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Zuschauerrekorde im FrauenfußballWas zählt, ist auf den Rängen

Der Frauenfußball in Deutschland feiert erfreuliche Zuschauerrekorde. Dabei gibt es ein Problem.

Volle Ränge: Rekordbesuch bei den Fußballerinnen des VfL Wolfsburg Foto: Swen Pförtner/dpa

W er etwas zum Stand des Frauenfußballs im Jahr 2022 wissen möchte, der oder dem sei die Fanbefragung der Freiburger Torhüterin Rafaele Borggräfe empfohlen. Am Wochenende konnte man sie über den Instagram-Kanal des Vereins einsehen. Denn aufschlussreich war ihre Reaktion auf die Frage nach ihrem schönsten Fußballerlebnis. Die Niederlage gegen den VfL Wolfsburg, antwortete sie ohne Zögern, weil 3.100 Zuschauer beim Pokalspiel diese Saison vor Ort gewesen seien. Unglaublich wäre das gewesen. Der männliche Fußballprofi, der Aufmerksamkeit nicht für selbstverständlich hält und in Erinnerungen an eine Niederlage vor vielen Au­gen­zeu­g:­in­nen schwelgt, müsste dagegen erst noch gefunden werden.

Zu den Fußballerinnen vom VfL Wolfsburg kamen am Samstag 20.057 Zuschauer:innen. Schon wieder Rekord! So viele haben dem Team in Wolfsburg noch nie zugeschaut. Extra hatte man die Partie ins Stadion der Männer vom VfL verlegt. Es war das Rückspiel des Champions-League-Halbfinales gegen den FC Barcelona, und im Hinspiel gab es freilich auch einen Vereinsrekord. Ins Camp Nou drängten sich beim 5:1-Erfolg der Gastgeberinnen 91.648 Menschen. Es ist die Saison der Zuschauerrekorde im Frauenfußball. In München vermeldete man in der Champions League ebenfalls eine Bestmarke, auch weil man erstmals die Fußballerinnen in der großen Arena spielen ließ.

Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot freute sich am Samstag über eines seiner schönen Fußballerlebnisses: „Das war trotz Ausscheidens für uns ein toller Abend.“ Immerhin hatte das Team auch 2:0 gegen den großen Favoriten gewonnen. Das große Publikum vergoldete den wertlosen Sieg.

Der Frauenfußball braucht solche Ausnahmeereignisse, um an Zugkraft zu gewinnen. Allerdings müssen diese in Verbindung zum sportlichen Alltag gebracht werden. Das Publikum darf nicht wie bei der WM 2011 zum Protagonisten einer Sportart werden, bei der die Ergebnisse nur eine sekundäre Rolle spielen. Denn damals berauschte man sich vor allem an den zahlreichen Zu­schaue­r:in­nen in den Stadien und an dem Event. Dieser Schwung konnte nicht in den Bundesligaalltag mitgenommen werden.

Was etwa die Zuschauerzahlen vom Wochenende in Wolfsburg wert sind, wird man Anfang nächster Saison besser ermessen können, wenn das Team nach dem Meisterschafts- und Pokalfinale wieder in den Alltagsmodus zurückkehrt. Auch für diese Spiele müssen die Vereine mutig die Werbetrommel rühren.

„Was zählt, ist auf dem Platz“, lautet eine berühmte Männerfußballfloskel. Wenn die schönsten Fußballerlebnisse von Bundesliga-Spielerinnen auch an den Ergebnissen dort und nicht an den Besucherzahlen auf den Rängen gemessen werden, ist der Frauenfußball ein gutes Stück vorangekommen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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