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Theatermacher über Ernte-Ausbeutung„Wer holt die Nahrung vom Feld?“

Das Drama vom billigen Spargel: Ein Stück lässt in Bremen Feld­ar­bei­te­r*in­nen auf der Bühne zu Wort kommen.

Hilfreiche Hände: Die Menschen auf unseren Feldern haben aber auch Gesichter und Stimmen Foto: Friso Gentsch/dpa
Interview von Nora Diekmann

taz: Herr Oulios, osteuropäische Feld­ar­bei­te­r*in­nen ernten Spargel in Deutschland unter miserablen Bedingungen. Warum gehört das auf eine Theaterbühne?

Miltiadis Oulios: Weil es eine total dramatische Geschichte ist. Und eine, die anders erzählt werden muss, als nur über sporadische Medienberichte. Erst wenn alles am dampfen ist, gibt es Schlagzeilen, dabei ist es Alltag, dass sie grundsätzlich schlecht behandelt werden. Da ist eine unglaubliche Verlogenheit in unserer Gesellschaft. Mir war es wichtig, diese Menschen auf die Bühne zu bekommen, wo sie selbst zu Akteuren werden; absurd und romantisch und widersprüchlich zusammen zu erzählen.

Wie sind Sie auf das Thema aufmerksam geworden?

Das Thema war mit dem ersten Lockdown mehr in die Öffentlichkeit geraten. Es geht auch viel um Gerechtigkeit. Ich dachte darüber nach, wo Theater da was machen kann. Weil es so paradox ist: Es ist die wichtigste Arbeit, es geht um Nahrung. Wer holt die vom Feld? Wir ignorieren das komplett. Und der Job wird rechtlich gesehen behandelt wie ein Schülerjob.

Wie wurde das Stück entwickelt?

Es ist aus Interviews mit den Prot­ago­nis­t*in­nen entstanden. Zusammen mit anderen Hintergrundgesprächen ist dann eine Dramaturgie entwickelt worden. Die rumänischen Dar­stel­le­r*in­nen erzählen Dinge, die sie selbst erlebt haben. Sie spielen eine Rolle jeweils, die für viele steht.

Bild: privat
Im Interview: Miltiadis Oulios

1973 geboren, Radiojournalist und Autor, macht partizipative Theaterprojekte und war Teil des anti-rassistischen Netzwerks „kanak attak“.

Was passiert im Stück?

Es geht um deren Alltag, eine Romanze, einen Konflikt. Es gibt auch einzelne Choreos, die auf den Bewegungen der Arbeit basieren. Dazu spielt eine Band. Da gab es Szenenapplaus von den rumänischen Leuten. Die fanden das total geil, dass eine Sache, die eigentlich als niedere Arbeit angesehen wird, auf der Bühne so abgefeiert wird.

Wie kann ich als Verbrauchende etwas tun?

Es bringt überhaupt nichts, sich zu überlegen, was man jetzt kaufen soll oder nicht, weil, das verändert ja nichts. Wir werden weiterhin Obst und Gemüse essen. Das einzige, was funktioniert, ist, der Politik davon zu erzählen. Die Verantwortlichen müssen korrekte Rahmenbedingungen schaffen. Wenn der Supermarkt mit billigen Angeboten Kunden locken will, sollte man schon wissen, auf wessen Rücken das am Ende passiert. Es muss eine Pflicht geben, dass die Leute sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Und eine Pflicht, die regionalen Produkte zuerst zu kaufen.

Was lernen wir über Nahrung und den Kapitalismus?

Das Stück

Ernte? Hilfe! Ein Theaterstück über Nahrung, Migration und Kapitalismus: So, 12. 6., 17 Uhr, Bremen, Kukoon im Park. Eintritt frei

Je kapitalistischer die Produktion verläuft, desto klarer ist es, dass das Über-Angebot für den Konsumenten nur auf Grundlage der rassistischen Ausbeutung der Ernte-Arbeiter*innen funktioniert. Das ist nicht nur in Deutschland so, das ist überall so. Und das ist nicht gottgegeben.

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6 Kommentare

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  • "Im spanischen Almeria, dem weltweit größten Obst- und Gemüseanbaugebiet mit Gewächshäusern, verdienen viele Erntehelfer nur 25 Euro am Tag, obwohl der Tariflohn rund 47 Euro als Minimum vorschreibt und die Arbeiter täglich bis zu 14 Stunden schuften." www.daserste.de/in...ige-ernte-120.html

    Deutschland importiert 40-60% des Gemüses und Obst. Vieles davon aus Zusammenhängen wie die in Spanien.

    Was da auf der Theaterbühne gezeigt wird, verheimlicht mehr als das es aufklärt.

    Es ist nicht die deutschen Mindestlöhne für Erntehelfer in DE, die Ramschpreise für Obst und Gemüse bedingen. Auch wird Spargel nicht billig verscherbelt. Es sind die Standardgemüse- und Obstsorten die ausbeuterisch in diversen außereuropäischen nd EU-Ländern produziert und zu Ramschpreisen in DE verscherbelt werden.

    • @Rudolf Fissner:

      25 Euro statt 47 Euro am Tag.



      Das sind die vielbeschworenen Werte des Westens!



      Von der Ernte wird dann im Verbraucherland noch 1/3 weggeschmissen.

      Was mich aber mindestens genauso stört ist die weiße Plastiklandschaft um Almeria.



      Zudem wird der Boden unter den Planen erstmal totgemacht, bevor man was Neues anpflanzt.



      Erdbeeren aus Spanien? Ich bin doch nicht verrückt und vergifte micht.

      • @cuba libre:

        Westlich?

        Wenn man umbedingt daraus ein Ost-West Gedöns machen will, dann sieht es "östlich" noch übler aus. Kuba z.B. hat Durchschnitttstundenlöhne von 0,44 $.

        Das spricht eher für das westliche System und erklärt wieso so wenig Wirtschaftsflüchtlinge sich in den "Osten" aufmachen

        Bananen aus Kuba? Da beute ich mich doch lieber selber aus!

        • @Rudolf Fissner:

          Erstmal ist die Höhe eines Durchschnittslohn nur begrenzt aussagefähig.



          In der DDR hat man z.B. auch wesentlich weniger verdient als im Westen. Dafür waren die Mieten deutlich günstiger.

          In Norwegen verdienen die Menschen auch deutlich mehr als bei uns. In den USA bzw. Kalifornien gilt ein Jahreseinkommen von 180.000 USD als untere Grenze. Danach folgt Armut.

          Worauf es aber sehr wohl ankommt ist, wenn Menschen im Vergleich zu anderen in einem Land deutlich weniger Lohn erhalten. Dies ist bei den Erntehelfern in Südeuropa der Fall.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Gestern am Spargelstand. Spargel Kilo 18 Euro. Sorry, dann lieber nichts. Und die Feldarbeiter werden einen bessern Job in ihrer Heimat finden.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Genau!



      Im TV berichtet man über die leidgeprüften Spargelbauern, die ihr Zeug nicht mehr loswerden.



      Über die armen Sklavenarbeiter aus Osteuropa hört man hingegen wenig.

      Erinnert mich an damals in den 70er Jahren. Günter Wallraff "Ganz unten".