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SPD-Plan für „soziales Klimageld“Nicht alles über einen Kamm scheren

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Klima- und Sozialpolitik sind zwei verschiedene Dinge. Das eine wie das andere erfordert eigene Herangehensweisen und Lösungen.

Klimapolitik soll jetzt auch den sozialen Ausgleich leisten, so Bundessozialminister Hubertus Heil Foto: Chris Emil Janssen/imago

E s klingt erst mal nicht schlecht: Ein „soziales Klimageld“ will Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) ab dem kommenden Jahr einführen. Was Deutschland durch CO2-Preise im Namen des Klimaschutzes einnimmt, soll wieder an die Bür­ge­r:in­nen ausgeschüttet werden. So steht’s auch im Ampel-Koalitionsvertrag. Neu bei Heil ist: Er will die Zahlungen nach Einkommen staffeln. Wer reich ist, bekommt nichts. Die derzeit hohen Preise seien für viele Menschen kritisch, argumentiert er.

Das stimmt zwar – trotzdem vermischt Heil, was nicht zusammengehört. Schon der Zusammenhang zwischen den hohen Preisen und der Klimapolitik ist schräg. Dass vieles gerade teuer ist, hat mit den CO2-Preisen nur ganz am Rande zu tun. Vor allem sind die fossilen Energieträger gerade knapp auf dem Weltmarkt. Das ist schon so, seit die Wirtschaft nach den Corona-Lockdowns wieder viel öldurstiger und gashungriger geworden ist, hat sich aber durch Russlands Krieg gegen die Ukraine noch mal deutlich verschärft.

Außerdem steckt die Logistikbranche praktisch immer noch in der Coronakrise. Vor allem vor dem weltgrößten Hafen in Schanghai stauen sich die Frachtschiffe durch Chinas Null-Covid-Politik. Beides betrifft praktisch alle Branchen und treibt die Preise hoch. Das trifft arme Länder besonders – aber natürlich auch die armen Menschen in reichen Ländern wie Deutschland.

Es ist Quatsch, dass von Klimapolitik oft erwartet wird, sie möge doch auch die soziale Schieflage generell geraderücken. Das Klimageld reicht dafür in keiner seiner möglichen Formen. Es braucht eigene Ideen: War da nicht mal was mit Vermögensteuer, gerechterer Erbschaftsteuer, höherem Spitzensteuersatz? Scheiterte in den Ampel-Koalitionsverhandlungen alles an der FDP. Das lässt sich nicht ausgleichen, indem man die geplante Klimapolitik sozial dekoriert.

Heils Vorschlag lenkt auch von der eigentlichen Idee des Klimagelds ab, wie es viele Klima-Expert:innen empfehlen. Die lautet nämlich, dass der Staat seine Einnahmen aus der CO2-Bepreisung einmal im Jahr gleichmäßig an alle ausschüttet. So profitieren vor allem diejenigen, die sich besonders klimafreundlich verhalten haben – sie bekommen mehr zurück, als sie das Jahr über gezahlt haben. Für manche wird es ein Nullsummenspiel. Und wer besonders viel Treibhausgas verursacht, zahlt drauf.

Auch das würde zu einer Umverteilung von Reich zu Arm führen, denn statistisch gesehen wird die Klimabilanz mit steigendem Einkommen schlechter. Im Kern würde es aber darum gehen, wie klimafreundlich man sich verhält. Die Klimapolitik mit Sozialpolitik zu überfrachten, wird beiden Zwecken nicht gerecht.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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8 Kommentare

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  • Ordnungspolitsch hat Schwarz ja recht. Aber die Vorschläge mit der Vermögens-, Erbschaftssteuer und dem Spitzensteuersatz sind einfach nicht mehrheitsfähig.



    Da der ökologische Fußabdruck der Besserverdienenden schon erheblich höher ist, haben die aber auch mehr Spielraum, ihre Kosten zu senken, z. B. durch subventionierte E-Autos, subventionierte Solarpanels auf dem Dach usw. Dagegen haben die weniger Betuchten schon Schwierigkeiten, die Fahrräder für die Familie im Keller einer durchschnittlichen Mietwohnung unterzubringen. Die Klima-und die Kriegskrise mit Inflation und allem Einkommensverlust betrifft untere Einkommensgruppen in ihrer Lebensgestaltung viel stärker. Darum ist Heils Vorschlag der einzig richtige: Einkommensschwache bekommen einen höheren Ausgleich, weil sie viel weniger Möglichkeiten haben, den Einkommensverlust anderweitig durch ökologischeres Verhalten zu senken, sie können einfach nicht auf den Flug nach Teneriffa verzichten, weil er nie eine Option war. Und wenn wir uns nicht eine Gelbwestenbewegung schaffen wollen, dann sollten wir da Respekt und Rücksicht zeigen.

  • "Es ist Quatsch, dass von Klimapolitik oft erwartet wird, sie möge doch auch die soziale Schieflage generell geraderücken. "



    es geht auch darum, die Stimmung zugunsten der Energiewende zu beeinflussen. Verteuerungen, die die kleinen Einkommen stark belasten, mögen zwar ebenfalls eine Steuerungswirkung haben, aber die politischen Effekte die daraus resultieren sind der Energiewende nicht zuträglich . Es geht darum die Bevölkerung mitzunehmen und nicht zu erziehen, in besseren Einkommensschichten ist das Klimathema schon sehr hip (wenn oft auch nur plakativ nach außen und der Selbstvergewisserung dienend) in den Bevölkerungsteilen mit geringeren Einkommen, dagegen wird es oft als Elitenprojekt abgelehnt. Wird die Verteuerung nicht kompensiert, ist das politisch kontraproduktiv (einmal davon abgesehen, dass wenn die Gesellschaft beschließt diesen Weg zu gehen, es nur selbstverständlich ist, die denen es schwerer fällt zu unterstützen, auch mal ganz ohne politischen Hintergedanken)

    • @nutzer:

      Schon. Aber "Bevölkerung mitzunehmen" und soziale Schieflagen abzufedern sind zwei unterschiedliche Schuhe.



      80% der Bevölkerung ein Klimageld zu schenken und das ganze als soziale Großtat zu feiern passt nicht.

      Dann kann man auch gleich jegliche finanzielle Steuerungsmaßnahme gegen den Klimawandel canceln.

      Die Parteien wurden zum Handeln gegen den Klimawandel gewählt, nicht für das Wiedergewähltwerden mit den dann gleichen Forderungen, die dann wieder nicht umgesetzt werde. Das wäre Wählerverarschung.

      • @Rudolf Fissner:

        viellicht wurden die Grünen dafür gewählt, die FDp und die SPD bestimmt nicht, bedenkt man den Anteil der Noichtwähler kann man schlecht von Wählerverarsche sprechen, vielleicht der Grünenwähler, aber nicht der anderen.



        Und wenn man mit dem Kopf durch die Wand rennt, weil man ja Recht hat, geht oft der Kopf dabei in Stücke. Wem hilft das frage ich mich? Der Energiewende bestimmt nicht... so etwas stellt sich dann im Nachhinein als Phyrrussieg heraus... Auch die "Gewählten" brauchen Unterstützung und zwar andauernd, die sollte nicht verspielt werden...sonst ist es möglicherweise nach der nächsten Wahl vorbei, und dann?



        Wobei ich das mit dem Wahlsieger

  • Die SPD hat mit Ihrem Streben weg von einer Arbeitnehmerschaft (von denen viele aufgrund ihrer mangelnden Nützlichkeit im modernen Produktionsprozess keinen Job mehr haben) in eine 'Mitte' ihre Legitimität verloren und biedern sich bei Aufsteigern in die Mitte, aber auch bei Unternehmern an. Nur wenn sich die anderen Parteien eines Mainstream wie CDU und FDP selbst disqualifizieren, bekommen sie auch einmal eine Chance wie Olaf Scholz als respektvolle Ausnahmeerscheinung bei der letzten Bundestagswahl. Die von der SPD Verlassenen wählen nicht mehr oder lassen sich von Querdenkern einfangen. Das Körnchen, das Hubertus Heil da jetzt zugestehen will, hat eher eine weiter demütigende Wirkung. Paradox auch noch der Verweis auf das Klima, das ein Kanzler Schröder ja vor 20 Jahren noch einmal zusätzlich anheizen konnte.SPD ? Nein danke, Willy Brandt ist lange tot.

  • Der Zuschuss geht an etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung.

    Das ist kein "sozialer" Zuschuss, dass ist die Plastik-Gießkanne mit der 70-80 % der Bevölkerung weiter fossil feuern können wie bisher.

    Eine schlappe Leistung für ein Land , wo fast die ganze Bevölkerung zu den 10% der Reichsten weltweit gehört.

  • An dem Klimageld ist allenfalls der Name (in der jetzigen Situation) irreführend, wie die Autorin richtig feststellt geht es aktuell nicht um die Einnahmen aus der CO2 Bepreisung. Damit löst sich dann aber auch das restliche Argument des Artikels auf. Da es sich nicht um ein solches Klimageld im eigentlichen Sinne handelt, sollte es auch nicht denselben Mechanismus zugrunde legen.



    Jenseits der Wortklauberei ist im Gegenteil die Staffelung nach Einkommen völlig richtig. Alles andere hieße sehr teure Geschenke an Leute zu machen, die sie nicht brauchen. Ich finde es gut, dass die SPD ihre Kernanliegen wiederentdeckt, in dieser Hinsicht macht Hubertus Heil ohnehin seit geraumer Zeit eine vergleichsweise gute Figur.



    P.S.: Im übrigen täten man auch beim Klimathema i.e.S. gut daran, die soziale Komponente stärker mitzudenken, wenn grüne Politik auf Akzeptanz bei der breiten Bevölkerungsmehrheit stoßen soll.

  • "Es ist Quatsch, dass von Klimapolitik oft erwartet wird, sie möge doch auch die soziale Schieflage generell geraderücken."

    So ganz Quatsch finde ich das nicht. Bei der Klimafrage geht es primär um Gerechtigkeit -- man kann ja auch beschliessen, es "laufen zu lassen", die Armen erwischt es zuerst (zuerst die wirklich Armen, die leben nicht hier; danach aber auch "unsere").

    Die Reichen bilden sich noch ein, dass sie die Klimaanlage ein, zwei Grad hochdrehen können [1]. Dass sich die Welt um sie stärker verändern wird, als sie es sich vorstellen können -- geschenkt. Dass ihre Überlebenschancen höher (oft unverschämt höher) sind, ist leider auch Realität (einen Vorgeschmack hatten wir bei Covid-19, wo die Sterberate klar negativ mit dem Einkommen korreliert).

    Klimapolitik /ist/ Sozialpolitik.

    [1] meine ich metaphorisch: die wähnen sich unverletzlich, unsterblich.