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Zwiespältiger Aktionstag

GEGEN RECHTS Während Hamburgs Bürgermeister Antifa-Demos für unverzichtbar erklärt, lenkt seine Polizei Neonazis und Linke in eine Sackgasse

Um den Nazis den Rückweg zu bahnen, wurden erneut Wasserwerfer eingesetzt

AUS HAMBURG B. LAUFER, P. MÜLLER UND A. SPEIT

Mehr als 20.000 Hamburgerinnen und Hamburger haben am Samstag gegen den Aufmarsch von 500 Neonazis zum „Tag der deutschen Zukunft“ in Hamburg protestiert – allerdings auf zweierlei Weise.

Während 10.00 Menschen dem Ruf von SPD-Senat, Bürgerschaft, Kirchen und Wirtschaftsverbänden unter dem Motto „Hamburg bekennt Farbe“ auf den Rathausmarkt folgten, versammelten sich im östlichen Stadtteil Wandsbek mehrere tausend Menschen zu Sitzblockaden auf der Nazi-Marschroute. Der Wandsbeker Teil der Veranstaltung endete im Desaster. 80 Personen wurden festgenommen, laut Polizei 38 Beamte verletzt.

In der City bekräftigte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), dass „die weltoffene Stadt Hamburg das offene Tor zur Welt“ bleiben werde. Demonstrationen gegen rechts seien unverzichtbar für Demokratie und Rechtsstaat. Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs ergänzte: „Wer gegen die Menschenwürde handelt, handelt gottlos.“

Parallel hatte das Bündnis gegen Rechts aus 220 Organisationen, Gewerkschaften und Verbänden morgens mit 5.000 Teilnehmern in der Innenstadt demonstriert und rief zu anschließenden Blockaden auf. Auf weit mehr als der Hälfte der Nazi-Route bewegten sich daraufhin an die 3.000 DemonstrantInnen aller Couleur.

Auf der Route bildeten sich Sitzblockaden. „Wir sind friedlich – was seid ihr?!“, riefen die oft weit mehr als 500 Sitzenden den Polizeikräften zu. An einer Straßenecke löste die Polizei mit Wasserwerfern, Pferdestaffel und Pfefferspray eine friedliche Blockade auf. Auf anderen Straßen brannten Mülltonnen, Steine und Flaschen flogen. Die Neonazi-Kader Thomas „Steiner“ Wulff und Christian Worch mussten Stunden warten, bis ihre „Kameraden“ mit drei Gelenkbussen der Hamburger Hochbahn angekarrt wurden und Parolen gegen „Multi-Kulti-Fetischismus“ skandieren konnten.

Auf Unverständnis stieß die Entscheidung der Polizei, den rechten Trupp nicht auf den noch weitgehend freien Teil der genehmigten Route zu leiten, sondern eine gewaltfreie Blockade in Richtung des Hasselbrook-Quartiers zu räumen, wohin sich der Zug – angeführt von zwei Räumpanzern, zwei Wasserwerfern und den Nazi-Trommlern – in Bewegung setzte.

Im Quartier freilich saß der Treck, angeführt von „Autonomen Nationalisten“, die mehrfach gegen die Polizei „Ausbruchversuche“ unternahmen, um Antifas zu attackieren, fast eine Stunde fest. Um den Nazis den Rückweg zum Bahnhof zu bahnen, mussten erneut Wasserwerfer eingesetzt und Blockierer weggetragen werden.

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