Beim Kindergeld benachteiligt

Der Ausschluss bestimmter Gruppen nichtdeutscher Eltern vom Kindergeld-Bezug war verfassungswidrig

Von Christian Rath, Freiburg

Das Bundesverfassungsgericht hat den jahrelangen Ausschluss bestimmter Aus­län­de­r:in­nen vom Kindergeldbezug für verfassungswidrig erklärt. Nachzahlungen erhalten nun aber nur wenige Familien, die dagegen geklagt hatten.

Bis 1990 bekamen Deutsche wie Nichtdeutsche für ihre Kinder gleichermaßen Kindergeld. Seitdem gelten wechselnde Einschränkungen für ausländische Eltern. Im konkreten Fall ging es um eine Regelung, die von 2006 bis 2020 galt. Sie schloss Menschen aus Nicht-EU-Staaten vom Kindergeldbezug aus, wenn sie bestimmte humanitäre Aufenthaltstitel hatten – und dabei weniger als drei Jahre legal in Deutschland lebten oder nicht in den Arbeitsmarkt integriert waren. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte waren von der Einschränkung nicht betroffen.

Gegen die Regelung klagten eine Russin, eine Vietnamesin, ein Palästinenser und eine Iranerin, die für ihre Kinder zumindest zeitweise kein Kindergeld erhielten, weil sie weder arbeiteten noch Arbeitslosengeld (ALG) I bezogen. Das Finanzgericht Niedersachsen hielt die Ausschluss-Regel für verfassungswidrig und legte die Fälle bereits 2014 in Karlsruhe vor.

Auch das Bundesverfassungsgericht sah in der Ausschluss-Regel eine ungerechtfertigte Benachteiligung von ALG-II-beziehenden Ausländer:innen. Die Annahme, dass diese tendenziell nicht auf Dauer in Deutschland bleiben werden, sei nicht haltbar. In den vier Fällen schloss sich an den Hartz-IV-Bezug oft schnell wieder eine Voll­erwerbstätigkeit an.

Die Bundesregierung hatte zudem argumentiert, es gehöre auch zu den Zielen der deutschen Sozialpolitik, „Einwanderung in die Systeme der sozialen Sicherung“ zu verhindern. Karlsruhe ließ offen, ob dies eine zulässige Rechtfertigung wäre. Denn in der konkreten Gesetzgebung habe das Argument keine Rolle gespielt.

Die Karlsruher Entscheidung kommt nicht völlig überraschend, denn 2012 hatte das Gericht bereits den Ausschluss einer ähnlichen Gruppe von Aus­län­de­r:in­nen beim Elterngeld gerügt.

Auch der Bundestag ahnte, dass Karlsruhe die Kinder­geld­regelung kippen würde. Sie ist deshalb schon seit 2020 nicht mehr in Kraft. Nun wird für die In­ha­be­r:in­nen bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel nur noch ein 15-monatiger legaler Aufenthalt gefordert. Auf die Integration in den Arbeitsmarkt kommt es nicht mehr an.

Zufällig hat auch der Europäische Gerichtshof am Montag das deutsche Kindergeldrecht beanstandet. Demnach verstößt es gegen EU-Recht, dass Eltern aus anderen EU-Staaten in den ersten drei Monaten festen Aufenthalts in Deutschland nur dann Kindergeld erhalten, wenn sie ein festes Einkommen haben.