Ausstellung über afroamerikanische Kunst: Mutierte Klischees
Die Kunst des Afroamerikaners Arthur Jafa ist unbequem und politisch. Im südfranzösischen Arles zeigt die private Fondation Luma seine Werke.
Im malerischen provenzalischen Städtchen Arles, wo in der Altstadt im Schatten von Platanen an der Place Voltaire Pastis getrunken wird, zeigt das im vergangenen Jahr offiziell eröffnete Privatmuseum „Luma Arles“ der Schweizer Milliardärin Maja Hoffmann unter dem Titel „Live Evil“ die bisher größte Werkschau des afroamerikanischen Künstlers und Filmemachers Arthur Jafa.
Der 1960 in Tupelo, im streng segregierten amerikanischen Süden, geborene Jafa, dreht Musikvideos für Jay Z und Kanye West und wurde 2016 für seine Videoarbeit „Love is the Message, the Message is Death“ bekannt. Eine Bildcollage aus Comic, Horror und Sci-Fi, Civil Rights und Polizeigewalt.
Arthur Jafa: „Live Evil“, Luma Arles, bis 31. Oktober 2022
Jafa konfrontiert darin die weltweite Umarmung Schwarzer Kultur, wie etwa Gospel, Jazz und Hip-Hop, mit ihrer gleichzeitigen Nutzbarmachung durch eine noch immer rassistisch geprägte US-amerikanische Gesellschaft. 2019 erhielt er für seine Videoarbeit „The White Album“ den Goldenen Löwen der Kunstbiennale von Venedig.
Stararchitekt Frank Gehry hat für das „Luma Arles“ einen spektakulären, hoch aufragenden Turm mit flirrend aufgesplitterter Spiegelfassade entworfen. Kunstsammlerin Hoffmann, Erbin des weltweit agierenden Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche, betreibt in dem knapp 54.000 Einwohner zählenden Provence-Städtchen derart prunkvoll ihr Mäzenatentum, man mag darin schon das historische Vorbild der florentinischen Kaufmannsfamilie der Medici sehen, die als Förderdynastie die europäische Kunstgeschichte prägte.
Eine Fratze in Arles
Auf den Straßen von Arles kündigt auf Plakaten ein großes, zur Fratze verzogenes Gesicht mit geöffnetem Mund Jafas Ausstellung an. Wie sich später herausstellen wird, ist es das einer Gospelsängerin. Sie taucht auch in der Videoarbeit „akingdoncomethas“ von 2018 auf, wo es um die Kirche und dem Versprechen von Erlösung für Afroamerikaner:innen geht.
Dekontextualisierung ist eine oft verwandte Bildtechnik von Arthur Jafa. Auch in seiner Selbstporträtserie „Monster“ von 2017, die den Künstler als jungen Mann mit Kamera zeigt. Die Ausstellung in Arles hat viele Werke der Jafa-Retrospektive „MAGNUMB“ des dänischen Louisiana Museum of Modern Art von 2021 übernommen, ergänzt durch neue Arbeiten, die teilweise jedoch erst jetzt nach Arles gebracht werden konnten, zu einer Art zweiten Eröffnung am 3. Juli nach der offiziellen im April.
Die Retrospektive beginnt mit „Pledge of Allegiance“, einer historischen Fotografie von 1899, mit deren Wallpaper-Reproduktion Arthur Jafa die gesamte Wand füllt. Schwarze Grundschulkinder salutieren darauf vor der Flagge des weißen Amerika, das ihre Rechte missachtet. Wie viele andere Motive, kehrt das Sternenbanner in der Ausstellung immer wieder: aus weißem Plastik und wenig später als rassistisch definierte Konföderiertenflagge der ehemaligen Südstaaten in Schwarz.
Die bildliche Wiederholung ist wie die Sequenzierung in der Musik, die Repetition in verschiedenen Tonhöhen, wie der Chorus eines Jazzstückes. Musik nimmt ohnehin eine wesentliche Rolle ein in Arthur Jafas Kunst.
Trotz Schmerz ein zärtlicher Moment
Das Klischee der vermeintlichen Schwarzen männlichen Potenz wird in mehreren Arbeiten Jafas thematisiert. Man sieht es in dem dunklen, kettenüberzogenen Reifen eines Monstertrucks von „Big Wheel II“ verarbeitet, der bereits auf der Venedig-Biennale 2019 gezeigt wurde, oder in der Fotomontage „MJ“ (für Michael Jackson), in der Arthur Jafa einen schwarzen Penis auf einen sehr schlanken, sehr weißen männlichen Körper montiert.
Zusammen mit dem oft zitierten Miles Davis, mit Billie Holiday oder Whitney Houston reiht sich der 2009 verstorbene Megastar Jackson ein in Arthur Jafas Requiem für die Schwarzen Künstler*innen, deren Musik weltweit gefeiert wird und die dennoch Opfer eines systemischen Rassismus in den USA waren und sind.
Die neueste Arbeit der Ausstellung, „SloPEX“ von 2022, ist bedrückend. Schon 2013 zeigte Jafa in der Videocollage „APEX“ eine kompositorische Abfolge von Bildern aus gut hundert Jahren Mediengeschichte. Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA – etwa Bilder von Lynchmorden – traten darin neben die Gewalt in der Weltpolitik – etwa das bekannte Bild von der Selbstverbrennung eines vietnamesischen Mönchs in Saigon.
Die kühlen Techno-Pattern des afroamerikanischen Detroit-Produzenten Robert Hood untermalten die oft krassen Bilder. Für „SloPEX“ dehnt Jafa das ursprüngliche Video von 8 Minuten 22 Sekunden auf jetzt 105 Minuten aus, Bildabfolge und Ton sind nun extrem verlangsamt.
Von solch konkreten, unausweichlichen Bildern entfernt sich die Ausstellung zum Schluss wieder mit einer unbetitelten Hommage an den engen Freund Jafas, den im vergangenen Jahr verstorbenen Musiker und Autor Greg Tate. Die großformatige Leinwand zeigt eine Fluktation aus Licht und Schatten. So endet die Ausstellung trotz des Schmerzes letztlich in einem zärtlichen Moment.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!