Make it stop and rewind / reimagine, redefine“.

Forster erinnert sich auch an seine zweite Heimat Bayern, wo er lange mit seiner Frau gelebt hat: In „The Roads“ besingt er die Landschaft und Straßen rund um Regensburg, wo Karin Bäumler aufgewachsen ist.

„Den Song habe ich im Januar 2020 geschrieben, als wir das letzte Mal dort waren. In Deutschland fährt immer Karin, ich bin Beifahrer und schaue aus dem Fenster. Da sind diese kleinen Straßen, die an einzelnen Häusern enden. Wir fahren durch kleine Ortschaften wie Hainsbach und Mengkofen. Diese Straßen sind so schön, sie bringen einen an andere Orte, sie zeigen einem Dinge.“

Forsters Sicht auf Deutschland

„Germany includes me a great deal“, sagt Forster, der aus diesem riesigen Land am anderen Ende der Welt kommt. Und das politisch in der Welt oft eher eine kleine Rolle spielt. Mit viel Sympathie blickt er auf das kleine Germany, das politisch eine große, aber selten glückliche Rolle spielt.

Nur die deutsche Bürokratie, die fürchtet er. Aber Forster denkt weniger an die Politik als an die Menschen, die er in Deutschland lieben gelernt hat. Das Leben reduziert sich immer mehr auf wenige Dinge, die er in seinen Songs zu einer Essenz einkocht.

Karin Bäumler ist derzeit auf dem Weg der Besserung. Sie sei „die große Kraft hinter der Musik“, sagt Forster. „Sie hat sich sehr über die Reaktionen auf die ersten Songs gefreut. Jetzt blickt sie gespannt darauf, wie das ganze Album ankommt.“

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