piwik no script img

Drohende Energiekrise in DeutschlandGasspeicher füllen sich schneller

Trotz weiterer Nord-Stream-Reduzierung wird mehr Gas eingespeichert als zuvor. Wird nicht stärker gespart, droht im Winter trotzdem ein Engpass.

Gasspeicher Rehden in Niedersachsen Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Berlin taz | Leichte Entspannung in Sachen Gasversorgung: Obwohl Russland die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 nach deren Wartung im Juli noch einmal von 40 auf 20 Prozent der Kapazität halbiert hat, füllen sich die Gasspeicher in Deutschland schneller als geplant. Am Sonntag und Montag stieg der Speicherstand nach Angaben der Bundesnetzagentur jeweils um mehr als 0,6 Prozentpunkte auf aktuell 72,6 Prozent.

Wenn die Entwicklung so weitergeht, dürfte das für den 1. September vorgegebene Zwischenziel noch in dieser Woche erreicht werden. Und auch die Marke von 85 Prozent dürfte deutlich vor dem 1. Oktober erreicht werden, sofern es im September nicht bereits zu einem Kälteeinbruch kommt.

Für den Winter ist dennoch keine Entwarnung angesagt. Denn in neuen Szenarien (hier als pdf) zeigt die Netzagentur, dass es durchaus zu einem Mangel an Gas kommen kann. Selbst wenn die Lieferungen durch Nord Stream 1 wieder auf 40 Prozent der Kapazität steigen sollten, muss der Gasverbrauch in Deutschland demnach um 20 Prozent sinken, um einen Gasmangel zu verhindern.

Bleibt es bei den aktuellen Nord-Stream-Lieferungen, müssen zusätzlich die Importe aus anderen Ländern gesteigert oder die Weiterleitung von Gas in Nachbarländer um 20 Prozent reduziert werden, um den Bedarf zu decken. Wenn gar kein Gas aus Russland mehr geliefert wird, müssen neben einer Verbrauchsreduktion um 20 Prozent sowohl die Importe um 10 Prozent gesteigert als auch die Exporte um 20 Prozent gesenkt werden.

EU-Notfallplan gestartet

Um die dafür nötige europaweite Drosselung des Verbrauchs zu erreichen, ist am Dienstag der Gas-Notfallplan der EU in Kraft getreten. Er sieht vor, dass alle EU-Staaten von August bis März 15 Prozent Gas einsparen sollen – allerdings auf freiwilliger Basis und mit Ausnahmen. Ob das gelingt, ist offen.

In Deutschland sind die Einsparungen bisher geringer: In der ersten Jahreshälfte lag der Gasverbrauch zwar 15 Prozent niedriger als im Vorjahr, aber das lag zum Großteil an der milden Witterung. Temperaturbereinigt lag der Rückgang nach Angaben des Branchenverbands BDEW nur bei 8 Prozent.

Für Juli zeigen vorläufige Zahlen der Netzagentur dagegen trotz der stark gestiegenen Gaspreise fast keinen Rückgang. Allerdings sind bei diesen Zahlen noch Korrekturen möglich – und durchaus wahrscheinlich, denn europaweite vorläufige Zahlen zeigen auch für Juli einen deutlichen Rückgang beim Gasverbrauch der Industrie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • sparen. In Ordnung und sinnvoll. Aber so verkürzt ertrage ich das kaum mehr.Mir fehlt im Gegenzug ein Gesetz, das die Herstellung von sparsamen Verbrauchern vorschreibt. Jedes neue Produkt darf nur auf den Markt, wenn es weniger Energie verbraucht als das Vorgängermodell. Muss ausnahmsweise geahndet werden, sonst endet es wie mit den PKWs und deren Emissionen :( Hintergund: habe ich einen Leistungsvernichter zuhause, bleibt nur ausschalten - sparen ist nicht.

  • Hm, die Gasspeicher sind ja nur auf den Ausgleich jahreszeitlicher Verbrauchsschwankungen ausgelegt. Bei Ersatz von Erdgas duch Ökostrom kämen noch die jährlichen Angebotsschwankungen dazu.



    Bei in D vorhandenen Speichern von 24,6 Mrd. Kubikmetern [1], entsprechend ca. 250 Mrd. kWh, wären als Ersatz Stromspeicher ca. gleicher Kapazität fällig. Kosten grob geschätzt 25 Billionen €, ca. 60 mal der gesamte Bundeshaushalt. Viel Erfolg :-(



    [1] de.wikipedia.org/wiki/Erdgasspeicher

    • @sollndas:

      Langsam bekomme ich eine Ahnung, warum die Möchtegern-Ökos das Problem der Saisonspeicher so stiefmütterlich behandeln: Sie haben keine Lösung, jedenfalls keine bezahlbare. Deshalb ignorieren sie das Problem nach Kräften oder reden es klein, wenn es gar nicht mehr anders geht.



      Natürlich wird ihnen das unweigerlich auf die Füße fallen. Ich könnte hohnlachend darüber hinwegssehen, wenn es nur ihre Füße wären. Leider wird es auch unsere Füße treffen.

  • Die Gasspeicher sind erst zu 72,6 % gefüllt? Diese Quote kann man ganz leicht erhöhen, wie hier zu lesen ist: www.der-postillon....07/90-prozent.html