Zukunft des Plüschowhafens in Kiel: Pächter gesucht, Streit gefunden

Wo einst die britische Armee residierte, sollen maritime Kultur und Bildungsprojekte einziehen. Nun gibt es Streit über die eingereichten Konzepte.

Ehemaliger Yachthafen der britischen Streitkräfte in Kiel

Früher war dieser Ort für die Öffentlichkeit unzugänglich: Segelboote am „Britisch Kiel Yacht Club“ Foto: Carsten Rehder/dpa

BREMEN taz | Manchmal sind die Konflikte ja nur auf den ersten Blick eindeutig. So wie gerade in Kiel, wo am Nordufer des Plüschow­hafens eineinhalb Hektar in bester Lage am Wasser neu zu vergeben sind.

Früher residierten dort am Prieser Strand die britischen Streitkräfte und ihr Yacht-Klub – ein Relikt der Nachkriegszeit. Die Öffentlichkeit war hier jahrzehntelang ausgeschlossen. Das soll jetzt anders werden: Die Stadt Kiel hatte das Gelände Ende 2020 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gekauft und sucht nun, unter allerlei Auflagen, einen Pächter, der einen „Bildungs- und Handwerksstandort“ etabliert, wie es in dem Konzept heißt. Es soll um Schiffbau gehen, Segelsport, das maritime Erbe und Nachhaltigkeit – so die Vorgabe.

Die Vergabekommission der Stadt will das zum Teil denkmalgeschützte Areal, das die Fantasie vieler Institutionen und In­ves­to­r:in­nen schon länger beflügelt, nun einer Firma geben, die in der Nähe einen Yacht-Service betreibt, der Boote ausrüstet, repariert und für den Winter einlagert. Das überrascht viele Beobachter:innen, denn hier wollte seit Jahren der ehrenamtliche, 1.800 Mitglieder starke Verein „Freundeskreis Klassischer Yachten“ (FKY) ein museales „Zentrum Klassischer Yachtsport“ errichten.

Das 40-seitige Konzept umfasst unter anderem ein „Zeithaus“ mit einer eigenen Sammlung und wechselnden Ausstellungen rund um den Segelsport, eine Werft für traditionellen Bootsbau mit allerlei Projekten der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, einen Hafen für „historische wertvolle Yachten“ sowie gehobene Gastronomie; drumherum sollte eine öffentliche Parklandschaft entstehen.

Es fehlt der „museale Bezug“

Nun ist der FKY „bestürzt“, weil er nicht zum Zuge kommen soll. Und er wehrt sich mit einer Verfahrensrüge gegen die Vorentscheidung. In den anderen Bewerbungen – insgesamt sind es fünf – „fehlt jeder museale Bezug“, kritisiert der FKY in einer Erklärung: „Stattdessen soll im wesentlichen ein gewerbliches Konzept verwirklicht werden.“ Die Stadt weiche damit von ihren eigenen Vorgaben ab, so die Kritik. „Inhaltlich hätte die Sache auf uns zulaufen müssen“, sagt Wilfried Horns vom FKY, der sich „ärgert“, aus „formalen Gründen“ aus dem Verfahren ausgeschieden zu sein. Siegt hier also der Kommerz gegen die Kultur?

Gegen diesen Vorwurf wehrt sich Stephanie Rieckhof-Sothmann vom Yacht-Service Kiel heftig. Sie hat das siegreiche Konzept, das den entscheidenden Gremien der Stadt nun empfohlen wurde, mitentwickelt. Sie spricht von „einer Herzenssache“ und davon, dass sie einen „offenen Ort für die Nachbarschaft“ entwickeln will. Sie hat Georg Fritzsch, der 16 Jahre lang Generalmusikdirektor am Theater Kiel war, als Kurator für ihr Kulturprogramm gewonnen. Sie will „mit einer ganzen Reihe von Partnern“ ein „sehr buntes Programm“ und „sehr viele Bildungsangebote“ etablieren, dazu eine „Gläserne Werft“. Außerdem solle das Gelände, dass die britischen Streitkräfte bis 2016 betrieben, für diverse Veranstaltungen vermietet werden, ohne dass es dabei um immer maximalen Ertrag gehe.

Die Vergabekommission lobt die „vielfältigen teilhabeorientierten Nutzungen“ und die „niederschwelligen Angebote zum individuellen Kompetenzerwerb“. Das Konzept zeuge „von großer Offenheit“, heißt es in dem Ergebnisprotokoll.

Der FKY hinterließ indes den Eindruck, dass die zukünftige Identifikation mit dem neuen Ort „überwiegend über die Nutzung klassischer Holzyachten“ erfolgen werde.

Der Knackpunkt ist aber wohl ein anderer: das Geld. Rieckhof-Sothmann will mit ihrem 1999 gegründeten Familienbetrieb auf dem Gelände einziehen, er soll damit das Geld verdienen, dass im Zweifelsfall auch das geplante Kultur- und Veranstaltungsprogramm trägt. Der FKY wünscht sich hingegen eine Minderheitsbeteiligung der Stadt an der neuen Betreibergesellschaft.

Das findet man bei der Stadt zwar „nachvollziehbar“, zugleich hat man aber Angst, das maritime Museum am Ende mitbezahlen zu müssen. Angesichts der Haushaltslage seien kommunale Gelder für das Projekt „aber derzeit nicht realistisch“. Und was sagt der FKY dazu? Es gebe in seinem Konzept „keinerlei Anhaltspunkte“ dafür, dass man die Finanzierungsbedarfe an die Stadt Kiel übertragen wolle.

Die Konzeptpapiere der Be­wer­be­r:in­nen sind nicht öffentlich. Nun diskutieren diverse Gremien, Ende November soll die Entscheidung des Stadtrates fallen. Dann hat der Yacht-Service Kiel – sollte er gewinnen – sechs Monate Zeit, seine Idee weiter zu konkretisieren. Er soll dabei laut Vergabekommission mit Mit­be­wer­be­r:in­nen kooperieren, die ein Tauchzentrum aufbauen wollen.

Eine Zusammenarbeit zwischen dem Privatinvestor und dem FKY wird von beiden Seiten aber zumindest nicht ausgeschlossen.

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