RBB, China, Lauterbach: Selbstbedienung muss aufhören

Politiker durften einst in der Nacht ruhen, Intendanten nahmen sich, was sie wollten. Und China hat geplant, Taiwan übers Meer einzunehmen. Was ändert sich?

Portrait von rbb-Chefin Patricia Schlesinger

Patricia Schlesinger tritt von ihrem ARD-Vorsitz zurück, bleibt aber rbb-Chefin Foto: Hendrik Schmidt

taz: Frau Herrmann, was war schlecht vergangene Woche?

Es war viel zu heiß und hat fast gar nicht geregnet. Die Klimakrise verschärft sich unerbittlich.

Und was wird besser in dieser?

Das frage ich mich auch. Denn der Ukrainekrieg und die Trockenheit gehen leider weiter.

Aufgrund von anhaltenden Vorwürfen der Vetternwirtschaft und Verschwendung ist Patricia Schlesinger von ihrem ARD-Vorsitz zurückgetreten – aber bleibt als RBB-Senderchefin. Ist das Taktik oder inkonsequentes Verhalten?

Es ist die blinde Illusion, dass sich die eigene Karriere doch noch irgendwie retten ließe. Aber Schlesinger wird gehen müssen, denn sie hat legal und legitim verwechselt. Eindeutiges Fehlverhalten lässt sich bei ihr wahrscheinlich nicht nachweisen. Aber sie hat allzu hemdsärmlig immer nur den eigenen Vorteil gesucht. Die Gefahr ist allerdings, dass in den ARD-Anstalten wieder satte Ruhe einkehrt, sobald Schlesinger endgültig zurückgetreten ist. Dabei verdienen andere Intendanten sogar noch mehr, und diese Selbstbedienungsmentalität in den ARD-Chefetagen muss überall enden.

US-Politikerin Nancy Pelosi ist nach Taiwan geflogen. Peking ist empört. Hätten Sie ihr zu dieser Reise geraten?

Wahrscheinlich nicht. Aber letztlich ist es egal, ob Pelosi nach Taiwan geflogen ist oder nicht. Denn der chinesische KP-Chef Xi Jinping ist sowieso fest entschlossen, Taiwan zu annektieren. Das hat er selbst zu verstehen gegeben, und das ist auch die Information der US-Geheimdienste. Xis ursprünglicher Plan sah vor, zunächst abzuwarten, bis er auf dem KP-Kongress im Herbst auf Lebenszeit bestätigt wird. Danach sollte die Eroberung Taiwans beginnen. Dieser glatte Plan kam allerdings ins Wanken, weil Putins Einmarsch in die Ukraine gezeigt hat, wie riskant ein direkter Angriff ist. Unter anderem ist es den Russen nicht gelungen, Odessa vom Meer aus einzunehmen. Und Taiwan ist bekanntlich eine Insel.

Xi dürfte daher den indirekten Weg wählen und die Zufahrtswege nach Taiwan blockieren. Die Frage ist allerdings, ob dies tatsächlich schon im Herbst geschieht. Denn China ist durch die Corona-Lockdowns ökonomisch geschwächt und könnte westliche Sanktionen derzeit nicht gebrauchen. Aber langfristig ändert sich an Xis nationalistischer Annexionspolitik gar nichts.

Karl Lauterbach ist an Corona erkrankt. Er habe aber nur leichte Symptome und nehme seine Amtsgeschäfte daher weiter aus der häuslichen Isolation wahr. Was muss passieren, damit auch Po­li­ti­ke­r:in­nen einfach mal krank sein und Pause machen dürfen?

Die Ansprüche an Politiker sind maßlos. Sie müssen rund um die Uhr verfügbar sein. Nicht nur Krankheit stört – auch Nachtruhe ist nicht vorgesehen. In der Spitzenpolitik können daher nur Menschen Karriere machen, die fast gar keinen Schlaf benötigen. Das war früher anders. Der erste Bundeskanzler Adenauer konnte noch wochenlang Urlaub am Comer See machen, und sein Wirtschaftsminister Erhard verschwand ständig in sein Ferienhaus am Tegernsee.

Im Berliner Grunewald ist ein Feuer ausgebrochen. Bürgermeisterin und SPD-Politikerin Franziska Giffey hat ihren Urlaub unterbrochen, um vor Ort Gesicht zu zeigen. Würden Sie Ihren Urlaub unterbrechen, wenn es in der taz brennt?

Nein. Schließlich bin ich keine Feuerwehrfrau und gehöre auch nicht der taz-Chefredaktion an. Ich würde vor Ort nur stören.

Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri wurde von den USA in Kabul mit einem Drohnenangriff getötet. Was bedeutet das für den internationalen islamistischen Terrorismus?

Nicht viel. Die islamistischen Terrormilizen gehorchen längst nicht mehr einem obersten Führer, sondern agieren inzwischen lokal. Zudem gibt es nicht nur al-Qaida, sondern auch andere Organisationen wie den „Islamischen Staat“ (IS).

Und was machen wir jetzt mit unserem Geld?

Offenbar sind viele BürgerInnen ziemlich schlau und meiden Gold oder Kryptowährungen wie Bitcoin. Denn deren Kurse steigen nicht, obwohl die Inflation jetzt so hoch ist. Die AnlegerInnen haben also verstanden, dass es nichts bringt, in totes Edelmetall oder Hütchenspiele wie Bitcoin zu fliehen. Aber einen Geheimtipp habe ich auch nicht, wie man sich vor der Geldentwertung retten kann. Die Inflation kommt durch die gestörten Lieferketten und den Ukrainekrieg zustande. Also macht sie alle ärmer, die nicht zufällig eine Ölquelle besitzen. Und damit übergebe ich zurück an Friedrich Küppersbusch.

Fragen: Larena Klöckner und Clara Engelien

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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