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Proteste der Klimabewegung in BerlinRebellion in Vorbereitung

Ak­ti­vis­t:in­nen von Extinction Rebellion bereiten sich auf ihre Herbstaktion vor. Neben dem Klima geht es um die soziale Frage.

Noch ist geheim, was die Ak­ti­vis­t:in­nen von Extinction Rebellion für ihre Herbstaktion planen Foto: Karsten Thielker

Berlin taz | Das Hauptquartier der Klimaschutzgruppe Extinction Rebellion (XR) liegt versteckt im hinteren Teil des Studiogeländes der Berliner Union Film südlich vom Tempelhofer Feld. Wer es dahin geschafft hat, muss nur noch eine Treppe rauf, einen Gang entlang und wieder durch eine Tür eine Treppe runter. Wäre die detaillierte Wegbeschreibung nicht auf der Website von XR zu finden, könnte man meinen, es handele sich um ein Geheimversteck, von dem aus die illegalen Aktionen der Gruppe geplant werden.

Die großzügigen Räume ihrer „Dezentrale“ mit einem Bastelraum und einem Büro, die zugleich als Materiallager dienen, sind trotz des Namens so etwas wie die Kommandozentrale der Klimaaktivist:innen. Hier laufen die Fäden zusammen, hier bereiten sie die „Herbst Rebellion“ vor, wie die am Samstag beginnenden Aktionstage im XR-Sprech heißen.

Drei Großaktionen sind geplant, die aber so geheim sind, dass nur ein jeweils kleiner Planungskreis alle Details kennt. Verraten wird nur: Samstag soll es ein „ungehorsames Straßenfest“ an einem belebten Ort geben, Montag und Dienstag soll „der politische Betrieb gestört“ werden.

Im Kunstraum, dessen Regale über und über mit Farben, Spraydosen und Stoffen vollgestopft sind, tragen zwei Ak­ti­vis­t:in­nen mit einer Siebdruckmaschine das Gruppenlogo einer stilisierten Sanduhr im Erdkreis auf lilafarbene Fahnen auf.

Aufwendige Aktionsvorbereitungen

Nachdem bei der ersten die Farbe noch etwas verläuft, sehen die nächsten schon aus wie gedruckt. 40 Fahnen haben die beiden vor sich, sagt Aktivist Micha, der seit sechs Wochen bastelt und baut. Schilder, Westen oder riesige Transparente sind hier entstanden – die legalen Ausdrucksmittel der Gruppe.

Den geheimen Teil haben sie an einem anderen Ort gebaut

Den geheimen Teil hat die Bau-AG an einem anderen Ort angefertigt. Von „Strukturen“ spricht Micha und meint plastische Figuren, die dazu dienen, dass sich Ak­ti­vis­t:in­nen an ihnen anketten oder ankleben können. Das Festkleben, mit dem zuletzt die Gruppe „Letzte Generation“ aufgefallen war, gehört bei XR schon lange zum Standardrepertoire.

Im vergangenen Jahr fing die Polizei am Morgen des ersten Aktionstages des „August Rise up“ alle Aufbauten, die zu einer Blockade am Brandenburger Tor sollten, schon an der Werkstatt ab. „Zwei Wochen vor der Aktion wurden wir schon von der Polizei observiert“, erzählt Micha und ergänzt: „Diesmal sind alle Sachen schon an einen anderen Ort gebracht worden.“

Für XR ist es das vierte Jahr in Folge, in dem sie mit bundesweit mobilisierten und bunten Aktionstagen in Berlin auf die Klimakrise hinweisen wollen. Als „sehr aufwendig“ bezeichnet Micha die Aktionsvorbereitungen, die schon im April begonnen haben. Im vergangenen Jahr versuchten die XR-Aktivist:innen ein verbotenes Camp im Monbijoupark aufzubauen, es gab Blockaden vor den Büros des Bauernverbandes und vor Bundesministerien und eine Besetzung im Büro des Wirtschaftsrates der CDU.

Die Forderungen sind immer die gleichen: Die Politik soll die existenzielle Bedrohung durch die Klimakrise anerkennen, die Treibhausgasemissionen bis 2025 auf Nettonull senken sowie eine Bür­ge­r:in­nen­ver­samm­lung für die notwendigen Maßnahmen einberufen. Die Prinzipien bleiben auch: Aktionen verlaufen unbedingt gewaltfrei und sollen zugänglich für alle sein.

Protest

Camp seit Donnerstag im Invalidenpark, Aktionen von Samstag bis Dienstag. https://extinctionrebellion.de/og/berlin/

Judith Pape ist dabei, seit die Bewegung Ende 2018 von Großbritannien nach Deutschland schwappte. Ein Jahr später beteiligten sich 6.000 Menschen bei Straßenblockaden in Berlin. Pape ist von ihrem Computer im kleinen Büroraum aufgestanden und hat auf einer riesigen Eckcouch Platz genommen.

Dieses Jahr wären sie bei XR schon mit einem Zehntel der Teil­neh­me­r:in­nen zufrieden. Sie spricht von einer „gesellschaftlichen Demobilisierung“ und einem „Überforderungzustand“ angesichts der vielen Krisen. Mit Corona habe XR den Fokus auf den Aufbau der Strukturen gelegt, darauf „Vertrauensverhältnisse“ aufzubauen. Pape sagt, es sei gut mit Menschen zusammenzuarbeiten, die die Klimakrise „ähnlich emotional durcharbeiten“ wie sie selbst.

Die 34-Jährige mit den langen hellblonden Haaren war schon bezahlte Vollzeitaktivistin bei XR und ist schon seit Juni mit den Aktionsvorbereitungen beschäftigt. Ihr Jahresziel von „einer ungehorsamen Aktion im Monat“ hat sie bis auf einen Ausfall bislang eingehalten: Besuche bei Bayer, Blockaden auf der Marshallbrücke oder des Finanzministeriums gehörten dazu. Bei den bevorstehenden Aktionstagen ist sie für das „Narrativ“ zuständig, also der Erzählung, die vermittelt werden soll.

Klimagerechtigkeit mit der sozialen Frage verbinden

Wer dachte, XR kümmere sich ausschließlich um Klimafragen wird überrascht: „Jetzt ist der heiße Herbst und die Frage ist: Wie können Klima- und soziale Gerechtigkeit zusammengebracht werden“, sagt Pape. Von der politischen Rechten und vielen Medien würden beide Themen „gegeneinander ausgespielt“, dabei sei es „wichtig, dass hier alle gut leben können“ und gleichzeitig die Klimakrise als „globales Problem“ begriffen werde.

Das Ausspielen verdecke, so Pape, „dass man den Reichtum nicht antasten will“. Für die Samstagsaktion habe man den Schulterschluss mit der Kampagne #Ich bin Armutsbetroffen gesucht. „Wir dürfen die soziale Frage nicht den Rechten überlassen“, sorgt sich auch Pape. Bei XR sei man in der Abgrenzung zu „nationalistischen Perspektiven aufs Klima“ und auch gegenüber jeglichen Verschwörungsmythen „sehr entschlossen.“

Das Untergangsnarrativ, das XR bislang bediente, die Rede vom baldigen Aussterben, das auch viele abschreckte, habe sich geändert. „Das alles ganz schnell gehen muss, war die XR-Erzählung, aber das überzeugt nach vier Jahren nicht mehr so“, sagt Pape.

Der „Ohnmacht“ gegenüber den Verhältnissen will Pape „Handlungsfähigkeit“ entgegensetzen. Zuversichtlich stimmt sie, dass auch diesmal viele neue Ak­ti­vis­t:in­nen erstmals Erfahrungen mit „ungehorsamen Aktionen“ machen werden. Am Donnerstag wurde das Camp im Invalidenpark aufgebaut, das mit Workshops, Trainings und als Schlafstätte einen Rahmen für die Aktionen bilden soll. Die Infrastruktur steht. Es müssen nur noch die Ak­ti­vis­t:in­nen kommen.

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