piwik no script img

Baubeginn auf Bahnhofswald-GrundstückInvestoren lassen Bagger rollen

Trotz eines laufenden Rechtsstreits wird auf dem Gelände des ehemaligen Flensburger Bahnhofswaldes jetzt gebaut. Dort soll ein Hotel entstehen.

Platt gemacht: Arbeiter sägen die Bäume im Wäldchen um Foto: Benjamin Nolte/dpa

Rendsburg taz | Auf einem bewaldeten Grundstück nahe des Flensburger Bahnhofs sind Bagger bei der Arbeit: Hier soll ein Intercity-Hotel entstehen. Vom Beginn der Bautätigkeiten ist der BUND überrascht: Die Naturschutzgruppe liegt im Rechtsstreit mit den Investoren. Eigentlich sollte ein Gutachten erstellt werden – das kann nun schwierig werden.

„Völlig unverständlich“ nennt Carl-Heinz Christiansen vom BUND-Landesvorstand den nicht angekündigten Baubeginn am Donnerstagmorgen. „Dieses Vorgehen hat uns zutiefst empört.“ Erst durch einen Bericht der lokalen Flensburger Nachrichten waren der BUND und die örtliche Bürgerinitiative Bahnhofsviertel darauf aufmerksam geworden, dass die Erdarbeiten auf dem Gelände begonnen haben.

Für Christiansen ist das ein bekanntes Muster: “Einmal mehr, wie im Frühjahr 2021, als überraschend die Bäume gefällt wurden, sollen durch die Biotopzerstörung Fakten geschaffen werden.“ Damals wurde – entgegen Absprachen, in die auch Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) einbezogen war – eine Besetzungs-Aktion gewaltsam beendet und erste Bäume gefällt. Den damals beteiligten Ak­ti­vis­t*in­nen drohen Geldstrafen.

Der Streit um das Bahnhofswäldchen hat eine lange Vorgeschichte: Mehrfach wurde das Projekt der Flensburger Geschäftsleute Jan Duschkewitz und Ralf Hansen im Stadtrat abgelehnt. Beide wollen gemeinsam mit der der Deutschen Hospitality Hotelgruppe, hinter der eine chinesische Investmentfirma mit Sitz in Shanghai steht, ein bahnhofsnahes Hotel mit Parkhaus errichten.

Projekt geschrumpft

Dafür müssen ein leerstehendes ehemaliges Postgebäude abgerissen und der Wald, der sich dort im Lauf der Zeit entwickelt hat, entwidmet und verkleinert werden.

Aufgrund öffentlichen Drucks änderten die Investoren mehrfach ihre Pläne, so dass „das Projekt auf ein Minimum geschrumpft“ ist, sagte Duschkewitz in einem Interview 2019, als der Stadtrat endlich mit breiter Mehrheit zugestimmt hatte. Hansen erläuterte, auf dem Gelände könnte „etwas Schickes entstehen“, die Stadt könne auf Gewerbesteuern und Arbeitsplätze hoffen. Die Stadt, die selbst an den Planungen nicht beteiligt ist, hofft darauf, dass durch das neue Parkhaus mehr Pend­le­r*in­nen die Bahn benutzen.

Für den Bau liegen alle Genehmigungen vor – offen ist nur der Rechtsstreit um den Naturschutz. Hier geht es vor allem um eine Quelle, die an der Grenze des Bauplatzes liegt. Quellen unterliegen grundsätzlich besonderem Schutz. Strittig ist in diesem Fall der Zustand des kleinen Sickergewässers.

Man sei über diese Fragen im Gespräch, hatte BUND-Geschäftsführer Ole Eggers noch Anfang der Woche der taz gesagt. „Diese Gesprächsbereitschaft ist seitens der Investoren aufgekündigt“, stellt Christiansen fest.

BUND stellt Eilantrag

Christiane Schmitz-Strempel, Sprecherin der BI Bahnhofsviertel, ist überzeugt, dass es sich um eine gezielte Aktion handelte: „Von den Planierarbeiten ist auch die Fläche rund um die Sickerquelle betroffen. Damit wurde auch die quelltypische Flora vernichtet, wahrscheinlich weil man Angst vor dem Ergebnis des Gutachtens hatte.“

Der BUND stellte beim Verwaltungsgericht in Schleswig einen Eilantrag auf sofortige Einstellung der Arbeiten. Aufseiten der Investoren herrscht Zeitdruck: Auf der Homepage der Hotelgruppe wird die Eröffnung des Objekts bis Ende dieses Jahres angekündigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Erstmal Fakten schaffen.



    Sollte man verlieren hat man ja nichts zu befürchten.



    Notfalls werden ein paar mickrige Bäumchen nachgepflanzt und gut.

    Und wenn es ganz schlecht läuft, geht die Baubude in Konkurs - natürlich ohne Masse weil diese Baubuden genau dafür gegründet werden.



    Und dann bleibt der BUND auch noch auf seinen Prozesskosten sitzen.



    Also WinWinWinWin für den Investor - egal die die Gerichtssache aussgeht.

  • Bei aller Sympathie für Umweltschutzanliegen scheinen sich die Aktiven in diesem Fall doch arg zu verrennen.



    Bei dem fraglichen Areal zwischen Schleswiger Straße und Bahnhofstraße scheint es sich doch eher um eine innerstädtische Brache zu handeln auf der im Lauf der Jahre nach der vorherigen Nutzung eben ein paar Bäume gewachsen sind. Wie eine solche Fläche von 1,8ha (entspricht 100x180m) die mitten in der Stadt zwischen stark befahrenen Straßen und einer mehrgleisigen Bahntrasse gelegen ist ein "Biotop" und "Naturdenkmal" sein soll, wie die Initiative schreibt, scheint wenig plausibel und auch verfügbare Bilder des Bahnhofs"walds" zeigen eher nichts was man gemeinhin als unberührte Natur bezeichnen würde.



    Nun ist es natürlich Sache der dort Aktiven zu entscheiden wie und wofür sie sich und ihre Kapazitäten einsetzen möchten. Allerdings birgt die Strategie ein solches "Naturdenkmal" mit riesiger Kampagne und Besetzungsaktion zu verteidigen eben auch das Risiko, dann dort mit Umweltschutzanliegen kein Gehör mehr zu finden wo sie drindender nötig sind weil tatsächliche Naturdenkmäler bedroht sind.



    www.google.de/maps...!4d9.4352299?hl=de



    openstreetmap.de/k...43825&layers=B00TT



    commons.wikimedia....ensburg?uselang=de

  • Ja, einfach immer weiter abholzen, vernichten, zerstören und planieren, trockenlegen, begradigen, zähmen und verfüllen.

    Irgendwann wächst uns Beton aus den Ohren.

    Gibt es für so etwas eigentlich eine Strafe? Wenn ein Potenzial dort erkennt wurde (geschützter Biotop mit vermutlich ebenso geschützter Vegetation) und das Ganze wird einfach mal so vor Erscheinen des Gutachtens umgenietet, müsste das dann im Nachhinein von der entsprechenden Behörde nach Worst-Case- Prinzip behandelt werden und der entsprechende Umweltausgleich danach berechnet werden, was da gewesen sein könnte. Der Film, der vor meinem inneren Auge abläuft, ist ein anderer: Mögen die für diesen Frevel in der Hölle schmoren.

    • @Axel Donning:

      Das schmoren in der Hölle, falls es denn eine gibt, nützt ja nicht. Es ist hier ein Beispiel von vielen, wie man erst mal Tatsachen schafft, dann gibt es ja auch kein zurück mehr. Umweltausgleich? Auch so ein Floskelwort. Versiegelte Flächen kriegen Sie dadurch nicht wieder in den Zustand vorher, auch durch anderes nicht.

    • @Axel Donning:

      Nicht jeder der viel Geld zur Hand hat oder Projekte entwickelt kann damit richtig umgehen. Viel zu viele sind damit leider überfordert.

      • @Sonnenhaus:

        Die gehen schon "richtig" damit um, aus ihrer Sicht betrachtet. Maximale Gewinnoptimierung bei minimaler Rücksicht, und der Sieger bekommt alles!