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Kinder fragen, die taz antwortetWarum weinen Erwachsene nie?

Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Nora, 6 Jahre alt.

Manche hören unablässig traurige Lieder oder trinken ganz viel Alkohol oder beides Foto: imagebroker/imago

Liebe Nora, Erwachsene weinen auch manchmal, sie tun es aber seltener, und wenn, dann verstecken sie ihre Tränen oft. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht genauso traurig oder wütend sein können wie du – oder dass sie keine Schmerzen haben, wenn sie sich wehtun.

Erwachsene glauben aber, dass sie nicht einfach weinen dürfen, wenn ihnen danach ist. Und ganz besonders glauben das Männer. Sie haben Angst, dass andere dann denken, dass sie keine richtigen Männer mehr sind, auch wenn das Quatsch ist. Deshalb versuchten manche, schon kleinen Jungs das Weinen abzugewöhnen.

Männer dürfen dann eigentlich nur noch weinen, wenn ihre Lieblingsfußballmannschaft verloren hat oder jemand aus der allernächsten Verwandtschaft gestorben ist. Oder wenn sie ganz toll von sich selbst ergriffen sind, weil sie Bundeskanzler oder Diktator sind, aber das passiert nicht so oft.

In der Regel ist es eher so, dass man Männern, die einfach weinen, unterstellt, dass sie sich wie Frauen verhalten würden. Erwachsene Frauen dürfen also eigentlich weinen, aber wenn sie es dann wirklich tun, macht man es ihnen auch zum Vorwurf. Man sagt etwa, sie seien schwach oder hätten sich nicht unter Kontrolle. Du siehst: So richtig entspannt ist das nicht mit dem Weinen bei Erwachsenen.

Weinen ist ein bisschen so wie ein Gewitter, nicht? Es blitzt und donnert, es gibt einen Riesenlärm und alles ist nass – aber hinterher ist die Luft rein und alles sauber gewaschen. Es heißt ja auch „reinigendes Gewitter“. Man kann sich wieder gut fühlen.

Die Erwachsenen aber, die sich nicht erlauben zu weinen oder sich nicht trauen oder es gar verlernt haben, suchen stattdessen verzweifelt nach einem Blitzableiter, aber das funktioniert auch nicht immer so gut. Manche hören unablässig traurige Lieder („Nur nicht aus Liebe weinen“; „Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht“) oder trinken ganz viel Alkohol oder beides.

Ja, die Erwachsenen. Wie du aus eigener Erfahrung sicher weißt, müssen sie immer alles kontrollieren. Ob die Haustür zu ist, ob du dir richtig die Zähne geputzt hast und nicht noch mal das Licht anmachst, obwohl du schon im Bett bist. Sich selbst aber kontrollieren sie oft noch schlimmer, so schlimm, dass sie sich ihre Tränen verbieten oder sie verstecken, obwohl sie leiden. Und das ist wirklich zum Weinen. Wenn du mal groß bist, musst du ihnen das ganz bestimmt nicht nachmachen.

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6 Kommentare

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  • An sich ein guter Beitrag, mir fehlt zwar noch der Teil wo man erklärt das oftmals Männern von Teenager alter und abwärts gesagt wird sie sollen nicht weinen oder "Mimosen" sein und langsam "groß" werden, wir selber haben uns bestimmt nicht dazu entschlossen unsere Emotionen zu verstecken, das ist gesellschaftlich so entstanden da ein Mädchen das weint getröstet und besänftigt werden muss während der Junge einfach nur eine memme ist wenn er weint und groß werden soll.

    Natürlich gibt es auch Männer die hinter dem Prinzip "ich bin ein Mann und groß und stark" stehen, aber allgemein ist dies von uns bestimmt nicht so gewollt. Schade das der Beitrag den Teil ausgelassen hat.

    Aber so zu tun als würde man einem Mann der weint dieselbe Beachtung geschenkt werden wie einer Frau halte ich für sehr realitätsfremd, was natürlich auch dem "Männer dürfen nicht weinen" Stereotyp zugute kommt.

    Das ist natürlich nicht überall so und immer so, aber sowohl es auch eher stimmt das 100 Männer eine Frau versuchen zu umgarnen als andersrum so stimmt leider auch dieses. Geschlechter werden oftmals verschieden erzogen und erhalten verschiedene Emotionen und Reaktionen von der Gesellschaft basierend darauf was sie getan haben (eine Frau berührt einen Mann am Hintern? Alles gut. Andersrum? Nicht so sehr. < Gesellschaftliche Reaktionen auf dieselben Ereignisse der beiden Geschlechter)

  • Liebe Nora,

    Erwachsene weinen weniger als Kinder und noch seltener kann man sie dabei beobachten. Erwachsenen sind ihre Tränen häufig peinlich, weil sie denken, dass Weinen ein Zeichen von Schwäche ist. Dabei ist es umgekehrt: Nicht zu seinen Gefühlen zu stehen, macht einen schwach. Das kennst du wahrscheinlich auch: Wenn du dich so richtig ausgeweint hast, geht es dir meist viel besser und du kannst sogar wieder Lachen!



    Dass Erwachsene aber insgesamt weniger weinen als Kinder, hat einen anderen Grund: Stell' dir mal ein kleines Baby vor. Es liegt ruhig und zufrieden im Kinderwagen. Irgendwann bekommt es Hunger. Das Baby weiß nicht, dass es Hunger hat, es kennt weder das Wort noch das Gefühl. Aber es merkt: Irgendwas stimmt gerade nicht, irgendwas ist nicht in Ordnung. Das Baby kann auch nicht darüber reden, weil es noch nicht reden kann. Also fängt es an zu weinen. Wenn du Hunger hast, spürst du das auch, aber du kannst mit diesem Gefühl schon ganz anders umgehen. Statt zu weinen, sagst du einfach "Ich habe Hunger!" oder gehst zum Kühlschrank und holst dir was. Nur wenn der Hunger unheimlich groß ist und es nichts zu essen gibt, fängst du vielleicht auch zu weinen an.



    Genauso ist es bei den Erwachsenen auch: So wie du es dir bei Hunger ausuchen kannst, können wir uns auch bei anderen Gefühlen ein bisschen aussuchen, wie wir damit umgehen. Wir können sozusagen mit unseren Gefühlen reden. Das ist toll, hat aber auch einen Nachteil: Wenn wir uns aussuchen können, wie wir mit Gefühlen umgehen, dann können wir uns auch entscheiden, das Gefühl zu ignorieren. Das heißt, so zu tun, als ob das Geühl nicht da ist. Was natürlich Quatsch ist, denn das Gefühl ist da. Es ist für Erwachsene manchmal gar nicht so leicht, erwachsen zu sein.

    Liebe Grüße



    pit

    • @pitpit pat:

      Danke Pit, Ihre Antwort gefällt mir wesentlich besser und scheint auch näher an der Wahrheit.

      • @Herma Huhn:

        Vielen Dank!

  • Was ist denn das für eine arme Antwort.



    Zahllose Stereotype werden wiederholt.



    Aber die einfachste Antwprt fehlt: Erwachsene haben schon so viel Elend gesehen, dass sie oft schon daran gewöhnt sind...

  • Selbstkontrolle ist eine wichtige Kompetenz im Leben, das muss man nicht so klein schreiben. Selbstkontrolle führt zur Fähigkeit des Belohnungsaufschubs, mit dem es möglich ist, eine jahrelange und teure Ausbildung zu machen oder überhaupt komplexe Fertigkeiten zu lernen, bevor man dann irgendwann die Früchte ernten kann. Sie führt auch dazu, dass man nicht weint, wenn man etwas nicht bekommt. So kann man besser und praktischer mit einem Verlust umgehen.



    Das heißt nicht, dass in der Gesellschaft nicht trotzdem ein lockerer Umgang mit Weinen gepflegt werden könnte. Im ganzen bin ich aber froh, das Erwachsene nicht so oft weinen wie Kinder ;).