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Uniper und verminderte GaslieferungenStaatshilfen für Gas-Konzerne

Wegen verminderter Gaslieferungen stehen Importeure unter Preisdruck. Die Ampel erwägt eine Beteiligung an kriselnden Unternehmen.

Uniper-Erdgasspeicher im bayerischen Bierwang Foto: Frank Hoermann/imago

Berlin taz | Es soll mal wieder sehr schnell gehen: Die Bundesregierung will kriselnden Gas-Konzernen staatlich helfen. Am Montag hat sich das Kabinett auf eine entsprechende Änderung des Energiesicherungsgesetzes geeinigt, schon am Freitag sollen Bundestag und Bundesrat diese auf ihren letzten Sitzungen vor der Sommerpause verabschieden.

Die Eile hat auch einen Grund: Ohne neue Hilfsmaßnahmen drohten Gas-Importeuren „finanzielle Schieflagen bis hin zu Insolvenzen“, heißt es in einem Dokument aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Grund für die wirtschaftlichen Probleme sind die verminderten Gas-Lieferungen aus Russland. Durch die Ostsee-Pipeline Nordstream 1 kommen seit drei Wochen nur noch 40 Prozent der üblichen Mengen. Das fehlende Gas können die Importeure derzeit zwar anderswo am Markt beschaffen. Doch statt der vergleichsweise günstigen Preise aus längerfristigen Verträgen müssen sie nun die Spotmarkt-Preise bezahlen – und die liegen aktuell etwa fünfmal so hoch wie vor einem Jahr.

Diese gestiegenen Einkaufspreise können die Importeure aber in vielen Fällen nicht direkt an ihre Kunden weitergeben, weil diese wiederum längerfristige Verträge haben, die kurzfristige Preisanpassungen oft ausschließen. Beim Energiekonzern Uniper, der zu den großen Importeuren gehört, sind die dadurch auflaufenden Verluste so groß, dass ihm bereits ein staatlich abgesicherte Kredite der KfW-Bank von bis zu 2 Milliarden Euro angeboten wurde, um eine Schieflage zu verhindern.

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Direkte Beteiligung des Bundes

Die erneute Änderung des Energiesicherungsgesetzes soll nun weitere staatliche Hilfen ermöglichen, unter anderem eine direkte Beteiligung des Staates an den kriselnden Unternehmen.

Dafür sollen im Energiesektor ähnliche Regeln geschaffen werden wie für Unternehmen, die während der Corona-Krise staatliche Hilfe in Anspruch genommen haben, etwa die Fluggesellschaft Lufthansa: Die Regeln für die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital, das den Staat zum Miteigentümer machen würde, werden erleichtert. Ob im Gegenzug für die Staatshilfe auch hier ein Verbot von Bonus-Zahlungen und Dividenden-Ausschüttung vorgeschrieben wird, soll jeweils im Einzelfall ausgehandelt werden, hieß es.

Im Wirtschaftsministerium besteht die Hoffnung, dass die staatlichen Hilfen für die Importeure dafür sorgen, dass kurzfristige Preisanpassungen für Endkunden außerhalb der bestehenden Verträge nicht nötig sein werden. Falls sie doch erforderlich sind, sollen sie möglicherweise anders verteilt werden als bisher geplant.

Erst kürzlich war im Gesetz die Möglichkeit geschaffen worden, dass Gasversorger ihre gestiegenen Einkaufskosten an ihre jeweiligen Kun­d*in­nen weitergeben dürfen, wenn der Bund eine entsprechende Regelung in Kraft setzt.

Nun wird alternativ ein weiteres Verfahren eingeführt, bei dem diese Mehrkosten in Form einer Umlage an alle deutschen Gas­kun­d*in­nen weitergeben werden kann – unabhängig davon, wer ihr Versorger ist. Statt starker Preisanstiege für manche Kun­d*in­nen und stabiler Preise für andere würde das zu geringeren Steigerungen für alle führen. Wovon es abhängt, welches Verfahren zum Einsatz kommt, blieb zunächst offen.

Mit der Gesetzesänderung soll es den Unternehmen im Gegenzug verboten werden, aufgrund der gestiegenen Beschaffungskosten die Belieferung ihrer Kun­d*in­nen einfach einzustellen. Das ist künftig nur nach ausdrücklicher Genehmigung durch die Bundesnetzagentur zulässig, heißt es im Gesetzesentwurf, der der taz vorliegt.

Neue Bedingungen für Braunkohle-Einsatz

Möglich ist die extrem kurzfristige Umsetzung, weil die entsprechenden Änderungen an das Gesetz zum längeren Einsatz von Kohlekraftwerken angehängt werden, das am Freitag ohnehin zur finalen Abstimmung in Bundestag und Bundesrat vorgesehen ist. Auch in diesem Gesetz, das die Nutzung von Gaskraftwerken verringern soll, gab es im Vergleich zur ursprünglichen Fassung noch einige Änderungen.

So wird festgelegt, dass zunächst Steinkohlekraftwerke zum Einsatz kommen sollen, um Gaskraftwerke zu ersetzen. Erst wenn deren Kapazität nicht ausreichend ist, sollen auch die – deutlich klimaschädlicheren – Braunkohlekraftwerke genutzt werden; zudem müssen dabei die Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung berücksichtigt werden.

Daneben soll das Bundeswirtschaftsministerium bis spätestens 2024 Vorschläge vorlegen, wie die zusätzlichen CO2-Emissionen durch den Umstieg auf Kohlekraftwerke kompensiert werden können.

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12 Kommentare

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  • Straßenzug- und städteweise Zwangsanschlüsse ans Gasnetz - und jetzt scrambelt wer kann ( finanziell wie baulich) nach nem Holzofen fürn nächsten Winter. Jetzt schon wird das Holz knapp... Flächig auf jeweils EINE Lösung zu setzen, und das auch noch zwangsweise, heißt vor allem: Resilienz in der Gesellschaft = Fehlanzeige. Gäbs in einer Straße von Haus zu Haus 4 oder 5 verschiedene Heizsysteme (Gas, Öl, Pelllets, Kohle, Wärmepumpe, ... ), dann könnten sich die Nachbarn wenigstens gegenseitig vor dem (Er-)Frieren retten, wenn eins der Systeme mal vorrübergehend (oder auch länger) total panne ist. Da nun aber fast alles außer den Einzelöfen für Regelung und Pumpen auch Strom braucht, müsste der entsprechende, mit Gas oder Öl zu betreibende kleine Generator jedoch auch in/neben jedem Haus zur Verfügung stehen. Mit laien-bedienbarer Technik zum Umschalten weg vom Netz. Irgendwelche "RESILIENZ" organisisert in den zurückliegenden Jahrzehnten ? Fehlanzeige. Die ham ihr eigenes Lieblings-Modewort nich ma ansatzweise verstanden.

    PS: Das nun geplante Verbot von Verbrenner-Heizungen wird, genau wie Nur-noch-Steckdosenautos, das Problem auf die Spitze treiben: Strom weg ? Alle tot.

  • man muss endlich raus aus diesen bescheuerten gas kohle öl energien und dafür gibt es eine studie wie das noch dieses jahr möglich ist .



    www.zeroemissionth...ngsstudie__FINALBB

  • Warum wird die Verdicherturbine die in Kanada überholt wird und angeblich der Grund für die reduzierten Lieferungen ist hier nicht mal erwähnt? Man sollte doch versuchen das Teil zu liefern (bei Diamanten geht der Handel mit Russland ja auch) bevor man grossartig neue Gesetze macht. Ausserdem fehlen in der Grafik die deutschen Gasexporte nach Polen. Witzigerweise liefert Russland Gas nach Deutschland das dann nach Polen (das russische Gaslieferungen boykottiert) gepumpt wird. Und dann hier fehlt.

  • Wir sind in vielen essentiellen Bereichen extrem von anderen Ländern abhängig. Wer die ganze Zeit nur die Energie betrachtet, macht dabei einen riesigen Fehler. Sollten wir keine Chips mehr aus Asien bekommen, dann können wir die gar nicht ersetzen.



    Jedoch bitte ich, nie zu vergessen, dass diejenigen, die uns nun vorgeblich retten wollen, durch ihr politisch unkluges Handeln, diese Situation erst geschaffen haben.

    • @KritikderreiunenVernunft:

      Und betrieben wird das explosiv anschwellende deutsche Elektroparadies auf Jahrzehnte mit Braunkohlestrom - die letzen beiden eigenen Steinkohlebergwerke musste man ja unbedingt zumachen.



      Aufhörn mit dem Scheiß.



      Und Wiedervorlage, wenn Solarstrom und Speichertechnik der Aufgabe gewachsen sind. Das EEG war der richtige und ein super erfolgreicher Weg zur Markteinführung der Alternativen, aber zugleich wird beim Zerbröseln der gesamten deutschen Produzenten-Szene von Solarpanels bis Wiindmühlenflügel politischerseits munter weggeschaut.

  • Jahrelang hoch gepokert. Vorgegeben, den Energiemix nachhaltiger zu gestalten. Greenwashing.

    In Wahrheit nur an Gas verdient. Denn wie sonst erklärt sich sonst diese Schieflage?

    Aber komm, rein mit den Steuergeldern. Ohne Bedingungen versteht sich.

  • Während Scholz mit Manövrieren (Konzertierte Aktion) beschäftigt ist, fordert die csu:



    "Letztlich werde man in den nächsten Tagen über die Verstaatlichung von Gasunternehmen sprechen. „Es werden Gasunternehmen in die öffentliche Hand, in die Staatshand kommen, weil sie alleine nicht mehr überlebensfähig sind.“ "



    www.merkur.de/poli...r-zr-91645988.html

    • @Brot&Rosen:

      Und ein Mitglied des Parteivorstandes der LINKE:



      "Maximilian Becker



      @bckrmx



      Und wieder soll der Staat einen fossilen Großkonzern retten. Es darf keine staatlichen Gelder für kapitalistische Klimakiller geben!



      Sollte #Uniper in Schwierigkeiten geraten, gehört der Konzern vergesellschaftet! @rweenteignen"



      twitter.com/bckrmx...wWgIC-ne3Z3-cqAAAA

  • Nach Pharma, Luftfahrt, Kohle, Banken...nun die Stromanbieter alle müssen gerettet werden....wann beginnen wir bei den Arbeitern die diesen Unternehmen vorher Milliarden-Gewinne bescherten. wo sind diese außerdem hin?



    Werden zumindest JETZT die Beteiligungen durch den Staat so organisiert und festgehalten. Das sobald Gewinne gemacht werden, wieder beim Staat landen?

    • @Daniel Drogan:

      Im allgemeinen ist das schon lange so organisiert. Sowohl Lufthansa als auch die Banken haben Ihre Staatshilfen größtenteils oder komplett zurückgezahlt. Oftmals plus Zinsen, da diese Rettungspakete nun mal nicht als Geschenke sondern in Form von Krediten oder Bürgschaften gegeben werden.

      • @Jürgen Meyer:

        "Oftmals plus Zinsen, da diese Rettungspakete nun mal nicht als Geschenke sondern in Form von Krediten oder Bürgschaften gegeben werden." 1. oftmals? Was heißt das? 2. Belege?