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Klima und KriegRetro, aber richtig

Die Fragen und Krisen der 80er Jahre sind zurück. Aber wo bleibt der gleiche Optimismus? Wenn hier alles retro wird, sollten wir richtig recyceln.

Sowas von Eighties: Protest gegen das Waldsterben 1986 in Wackersdorf Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

A lles begann mit meiner alten Trainingsjacke. Ich hatte sie hinten im Schrank, als Erinnerung an meine halbwegs gloriose Jugend als Linksaußen (!) in der Handballmannschaft des VfL Lichtenrade. Als meine Tochter die rot-weiß-graue Jacke sah, war sie begeistert: Vintage, stylish, second hand – und vor allem: voll retro!

So fühlen sich auch derzeit die Nachrichten an: In einem großen deutschen Fluss sterben Abertausende von Fischen und Krebsen an einem unbekannten Gift; Atomkraft gilt plötzlich wieder als Versprechen für die Zukunft; Fluggesellschaften planen 20 Jahre nach dem Desaster der Concorde einen neuen Überschalljet; die Müllberge wachsen weiter; das Waldsterben ist zurück, weil es eigentlich nie weg war; Bauern dürfen Ökokriterien wieder vergessen; der Staat plant neue fossile Kraftwerke; die Russen sind wieder die Gefahr aus dem Osten und arbeiten auch noch kräftig am nächsten nuklearen Super-GAU.

Das ist alles so was von Eighties! Und wir dachten doch, es sei vorbei. Tja.

Selbstverständlich geht es auch voran: Viele dreckige Industrien sind sauberer, die digitale Globalisierung ist eine Riesenchance, die Armut geht weltweit zurück, überall sprießen Erneuerbare – und wenn heute gewählt würde, käme wohl Ökodiktator Habeck an die Macht.

Unser „No Future“ ist die gute, alte Zeit

Aber erinnern wir uns richtig: Unser „No Future“ von 1982 zwischen Ozonloch, Waldsterben und Rheinvergiftung ist heute die gute alte Zeit: Damals lag der CO2-Gehalt in der Luft bei 340 Molekülen pro Million, heute sind es gefährliche 420, die globale Überhitzung ging mit 0,3 Grad gerade richtig los, heute sind es 1,2 Grad: fast ein ganzes Grad Celsius mehr seit meiner Jugend! Das Baumsterben konnte man mit Filtern auf Kohlekraftwerken bekämpfen, aber keiner stellte die Kohle infrage; das ewige Eis auf Grönland und in den Alpen war noch ewig, auf Meeresströmungen konnte man sich verlassen.

Rudi Carell sang: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“, weil es so „nass und sibirisch“ war, wie wir es uns heute wünschen. Der weltweite Ölverbrauch lag bei 2,8 Milliarden Tonnen, heute sind es 4 Milliarden, die Ozonschicht ließ sich ein paar Jahre später mit viel Glück und einem ziemlich simplen Vertrag wieder kitten. Als wir Wohlstandskinder in den Achtzigern hemmungslos konsumierten, lag trotzdem der „Welt-Erschöpfungstag“, an dem die nachwachsenden Ressourcen für ein Jahr aufgebraucht sind, erst im November – heute, wo wir alle ach so bio, vegan, nachhaltig und achtsam sind, ist das bereits im Juli.

Sie sehen: Es gibt gute Gründe, konservativ und rückwärtsgewandt zu sein. Wenn Fortschritt immer nur höher, schneller, weiter, mehr, billiger, geiler heißt, dann muss man eben zum Ewiggestrigen werden.

Aber wenn schon die Probleme von vorgestern wieder in der Oder schwimmen, hätte ich zumindest auch gern den Einfallsreichtum, die Entschlossenheit, den Optimismus und die Wut von damals zurück: all die Bürgerinitiativen, den Glauben und die Lust an politischer Veränderung, den Druck auf den Straßen, in Betrieben, Schulen und Parlamenten, das Zittern in den Chefetagen und den allgemeinen Respekt vor guter Wissenschaft.

Vor allem Schluss mit dieser Scheißegal-Haltung und diesem Wohlstands-Chauvinismus, der Tempolimit, 19 Grad Raumtemperatur, unbeleuchtete Werbetafeln und Gemüsegrillen zu Anschlägen auf Einigkeit und Recht und Freiheit definiert! Wenn hier schon alles retro wird, sollten wir richtig recyceln: dann bitte auch Flower-Power, den Müsli-Man im selbst gestrickten Norwegerpullover und große „Atomkraft? Nein Danke!“-Demos!

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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  • Those were the days my friend...



    Nun ist die "früher war alles besser" Zeit der Hosen Realität geworden.



    Abgesehen von der Tatsache, dass man/frau jung war, gab es aber einen Haufen Mist.



    Allerdings gab es auch den " ich bin Energiesparer" Aufkleber und viele Tips ( ohne Doppel P), wie Strom, Wärme,Wasser etc. gespart werden können.



    Die bleiben eigentlich aktuell.



    An eine Parallele zur heutigen Forderung :" Staat, nu mach Gesetze, damit Alle alles richtig machen " kann ich mich nicht erinnern.



    Die eigene Nase war schon im Spiel.



    So konnte ich mir, im Gegensatz zu den "Freunden"aus dem Hosen Lied das gesamte Billigflugkapitel schenken.



    Dadurch haben Viele der nachfolgenden Generationen auf einmal viel größere (CO2) Füße als ich.



    Dass ich das Atomkraft nein Danke T-Shirt nochmal aufbügeln muss, hoffe ich dann doch nicht, meine grünen Freunde!

  • Ich sehe ja ein, wenn wir alle etwas bewegen dann können wir auch versuchen, den Klimawandel abzumildern. Ich sehe aber nicht ein, dass wir hier glauben alleine die Welt retten zu müssen, auf alles verzichten und rund um uns herum auf der Welt haben alle ihren Spass. So nicht ! Ich sehe aber auch in Deutschlad keine Mehrheit für radkale Verbote oder Gesetze, wenn es darum geht, zu verzichten, oder es an den Geldbeutel geht. Schauen sie mal auf einen live -flightradar, wieviele tausende Flieger gleichzeitig wieder in der Luft sind.. und ich soll auf Balkonien bleiben, kein Fleisch mehr essen und aufs Autofahren verzichten ???

    • @maestroblanco:

      ...ach was, warum sollten sie auf etwas verzichten wenn sie gerne bald in der Hitze den Kick des verglühen bekommen dürfen. Oder doch lieber ertrinken ? Verhungern gibt's gratis dazu...

    • @maestroblanco:

      Ich finds immer extrem erheiternd, wenn Leute tatsächlich die (völlig absurde) These vertreten, außerhalb von D würde nichts gegen den Klimawandel getan.



      In aller Regel sind das nach meiner Erfahrung nur - ziemlich flache - Ausreden von Ichlingen, denen der Rest der Welt am Ar*** vorbeigeht.

    • G
      Gast
      @maestroblanco:

      Eine sehr egoistische Sichtweise. Wenn jeder nur zum Verzicht bereit ist, wenn andere auch verzichten, wird nie jemand beginnen.

    • @maestroblanco:

      Es geht wohl eher nicht darum, erst von „oben“ gesagt zu bekommen, was zu tun ist, wenn man es vorher schon selbst weiss, nur nicht tun will, weil es mit vermeintlichen Verlusten einhergeht.

      Was sollen die sagen, die jetzt schon unter den Folgen, auch in Deutschland mehr als genug, leiden.

      Es kommt doch vielmehr auf das Maß an, mit dem man Dinge tut oder lässt.

      Die Gefahr der Bevormundung schwingt immer mit, wenn Vorschläge zu Verbesserung gemacht werden.

      Und Vorschläge können und sollten auch die annehmen, die selbst Vorschläge machen.

      Das beginnt in der eigenen Familie und da verschonen einen die eigenen Kinder am wenigsten … Und das ist gut so!

  • G
    Gast

    Für eine Trendwende im Kampf gegen den Klimawandel bedarf es im Bereich Verkehr einschneidende Maßnahmen:

    1.) Autos sollten hierzulande nicht mehr verkauft werden dürfen.

    2.) Die Straßen sollten für die Nutzung durch Privatpersonen mit motorisiertem Vehikel gesperrt werden.

    3.) Der Individualverkehr ist auf ein absolutes Minimum zu reduzieren (Corona hat gezeigt, dass dies möglich ist).

    4.) Flugreisen zu touristischen Zwecken sollten verboten werden.

    Alternative zu Verboten sind die Preise. Benzin und Flugtickets sollten so teuer sein, dass der größte Teil der bisherigen Nutzer es sich nicht mehr leisten können.

    Mir ist bewusst, dass das harte Einschnitte darstellen, mit weniger radikalen Maßnahmen werden wir aber die drohende Klimakatastrophe nicht mehr abwenden können. Der Bundestag muss endlich aus seiner Lethargie erwachen und wirksame Lösungen finden.

  • Der Autor hat vergessen zu erwähnen dass die Weltbevölkerung im Jahr 1982 4.67 Mrd betrug, und im Jahr 2020 7.80 Mrd. Das hat auch etwas mit dem Anstieg des CO2 Gehaltes zu tun.

  • Aber mal ehrlich: auf die Protestbewegungen der 70er und 80er folgte die neue Freude am Konsum, der die ehemaligen Protestierenden ebenso frönten, wie alle, die danach geboren wurden / ins Erwerbsleben eintraten. Und das Ganze wurde uns als eine kapitalistische Erfolgsgeschichte verkauft, die man zugunsten aller Menschen fortschreiben müsse. Tja, der Drops ist gelutscht. Und auch der Anteil der Armen an der Weltbevölkerung steigt wieder, womit auch diese Erfolgsgeschichte der letzten beiden Jahrzehnte zu ihrem natürlichen Ende kommt.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Heute ist aber eher jammern angesagt. Gerade die, die uns damals belächelt haben (Ökofreaks wurden wir genannt) und fröhlich konsumiert haben ringen heute die Hände und tun so als wüßten sie nicht wie das alles passieren konnte. Also die die damals den Konsum angeheizt haben, jammern irgendwie am meisten im Einklang mit der jüngeren Generation, als ob nicht schon in den 80igern die Wege aufgezeigt wurden, die ökologische Kathastrophe zu verhindern.

  • Tja, wie willste als Mensch in den 60igern - entweder am "Eigentum bewahren" oder doch als "Hartzer" - dieses durch und durch kapitalistische System schon wieder bekämpfen. Unsere Mittel sind nicht nur (natürlich;O) zeitlich begrenzt sondern auch unsere Erfahrungen werden sofort als "voll retro" gebrandmarkt.



    Ich hätte gar nicht mehr den Nerv für weitere "Kämpfe" - schon gar nicht als "Don Quichotte"!