Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Endlich beginnt die Aufklärung
Der Neukölln-Untersuchungsausschuss nimmt die Arbeit auf, der Prozess gegen zwei Hauptverdächtige beginnt. Ist das nur Zufall?
M anche Zufälle lassen daran zweifeln, dass es sich um Zufälle handelt, erst recht, wenn es um die Aufklärung einer rechten Anschlagsserie geht, in diesem Fall im Berliner Bezirk Neukölln. Am Donnerstag hat der entsprechende Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses die Arbeit aufgenommen; er soll unter anderem klären, warum die Ermittlungen jahrelang nicht von der Stelle gekommen sind, obwohl die Namen der beiden Hauptverdächtigen allseits bekannt waren. Zwei Tage zuvor wurde bekannt, dass der Prozess gegen die 35 und 39 Jahre alten Männer aus der rechtsextremen Szene im August tatsächlich beginnen soll.
Sebastian T. und Tilo P. müssen sich für die Brandstiftungen an den Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann verantworten. Die beiden Anschläge gehören zu den bekanntesten und schwerwiegendsten Taten der Terrorserie mit insgesamt rund 70 Vorfällen. Das die Justiz nach vielen vergeblichen Anläufen endlich die Hauptverhandlung eröffnen kann, ist ein großer Erfolg.
Ebenso zäh verlief das Ringen um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Bereits in der vergangenen Legislatur hat die Linke dies gefordert; die SPD und ihr damaliger Innensenator Andreas Geisel blockierten. Doch als selbst ihre Sonderermittler zu keinen neuen Erkenntnissen gelangten, lenkte sie ein. Zuletzt hatte die Wahl des AfD-Mitglieds im Ausschuss für Kontroversen gesorgt: Das Gesetz schreibt die Teilnahme aller Fraktionen vor; im Abgeordnetenhaus war der Abgeordnete der extrem rechten Partei zwei Mal durchgefallen – Teile der Berliner AfD sind nach bisherigen Erkenntnissen in die Anschlagsserie verwickelt.
Bremst der Prozess gegen Sebastian T. und Tilo P. die Arbeit des lang erwarteten Untersuchungsausschusses jetzt aus, etwa weil Erkenntnisse über rechte Netzwerke bis in staatliche Institutionen hinein vor Gericht von Zeugen öffentlich geäußert werden, während der Untersuchungsausschuss zumindest teilweise hinter verschlossenen Türen tagt? Ja und nein.
Die Arbeit des Ausschusses wird aufwändig und kleinteilig, mehr als 60 Fragen sollen geklärt werden. Und andere Ausschüsse dieser Art etwa zum BER und zum Anschlag auf den Breitscheidplatz haben gezeigt, dass die Mitglieder sich bisweilen in Details verlieren und die öffentliche Aufmerksamkeit schnell nachlassen kann. Da wirkt ein Prozess gegen zwei Angeklagte, die zugleich sehr wahrscheinlich zentrale Rollen in der Terrorserie gespielt haben, viel zielgerichteter.
Aber auch das Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten dürfte sich ziehen. Zwar sind bisher ab 29. August lediglich zehn Verhandlungstage anberaumt, es sollen aber 90 Zeug*innen geladen werden. Und die in solchen Verfahren übliche Verzögerungstaktik der Anwälte dürfte den Prozess gehörig in die Länge ziehen. Eine schnelle, umfassende Aufklärung der Anschlagserie ist auch hier nicht zu erwarten.
So bleibt als Nachricht dieser Woche, dass die Aufklärung in dieser für die Berliner Sicherheitsbehörden mehr als peinliche Serie rechter Straftaten endlich beginnt – und dass diese Aufklärung endlich auch von mehreren Seiten vorangetrieben wird. Dass beide Meldungen innerhalb von nur zwei Tagen kamen, muss nicht verwundern: Der Prozessauftakt hatte sich lange abgezeichnet.
Bei anderen Zufällen, die sich durch die Ermittlungen vor Gericht und im Abgeordnetenhaus ergeben, darf man skeptischer sein, ob es auch wirklich Zufälle sind.
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