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EU-Sanktionen gegen UngarnOrbán den Geldhahn abdrehen

Die EU-Kommission geht nach der Wahl in Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen doch noch gegen Budapest vor. Das könnte massive Mittelkürzungen bedeuten.

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán am Mittwoch in Budapest Foto: Bernadett Szabo/reuters

Brüssel taz | Ungarn muss als erstes EU-Land mit Kürzungen aus dem Gemeinschaftsbudget rechnen. Die EU-Kommission in Brüssel bestätigte, dass sie den neuen Rechtsstaatsmechanismus auslösen werde. Dieser erlaubt nach einem mehrstufigen Verfahren die Kürzung von EU-Geldern. Die Regierung in Budapest sprach von einem „Fehler“.

„Es geht um Korruption“, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu dem blauen Brief der Kommission, der nun an Budapest geht. Die Brüsseler Behörde wirft Viktor Orbáns Regierung vor, EU-Mittel in dunklen Kanälen versickern zu lassen. Angaben zum genauen Inhalt des Briefes machte von der Leyen nicht.

Auch der Zeitpunkt blieb unklar. Der Brief sei noch nicht unterwegs, sagte ein Sprecher von der Leyens am Mittwoch. Die politische Entscheidung sei jedoch gefallen. Warum die EU-Kommission bis nach der Wahl in Ungarn gezögert hat, konnte er nicht erklären. Man habe die Antwort aus Budapest noch prüfen müssen, sagte er.

Das Europaparlament fordert seit Monaten, dass Brüssel gegen Budapest vorgeht. Von der Leyen habe wohl noch die Wahl in Ungarn abwarten wollen, heißt es aus Parlamentskreisen. Damit habe sie Regierungschef Orbán einen Gefallen getan, der am Wochenende mit einer satten Mehrheit wiedergewählt wurde.

Schonfrist zu Ende

Von der Leyen war 2019 mit der Stimme Orbáns zur Kommissionspräsidentin gewählt worden. Seither hat die CDU-Politikerin Ungarn ebenso geschont wie Polen, wo es auch massive Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und die europäischen Werte gibt. Doch nun geht die Schonfrist zu Ende – und prompt gibt es Angriffe aus Budapest.

Orbáns Kabinettschef Gergely Gulyás forderte die EU-Kommission auf, „die ungarischen Wähler nicht dafür zu bestrafen, dass sie bei den Wahlen am Sonntag, die von der Regierungspartei deutlich gewonnen wurden, keine Meinung nach dem Geschmack von Brüssel geäußert haben“. Ungarn dürfe nicht benachteiligt werden.

Für das Land geht es um viel Geld. 2020 flossen 4,6 Milliarden Euro mehr nach Ungarn, als von dort in den EU-Haushalt gezahlt wurden. Brüssel behält schon jetzt Zahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zurück – rund 7 Milliarden Euro.

Der für das Budget zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn sagte, im Streit mit Ungarn gehe es vor allem um das öffentliche Beschaffungswesen. Er rechne mit einer Entscheidung während der nächsten Sitzung der EU-Kommission, die wegen der Osterpause erst Ende April stattfindet. Danach erhielte Ungarn eine offizielle Mitteilung, die den ­Rechtsstaatsmechanismus formal auslöste.

Ungarns Regierung kann auf diese „Notifizierung“ antworten, dann würde wieder die Kommission entscheiden. Werden die Bedenken nicht ausgeräumt, legte die EU-Behörde einen Vorschlag zur Kürzung von Haushaltsmitteln vor. Das letzte Wort hat der Ministerrat, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Das Verfahren dauere sechs bis neun Monate.

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8 Kommentare

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  • Rechtsradikaler!Orban .



    Auch das Volk offenbar in Ungarn mehrheitlich rechtswaehlend,liegt wohl auch an der Altersstruktur des Landes. Und der dortigen Politik verdrossenheit der Jungen.



    Polen leider auch eine Laus im Pelz der EU und Rechtsstaatlichkeit wird dorten sukzessive von der Pis abgebaut.



    Jedoch will Polen im Gegensatz zu Ungarn immerhin nie mehr unter der Knute von (Putins )Russland stehen!

    • @Trotzleo:

      Uns Slawen als Parasiten zu bezeichnen ist so ein klitzekleines bisschen vorbelastet in der deutschen Sprache. Und  eine Steilvorlage für die PiS.

      [...] Beitrag bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • Endlich.

  • 4G
    43985 (Profil gelöscht)

    Von der Leyen wagt es wirklich jemanden wegen Korruption an den Pranger zu stellen? Wer hat nochmal E-Mails und SMS gelöscht um das Zustande kommen von Verträgen im Dunkeln zu lassen?

    • @43985 (Profil gelöscht):

      Was heißt "wagt"? vdL musste geradezu zum Handeln getreten werden.

      Baerbocks Ansehen in der Welt ist halt wesentlich besser als ihr Ansehen in Deutschland. Dass sie notorisch schneller denkt, als sie spricht, und sich oft verhaspelt, gibt Abzüge in der B-Note, aber ist nicht ausschlaggebend; ausschlaggebend ist, dass eins der zwei wirklich mächtigen Außenministerien der EU nicht mehr von Merkels handdressiertem Schoßhündchen besetzt ist, sondern von einer eigenständigen Person, die Tacheles redet.

      vdL würde ja gern weiter verschleppen und vertuschen und die Sache unter den Teppich kehren, aber dafür hat sie halt nach der Abwahl Merkels (und der öffentlichen Demaskierung ihres Kuschelkurses mit Fossilisten und Faschisten) keinen Rückhalt mehr.

      • 4G
        43985 (Profil gelöscht)
        @Ajuga:

        Mit wagt meine ich eher, dass sie die vollkommen falsche Person ist, andere wegen Korruption zu belehren.



        Ich erinnere mich noch gut bevor der Krieg anfing und die EU dasselbe mit Polen machen wollte. Ich bezweifle, dass wirklich was dabei rumkommt, da Ungarn so ziemlich alles torpedieren kann, was die EU durch die Einstimmigkeit beschließen muss.



        Sie meinen die gleiche Baerbock die letztes Jahr noch gesagt hat Assange gehört freigelassen und das seit sie im Amt ist nie wieder gesagt hat? Sehr eigenständig.



        Wenn Sie mit Welt den Westen meinen ja, wenn Sie mit Welt die Welt meinen, wage ich sehr stark zu widersprechen. In Afrika und dem Nahen Osten ist die EU nach dem Zivilisierten Flüchtlingen Kommentaren ziemlich unbeliebt. Der Präsident von Pakistan hat sich verweigert wie eine Kolonie von uns behandelt zu werden, Indien ignoriert jeden Botschafter, egal ob USA oder EU. China hält noch weniger von ihr, als unser eigenes Land.

  • Wäre das eigentlich schlimm, wenn die Ungarn die EU wieder verlassen würden?

    • @wollewatz:

      Fragen Sie mal CDU/CSU oder Putin; die wären dann ganz ganz doll traurig...