Kieler Hochseeseglerin Susann Beucke: Da ist die ganze Frau gefordert
Die Olympia-Zweite Susann Beucke will an der Vendée-Globe-Regatta 2028 teilnehmen. Die Vorbereitung beginnt jetzt.
Die Olympischen Spiele im Juli 2021 waren – „groß“. Die Silbermedaille im 49er FX mit Tina Lutz vor dem japanischen Enoshima war – „mega“. Doch seit sie im Februar ankündigte, sie werde bei der übernächsten Vendée Globe-Regatta teilnehmen, ist Susann Beucke in ein neues, ungleich größeres Abenteuer eingetaucht, das die ganze Frau erfordert: Planung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Training. „Ich weiß wirklich nicht, wo mir der Kopf steht“, sagt Beucke und lacht.
Die 31-Jährige befindet sich noch ganz am Anfang ihrer Kampagne, und es sind noch viele Stolpersteine im Weg, aber endlich hat das begonnen, wovon sie schon als Mädchen träumte: „Als ich mit zwölf Jahren das Buch von Ellen MacArthur gelesen habe, war ich so inspiriert, dass ich wusste, ich möchte auch mal Hochseeseglerin werden.“
Die Britin hatte 2001 den zweiten Platz bei der Vendée Gobe belegt. Dieses Rennen in 80 Tagen um die Welt gilt als härteste Prüfung überhaupt für Einhandsegler, also Segler, die ganz allein an Bord sind. Die dort benutzten Einrumpf-Yachten der Klasse „Imoca“ sind etwa 18 Meter lang. Zuletzt hatte Boris Herrmann mit seinen Abenteuern auf hoher See für Aufsehen und Auftrieb für den Offshore-Segelsport gesorgt, als er Anfang des Jahres die Vendée Globe auf Rang fünf beendete.
„Durch ihn haben die Leute ein Bild der Vendée Globe im Kopf“, sagt Beucke. „Dadurch fällt es mir nun auch leichter, überhaupt andere von meiner Kampagne zu überzeugen.“ Aber auch ganz direkt profitiert Susann Beucke von Herrmann, der mit ihren älteren Schwestern befreundet war. „Boris hat mich inspiriert und ist ein Chancengeber, weil ich 2019 bei einer Überführung seines Bootes offshore mitgesegelt bin. Damals kam ich komplett von Glück beseelt zurück an Land.“
Denken im Vier-Jahres-Rhythmus
Man spürt Susann Beuckes Begeisterung für das Projekt, auch wenn es gerade erst angeschoben wird, denn es geht nicht um einen Start bei der nächsten Ausgabe 2024, sondern vier Jahre später – alles andere wäre zu früh, sagt Beucke, die schließlich auch noch einen Etat von geschätzten sechs Millionen Euro bei Sponsoren einsammeln muss. Für diesen Schritt ins Profilager ist sie Anfang des Jahres aus der Sportförderkompanie ausgestiegen, in der die Bundeswehr ihre olympische Karriere gefördert hat.
Es gelte nun, einen Schritt nach dem anderen zu tun, wie bei den drei Olympia-Vorbereitungen mit Tina Lutz, von denen nur die letzte erfolgreich war und die beiden nach Tokio brachte: „Immer, wenn wir uns nicht qualifiziert haben, bin ich offshore gesegelt und hatte das Gefühl, dass das besser zu meinem Charakter passt als das olympische Segeln“, sagt sie. Und doch haben ihr die Wettkämpfe in der Jolle wertvolle Erfahrungen gebracht: „Es hilft mir jetzt, dass ich es als olympische Sportlerin gewohnt bin, in Vier-Jahres-Zyklen zu denken. Deswegen mache ich mir wenig Sorgen ums Durchhalten.“
Wenn Beucke loslegt, bekommen selbst Landratten einen Eindruck von der Großartigkeit des Hochseesegelns. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen: „Man fühlt sich da draußen so viel mehr, so viel intensiver.“ Für sie etwas Positives: „Ich mag das Leben auf See, weil es auf das Notwendigste reduziert ist. Die Frage ist doch, was brauchen wir wirklich – ich stelle auf See fest, wie wenig es ist, und mit wie wenig ich glücklich bin.“
Und die Angst ist nicht an Bord, wenn sie knapp drei Monate allein um die Welt segelt? Die Athletin vom Norddeutschen Regattaverein antwortet: „Angst ist ein natürliches Gefühl, das wir weitgehend verlernt haben. Wenn man aber eine angstvolle Situation überstanden hat, ist das die größte Belohnung.“
Olympisches Segeln, erzählt Beucke, sei wie ein Sprint, die „Globe“ dagegen ein Marathon mit neuen Herausforderungen: Ausdauer, Härte, Fähigkeiten im Navigieren und handwerkliches Geschick seien gefragt. Im 49er FX dagegen ging es eher um Dynamik, Athletik und Balance. Allzu viel könne sie aus der olympischen Segel-Karriere also nicht mitnehmen ins Einhand-Segeln.
Deswegen ist sie schon eingetaucht in die neue Welt, hat Anfang des Jahres im Atlantik in der Einhand-Segelklasse „Figaro“ Erfahrungen gesammelt, die vielen als Vorstufe zur Vendée-Globe-Klasse „Imoca“ gedient hat. Dort reiht sich Beucke in den Regatten nun hinten ein. Kein Problem, sagt sie, sie sei zum Lernen dabei. Ihr eigenes Boot für die Vendée Globe werde etwa 2026 entwickelt.
Susann Beucke, Segelprofi
Während Boris Hermann als Hochleistungssportler und Klimaaktivist unterwegs war, auf hoher See wissenschaftliche Daten zu Klimawandel und Umweltzerstörung sammelte, hat Beuckes Wettfahrt einen anderen Anstrich: „This race is female“, lautet ihr Kampagnen-Titel. Sie sagt: „Das allgemeine Thema hinter der Kampagne ist, dass ich dazu beitrage, dass sich das Rollenbild ändert, dass ein Segler nicht männlich sein muss, sondern auch weiblich sein kann.“
Sie wolle, dass sich mehr Frauen trauen, Verantwortung zu übernehmen und ins Risiko zu gehen. „Ich habe von Zuhause ein sehr dickes Fell mitbekommen und habe durch die olympische Silbermedaille einen Kompetenznachweis. Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Frauen, die so etwas nicht haben, sagen, so etwas Anstrengendes mache ich nicht, das tue ich mir nicht an.“
Die ersten Rückmeldungen waren fast nur positiv: „Viele Frauen haben mir auf meinen sozialen Kanälen geschrieben, wie inspirierend sie den Titel finden. Dass sie nun überlegen, selbst etwas eigenes zu machen. Ich habe gesehen, wie viel Einfluss und Reichweite ich habe, wie viele Frauen ich erreiche.“
Nach Offshore-Training im Juli wird Susann Beucke beim „Solitaire du figaro“ im August starten, sich dem Hochseesegeln dadurch weiter annähern und eine Trainerin oder einen Trainer suchen. Danach wird sie ihren Wohnsitz von Strande nahe Kiel ins französische Lorient verlegen, in die „Wiege des Hochseesegelns“. Dort, in der Bretagne, wird es dann ernst für Susann Beucke und ihren großen Traum.
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