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Auswirkung der GaskriseAbschlag verachtfacht

Eine Twitter-Nutzerin schrieb, ihr Gasabschlag steige ab Oktober von 93 auf 789 Euro pro Monat. Kann das wirklich stimmen?

Gasflamme eines Gasherdes; Kochen ist noch der kleinste Posten beim Verbrauch Foto: imago

Twitter-Nutzerin @Nimue3105 schrieb am 17. August: „Bisheriger Gasabschlag: 93,00 €. Neuer Gasabschlag ab Oktober: siehe unten. Ich will nicht mehr.“ Auf dem beigefügten Bild unter dem Text sieht man: Ihr neuer Gasabschlag beträgt 789,00 Euro und ist damit ungefähr achteinhalb Mal höher als zuvor. Eine andere Nutzerin kommentierte: „Willst du uns hier verarschen und Panik schüren? Sehr unglaubwürdig“.

Doch das Misstrauen ist unberechtigt. „Die Rechnung ist korrekt“, schreibt die Mitteldeutsche Gasversorgung (MITGAS), bei der auch die Twitter-Nutzerin Kundin ist, auf Anfrage. Und das ist kein Einzelfall: Insbesondere Kund:innen, die ihre Verträge über Vergleichsportale wie Check24 abgeschlossen haben und deshalb bislang von Niedrigpreisgarantien profitierten, seien von den deutlichen Preissteigerungen betroffen.

In der Rechnung der Twitter-Nutzerin ist die Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde und der der niedrigere Mehrwertsteuersatz auf Gas in Höhe von 7 Prozent statt 19 Prozent noch nicht berücksichtigt. Beides gilt ab Oktober. Laut der Nutzerin betrage der Abschlag unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren rund 750 Euro, was immer noch einer Verachtfachung entspräche.

„Aktuell sind monatlich einige tausend Kunden nach dem Auslaufen des jeweiligen Preisgarantieendes von Preisanpassungen betroffen“, schreibt MITGAS. Kunden, die Zahlungsschwierigkeiten haben, rät der Anbieter, möglichst frühzeitig auf ihn zuzukommen. Mögliche Wege seien die Vereinbarung eines individuellen Abschlagstermins, einer Stundung oder einer Ratenzahlung.

Es handelt sich um Extremfälle

Sabine Lund vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) stellt auf Anfrage klar: Es handelt sich um Extremfälle. Dennoch habe sich der durchschnittliche Gaspreis für Ver­brau­che­r:in­nen mit Blick auf den vergangenen Herbst nahezu verdreifacht. Bezüglich der zu erwartenden Preisentwicklung schreibt Lund: „Es ist anzunehmen, dass die Gaspreise für Ver­brau­che­r:in­nen kurz- und mittelfristig nicht signifikant sinken werden.“

Ab Oktober komme zusätzlich zur Gasumlage auch die deutlich niedrigere Speicherumlage in Höhe von 0,059 Cent pro Kilowattstunde sowie ab 2023 eine etwaige Erhöhung des CO2-Preises auf die Kun­d:in­nen zu.

Der CO2-Preis im Wärmesektor beträgt in diesem Jahr 25 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2. Das entspricht derzeit ungefähr 0,54 Cent pro Kilowattstunde Gas. Ab 2023 beträgt der CO2-Preis im Sektor 30 Euro pro Tonne und bis 2025 wird er Schrittweise auf 55 Euro pro Tonne steigen.

Die Bundesregierung entlastet zusätzlich zum gesenkten Mehrwertsteuersatz die Gas­kun­d:in­nen mit einer einmalig ausgezahlten Energiepauschale in Höhe von 300€ im September.

Für Kund:innen, die eine so horrende Preissteigerung wie die Twitter-Nutzerin @Nimue3105 hinnehmen müssen, ist diese wohl nicht viel mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie schrieb: „klar, mit der tollen einmaligen Energiepauschale kann ich das locker stemmen. Danke für nichts, @OlafScholz“.

Eine Sprecherin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft versicherte indes: „Die Versorger tun im Rahmen ihrer Beschaffungsstrategien zwar alles, um die Belastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu dämpfen. Die historisch hohen Preise im Großhandel werden sich dennoch stark auf die Endkundenpreise auswirken.“

vzbv kritisiert Versorger

Ob die Ver­sor­ge­r:in­nen tatsächlich alles tun, um die Preise für Kun­d:in­nen niedrig zu halten, stellt eine Untersuchung des vzbv in Frage. Sie ergab, „dass einige Anbieter in ihren Schreiben gesetzliche Vorgaben, etwa die Ankündigungsfristen, missachten“, so Lund. Dazu komme, dass Preisinformationen oft ungenügend dargestellt seien und einige Schreiben undurchsichtige Hinweise zu vertraglichen Änderungen enthalten.

Bei einigen der untersuchten Energieanbietern stelle sich gar die Frage, ob sie einkalkulieren, dass ihre Kun­d:in­nen aufgrund der Energiekrise mit höheren Preisen rechnen und daher sowohl die Berechtigung zur Erhöhung als auch den konkreten Preisanstieg nicht kritisch überprüfen, schreibt Lund.

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21 Kommentare

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  • Ich hatte eine Verdreifachung meines Gaspreises bereits im letzten Jahr als die Preisgarantie auslief. Von 6ct/kwh auf 17ct/kwh. Das nur von Oktober an bis Juni diesen Jahres weil ich umgezogen bin und in der neuen Wohnung zum Grundversorger gewechselt bin.



    Sollte sich hier der Gaspreis in ähnlicher Form entwickeln wie bei der Dame im Artikel, ist die Einzugsermächtigung hinfällig und ich zahle monatlich manuell - maximal 150% des aktuellen Preises. Ich lasse es dann auf Klagen ankommen. Sollte der Versorger nicht die ganze Straße abklemmen wollen, kann er mir weder Strom noch Gas abstellen denn an die Zähler kommt er ohne mein Einverständnix nicht ran.



    Ich kann nur jeden Betroffenen dazu ermuntern: Zahlen ja, auch etwas mehr aber keine Wucherpreise. Einzugsermächtigung widerrufen und manuell zahlen.



    Man kann als Versorger viel verlangen. Man muss aber auch jemanden finden, der bereit ist, zu zahlen.

  • Ist so. Bei den Eltern einer Freundin von mir hat sich der Abschlag von 124,- Euro monatlich auf über 800,- erhöht.

  • Die Agenda hinter der Misere - Stichwort US-Fracking-Gas - ist natürlich nur Spekulation oder gar Verschwörungstheorie. Lieber über Nullen und Nachkommastellen diskutieren!

  • Dem Artikel fehlt an sachlichen Informationen, das sollte nun wirklich nicht sein.

  • Gasumlage 2,419 ct/kWh, Konvertierungsumlage 0,038 ct/kWh, Gasspeicherumlage 0,059 ct/kWh, Bilanzierungsumlage 0,57 ct/kWh.

    Arbeitspreis 21,71 ct/kWh plus diverse Umlagen+2,419+0,038+0,059+0,57 ct/kWh

    ergibt einen neuen Arbeitspreis von



    24,796 ct/kWh.

    Arbeitspreis * Verbrauch;

    für mich im Singlehaushaushalt 1.467 kWh für Heizung ohne Warmwasser.



    24,796 ct/kWh*Verbrauch 1.467 kWh



    = 363,78 €.

    Plus Ust. 7% = 25,46€ auf 363,78€ ergibt zusammen 389,24€.



    Monatlicher Abschlag wäre 32,44€.

    Mein jährlicher Heizverbrauch lag vorher bei 140 €. Es sind also rund 250 € mehr.

    Zu meinen Heizkosten kommen Warmwasserkosten (Durchlauferhitzer) und Strom.

    Mein Gas-Heiz-Verbrauch ist unterdurchschnittlich, was daran liegt, dass ich in einem Mehrfamilienhaus lebe, an der Südseite mit großen Fenstern und ansonsten gut gedämmt. Man kann das Ganze auch mit 3.000 kWh Stunden berechnen für Single-Haushalte und 50qm Wfl., der übliche Wert. 2.000 kWh für Warmwasser über Zentralheizung.

    Ein Abschlag über 700 Euro (für einen Singlehaushalt?), entspräche über 8.400 Euro im Jahr. Das würde ich von dem Anbieter begründen und v.a. belegen lassen, woher diese Preise kommen und ob hier nicht der Versuch unternommen wird, die Krise für willkürliche Preiserhöhungen zu nutzen bzw. das Modell der Festpreise nachträglich zu kompensieren.

    Oder, fragen, wie hoch der Verbrauch war, für wie viele Personen und wie viele qm Wohnfläche dieser besagten twitter-Userin aus dem Artikelbeispiel.

    Diese Informationen fehlen hier im Artikel. So dass man im Grunde keine Bewertung des Falls vornehmen kann und keine Empörungswelle an falscher Stelle hervorrufen sollte.

  • Bei etlichen dieser extremen Fälle liegt aber auch ein exorbitant hoher Gasverbrauch vor. Da gibt es Leute, die verbrauchen zu dritt soviel wie 2 vierköpfige Familen.



    Wenn ich sehr viel von etwas verbrauche, bin ich von einer Preissteigerung des Guts eben auch stärker betroffen.



    Da kann man selbst sehr viel tun, um den Verbrauch zu senken, statt sich auf twitter beschweren.

    • @Leichtmatrose:

      Weil es mglw irgendwo solche Einzelfälle geben mag, können Sie doch hier nicht alle über einen Kamm scheren. Diese Beschwerden auf twitter dürften also soweit alle in Ordnung gehen. Soll sich denn niemand mehr beschweren dürfen. (?)



      Sowas würde dann so nach u nach dazu führen, dass die Regierung mit der Bevölkerung so umspringen könnte, wie sie es will.

  • 4G
    44733 (Profil gelöscht)

    Eine junge Frau hat mir verzweifelt erzählt dass sie 1000 Euro nachzahlen muss. Sie hat mir den Bescheid gezeigt. Ich habe ihr das Komma nach der 10 gezeigt.

  • Können derartg hohe Preisanstiege nicht nur bei solchen Anbietern entstehen, die Verträge über die Lieferung von billigem russischen Gas hatten und dies nun durch teure anderweitige Gaslieferungen ersetzen müssen. Und soll nicht gerade die Gasumlage derartige Firmen entlasten, damit deren Kunden eben nicht astronomische Gasrechnungen erhalten. Sind derartig hohe Abschlagszahlungen nicht unangemessen angesichts dessen, dass derartige Anbieter mit dem Geld anderer Gaskunden massiv entlastet werden sollen?

  • Das kann gar nicht sein. Diese Steigerung sei ja nur ein Extremfall: um das achtfache, sonst alle anderen um das dreifache.



    Also sollten die ärmeren Haushalte koordiniert, gemeinsam die Verweigerung der Zahlung, den Widerspruch gegen die Endkostenabrechung öffentlich vorher ankündigen. Eine organisatorische Aufgabe - für alle Stadtteilinitiativen und Gewerkschaften und Gruppen gegen Zwangsräumung bundesweit.

  • "Auswirkung der Gaskrise: Abschlag verachtfacht"



    Hurra! Danke Herr Habeck, die Sanktionen tuen ihre Wirkung.



    Putin, lass dir das eine Lehre sein. Wir Kriegen dich klein.

    • @Lästige Latte:

      Gas wird nicht sanktioniert.

      • @LeSti:

        "Gas wird nicht sanktioniert."



        Doch, von Putin als Antwort.

      • @LeSti:

        Hier mal kurze Stichworte zu ganz viel Thema Sanktionen :



        Nordstream 2 und allerlei anderweitige Gaslieferungsreduzierungen (sprich Sanktionen).



        Konfuses Nordstream 1



        Turbinen- Hin u Her aufgrund des Sanktionsmilieus...



        Die sogenannte "Gaskrise" ist also schlicht u ergreifend diesem wahnsinnigen Sanktionsmanagement geschuldet.

  • 93€ im Monat, nur für Gasverbrauch, wieviele Menschen werden damit versorgt? Das wäre schon wichtig zu wissen. Weil 93€ Energieverbrauch egal in welcher Form pro Monat und Kopf ist einfach irrsinnig viel zu viel, Umlage hin oder her.

    Wenn ich meine Bude aus Faulheit im Winter mit Elektroheizer tagsüber auf 25°C heizen würde, wäre mein Verbrauch in diesem Rahmen in den Wintermonaten. Zumindest mit besherigen Energiepreisen. (93€ =~ 300kWh ; 300kWh / 30d = 10kWh/d)

    10(!) Kilowattstunden am Tag!!! Das ist ungefähr 20-100 (je nach körperlicher Verfassung) mal soviel wie Frau Nimue3105 mit ihren Muskeln und handwerklicher Arbeit effektiv umsetzen könnte in der gleichen Zeit.

    Die Frau ist womöglich nicht schuld an den Umständen, ein generelles Urteil zu fällen wäre nicht angemessen. Aber sicher werden viele Menschen hierzulande ihren Lebensstandard einschränken müssen, unabhängig vom bösen Putin.

    Immer mehr Menschen auf der Welt wollen auch im Winter heizen und im Sommer kühlen, der Energiehunger der Menschheit steigt jedes Jahr. Und immer mehr Menschen können auch immer mehr zahlen für knapper werdende oder künstlich verknappte Ressourcen. Die fetten Jahre sind vorbei, um es plakativ zu sagen.

    • @Fabian Wetzel:

      Die Nutzerin schrieb auf Twitter, dass der Verbrauch bei ca 20.000 kWh liege. Der Arbeitspreis liegt also bei ca 47 Cent pro kWh. Klingt heftig.



      Wir verbrauchen ca 2.500 l Öl pro Jahr, was 25.000 kWh Energieäqivalent entspricht. Das kostet zur Zeit ungefähr 3750€ pro Jahr. Zuletzt kostete uns das übrigens 1700€, wir zahlen jetzt also 2000€ mehr pro Jahr. Für 2000€ netto Mehrausgaben muss ein Durchschnittsverdiener ganz schön lange arbeiten ...

    • @Fabian Wetzel:

      Ein Abschlag von 90 Euro dürfte etwa einem Jahresverbrauch von rund 17.000 kw/h entsprechen. Den gleichen Verbrauch habe ich auch und wir heizen wenig (Ofen, Südlage, etc.) Ein durchschnittlicher Haushalt (4 Personen) verbrät rund 20.000 kw/h.

    • @Fabian Wetzel:

      In Städten mit Immobilienwucher gibt es genug Wohnungen, die z.B. in der Küche einen Gastherme haben, an die die Heizkörper angeschlossen sind. Lässt sich halt schnell installieren. Ein absoluter Alptraum, wenn die Isolierung schlecht ist und 100 € im Monat sind (waren) realistisch. (Im Zweifelsfall friert man trotzdem) Die Leute sind nicht zu beneiden

      • @hey87654676:

        richtig, wir sind ein 2 Personen Haushalt und wohnen in einem unsanierten Altbau mit einer 22 Jahre alten Gastherme. Die Wohnungsbaugesellschaft weigert sich energitsche Sanierungen vorzunehmen, geschweige denn die energieuneffiziente Gastherme auszutauschen. Für mich ist das boshaftes Verhalten und Verweigerung Verantwortung zu übernehmen. Ich versuche schon seit Jahren beim Heizen zu sparen habe aber nur 30% Einfluss dahingehend. Denn die schlechte Gebäudesubstanz kann icb nicht verändern. Zu meinem Verbrauch: Jahresverbrauch von 12000 kwh das entspricht einem monatl. Abschlag von 78,00. Der neue Abschlag ab Oktober beträgt 350,00 und die Umlage ist noch nicht inkludiert. Das ist nochmal meine Miete. Ich werde ab Oktober für Minus auf dem Konto arbeiten. Danke@bundesregierung für diese wunderbare Zeitenwende. So lohnt sich Arbeit.

  • Grüne Träume werden wahr.

    Hoffentlich bleibt die Wäsche sauber - denn waschen kann man sich ja kaum noch leisten.

  • In solchen Fällen auf keinen Fall einfach Ratenzahlung vereinbaren! Stattdessen erst beim Amt nach Unterstützungsmöglichkeiten fragen.

    Da die Umlage in dem Monat so hoch ist, hat sie wahrscheinlich das Recht auf staatliche Stütze. Wenn sie auf Ratenzahlung wechselt, fällt das weg.