piwik no script img

Experte zu LNG-Terminals„Wir brauchen 7 Flüssiggashäfen“

Deutschland hat es schwer, russische Energie zu ersetzen – es gibt keine LNG-Terminals. Polen könnte helfen, sagt Anlagenbauer Tobias Puklavec.

Hier könnte das Gas für Deutschland herkommen: LNG-Terminal in Swinemünde Foto: Marcin Bielecki/EPA
Nick Reimer
Interview von Nick Reimer

taz: Herr Puklavec, Sie planen als Anlagenbauer LNG-Terminals im In- und Ausland. Deutschland braucht dringend dieses Flüssiggas, um seine Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Seit Jahrzehnten wird darüber geredet, nun soll in Brunsbüttel der erste deutsche LNG-Terminal gebaut werden. Bis hier wirklich Erdgas fließt, dauert es noch fünf Jahre. Warum so lange?

Tobias Puklavec: Wir sind da Subunternehmer. Normalerweise dauert die Ausschreibung 6 Monate, dann folgen die Vorarbeiten zum Anlagendesign, das genehmigt werden muss. Bis zum Baubeginn vergehen so anderthalb Jahre. Die Politik hat zugesagt, das Verfahren zu beschleunigen, es gibt ja schon Vorarbeiten von 2020. 3 Monate dauert es, das Fundament zu konstruieren, 8 Monate die Auslegung des Terminals, der Bau der Anlage weitere 30 bis 36 Monate: Ergibt zusammen vier bis fünf Jahre.

TGE Gas Engineering
Im Interview: Tobias Puklavec

Tobias Puklavec ist Vertriebsleiter der TGE Gas Engineering GmbH. Das Bonner Unternehmen beschäftigt 600 Mitarbeiter, darunter 200 im Ausland.

Im polnischen Swinoujscie (Swinemünde) bauen Sie bereits. Drei Kilometer östlich der deutschen Grenze wird die Kapazität des dortigen LNG-Terminals erhöht. Wie kommt TGE dort voran?

Seit 2015 liefert das dortige Lech-Kaczyński-Terminal Erdgas, als Erstes haben wir die Ausspeisekapazität erhöht. Polen kann nun 50 Prozent mehr Flüssigerdgas wiederverdampfen und gasförmig ins Netz einspeisen – 5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, etwa ein Drittel des polnischen Bedarfs. Zweitens entsteht ein neuer Tank. Drittens ist gerade mit dem Bau eines neuen Anlegeplatzes für die Tankschiffe begonnen worden, die Anlage soll ab 2023 8,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas liefern können.

Und wird so teilweise den Ausfall der russischen Gaslieferungen kompensieren können. Umweltschützer kritisieren, dass es bei dem Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung gab. Mit Recht?

Tatsächlich greift das Projekt in die Umwelt ein, vor allem der neue Anleger. Zuständig für die Prüfung sind aber nicht wir, sondern die Bauherren. Mit Genehmigung gehen wir davon aus, dass auch alle nötigen Umweltverträglichkeitsprüfungen erfolgt sind.

Ursprünglich war das 2009 begonnene Projekt dafür ausgelegt, auch Deutschland mit Flüssigerdgas zu beliefern. Ist das noch realistisch?

Technisch auf alle Fälle! Wir wissen, dass bereits ein Schiff mit Flüssigerdgas nur für Deutschland in Swinemünde entladen wurde. Unterhalb von Stettin gibt es eine relativ kleine Gasverbindung nach Deutschland, die jetzt erweitert und ans deutsche Großnetz angeschlossen werden soll. Auf diese Weise würde Deutschland relativ schnell in die Lage versetzt werden, Flüssigerdgas zu nutzen – und zwar sehr kostengünstig. Soweit uns bekannt ist, wird daran gearbeitet. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass dadurch die aktuellen Probleme zu lösen sind. Wenn man den deutschen Bedarf, der derzeit über Pipelines gedeckt wird, in LNG-Kapazitäten umrechnet, brauchen wir 6 bis 7 Flüssiggashäfen, um russisches Erdgas zu ersetzen. Neben Brunsbüttel gibt es deshalb auch LNG-Projekte in Wilhelmshaven und Stade. Wir wissen, dass in Wilhelmshaven, wo bereits im kommenden Jahr ein schwimmendes Terminal in Betrieb genommen werden soll, vor drei Wochen mit dem Bau der Anschlusspipeline begonnen wurde. Auch aus dem Hafen von Rotterdam könnte Deutschland in Zukunft Flüssigerdgas beziehen.

Wer heute in LNG-Terminals investiert, braucht mindestens 30 Jahre, um das Projekt zu refinanzieren. Deutschland will allerdings in 28 Jahren klimaneutral wirtschaften – ohne Erdgas. Wie passt das zusammen?

Zunächst: Auf dem Weg dahin muss zuerst einmal die Kohle durch einen Mix aus Erdgas und Erneuerbaren ersetzt werden. Aber natürlich entsteht auch bei der Verbrennung von Erdgas Kohlendioxid, wenn auch wesentlich weniger als bei anderen fossilen Energieträgern. Unsere Strategie ist eine Kombination aus LNG-Technologie und einer Ammoniak-Infrastruktur. Wasserstoff lässt sich nur schwerlich mit einem Tankschiff transportieren, der Rohstoff müsste unter großen Druck gebracht werden, was sicherheitstechnisch kompliziert ist. Ammoniak hingegen lässt sich leicht transportieren und man kann daraus relativ leicht Wasserstoff generieren. Wir nennen diese Zukunft „Multi-Purpose-Tank“, einen Tank, der verschiedene Rohstoffe aufnehmen kann. So könnten die LNG-Terminals später auf Wasserstoff umgerüstet werden – und Klimaschutz und Refinanzierung unter eine Decke bringen.

Statt Putins Russland sind künftig Systeme wie das in Saudi-Arabien oder Katar unsere Partner bei der Energieversorgung. Treiben wir den Teufel nicht mit dem Beelzebub aus?

Kurzfristig gibt es keine Alternative, amerikanisches LNG stammt aus der Fracking-Technologie, die eine noch schlechtere Klimabilanz hat. Allerdings wird die Abhängigkeit nicht dieselbe sein wie bei einer Pipeline: LNG kann man relativ gut auf dem Spotmarkt kaufen, man ist also flexibler, kann einfacher den Anbieter wechseln. Langfristig wird man sich nur unerpressbar machen, wenn man Erdgas einspart und durch erneuerbare Technologien ersetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Es gibt teilausgelastete LNG-Terminals in Belgien und den Niederlanden, es gibt große LNG-Überkapazitäten in Spanien.

    Es sollte lieber die schon länger vorgeplante Gaspipeline über die Pyrenäen verwirklicht und in der Kapazität vergrößert werden, um diese LNG-Terminal zu nutzen. Die Piepeline kann dann später Grünen Wasserstoff nach Mitteleuropa befördern.

  • Die Diskussion ist doch vollkommen absurd.

    Es gibt kaum frei verfügbare LNG Kapazitäten und selbst wenn, sind die Schiffe knapp.

    D.h. Wir würde eine extreme Knappheit mit extrem hohen Preisen bezahlen und die Terminals nicht auslasten können.

    OK, wir merken das wenn wir gegen die Wand gefahren sind.

  • Erdgas, und besonders verflüssigtes Erdgas, ist eine energiepolitische Sackgasse. Die Verflüssigung ist so energieintensiv, daß 1/3 des Energiegehalts im Gas dabei verbraucht werden. Und weil besonders nordamerikanisches Flüssiggas durch Fracking gefördert wird, gehen große Mengen an Methan in der Luft verloren. Deswegen ist der GHG-Ausstoss von LNG um nichts besser als der von Kohle pro verrauchte kWh. Die Notwendigkeit ist, sofort mit dem Übergang zu Erneuerbaren zu beginnen, und nicht in eine schädliche Zwischenlösung zu investieren.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Kahlschlagbauer:

      ""Sackgasse..............."?



      ==



      1.. Der Energieaufwand für die Verflüssigung des Gases z. B. in einem LNG-Terminal verbraucht rund 10% bis 25 % des Heizwerts des Erdgases.

      (also sicher kein 1/3)

      Es ist möglich, zukünftig verbesserte Verfahren zu entwickeln, die etwas weniger als 10 % der Energie des Gases für die Verflüssigung benötigen.

      2.. Die zur Kompression notwendige Arbeit ist nicht abhängig vom Gas. Bezieht man die Komprimierungsarbeit auf den Heizwert der Gase gibt es aber grosse Unterschiede.

      3. Die Verdichtung von Gas erfolgt um den Faktor 600 - das bedeutet:



      Bei der Verflüssigung vom gasförmigen zum flüssigen Zustand wird Gas um das 600-fache verdichtet.



      Naürlich ist das beim Transport durch Schiffe ein erheblichem Vorteil. -

      Bei der Regasifizierung ist der Energieaufwand gleich Null.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Stimmt meines Wissens nicht: "Bei der Regasifizierung ist der Energieaufwand gleich Null."

        Es wird (mit Erdgas) zugeheizt. Wenigstens teilweise.

  • Flüssiggas ist n i c h t LNG. Es wird auch nicht LNG, selbst wenn das viele Schreibende immer wieder falsch behaupten. Im LNG ist überwiegend Methan, Sdt -161°C. Im Flüssiggas ist in den grauen Flaschen Propan, Sdt. -42°C, in den 190g Kartuschen Butan, Sdt. 0°C oder -10°C.

    • @Sarg Kuss Möder:

      LNG = Liquefied natural gas.



      Also durch sehr hohen Druck und Kälte verflüssigtes Gas, in diesem Fall Methan (Erdgas).



      LPG dagegen ist Propan/Butan, ein Nebenprodukt der Erdölförderung und der Raffinerien, welches bereits bei geringem Druck (10bar) flüssig wird.



      In beide Fällen handelt es sich aber um verflüssigtes Gas.

      • @Lorenzo Soil:

        Der hohe Druck trifft meines Wissens nicht zu:

        "Also durch sehr hohen Druck und Kälte verflüssigtes Gas,"

        Korrekte Formulierung ist Flüssigerdgas, sagt Habeck auch mitunter.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Europa hat 37 LNG Terminals im Betrieb und ein Gasrohrnetz welches nahezu alle europäischen Länder miteinander verbindet. Allein die Bundesrepublik verfügt über 47 Erdgasspeicher.

    www.bdew.de/online...gasnetz-in-europa/

    Anbei die existierenden und geplanten LNG Terminals in Europa.



    de.statista.com/st...rminals-in-europa/

    Warum Habeck nicht die Einmündung von Northstream II in der Nähe von Greifswald nutzt, ein geliehenes Schiff hinstellt, welches Flüssiggas in fluides Gas umwandelt - und lediglich ein Stutzen gebaut wird um das Gas ins deutsche Netz über die Endverrohrung von NS II zu pumpen verstehe ich momentan nicht.

    Das ein LNG Terminal nicht ausreicht ist klar - aber wo sind die Anfragen eventuell über Dänemark, Holland oder Frankreich zusätzlich ins deutsche Netz pumpen zu dürfen - damit man fix in der Lage ist, Putler den Gashahn sehr viel schneller abdrehen zu können?

    • @06438 (Profil gelöscht):

      " wo sind die Anfragen eventuell über Dänemark, Holland oder Frankreich zusätzlich ins deutsche Netz pumpen zu dürfen"

      Dafür braucht man im EU-Binnenmarkt keine "Anfrage", das darf man und muss sich lediglich mit den Terminalbetreibern einigen, wenn die es nicht schon selber machen.