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Kabinett beschließt Bafög-ErhöhungDie halbe Miete

Die aktuelle Bafög-Reform ist eine der besseren. Jetzt muss die Ampel nur noch die restlichen Bafög-Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen.

Studierende vor der TU in Berlin: Mit der neuen Bafög-Reform ist nun etwas mehr Geld im Geldbeutel Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Für alle, die gerade an der Regierungsfähigkeit der Ampel – Stichworte Impfpflicht, Tempolimit, Gasdeals mit Katar – zweifeln: Sie kann es doch! Zumindest ist das, was das rot-grün-gelbe Bundeskabinett am Mittwoch zum Bafög beschlossen hat, eine geräuschlose und rekordverdächtig schnelle Umsetzung eines Wahlversprechens (zumindest schnell für eine Bafög-Reform). Das allein muss man angesichts der notorischen Zerstrittenheit der Ampelmänner schon mal loben. Und es wird noch besser: Die geplanten Neuerungen beim Bafög sind auch noch gut.

Allen voran: Es gibt mehr Kohle. Um 5 Prozent sollen die Bedarfssätze zum Wintersemester steigen. Und, noch wichtiger: Die Wohnpauschale wird noch mal kräftig erhöht: von 325 auf 360 Euro im Monat. Wer nicht bei Mutti wohnt, sondern in einer WG oder allein oder sonst wie, kann also mit bis zu 809 Euro rechnen (statt bisher 725 Euro). Der Höchstbetrag liegt sogar bei 931 Euro – für alle, die zudem nicht über die Eltern versichert sind. Ein Tausi zum Studieren – das ist auch trotz Rekordinflation und irrer Mieten nicht das Schlechteste. Auch Schü­ler:innen, Auszubildende und Studierende mit Kind erhalten mehr Geld.

Vor allem aber greift die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in ihrem Gesetzentwurf eine langjährige Forderung von Gewerkschaften und Studierenden auf, die die Groko bei ihren Bafög-Reformen geflissentlich ignorierte: Stark-Watzinger setzt die Altersobergrenze von Bafög-Empfänger:innen von bisher 30 auf 45 Jahre hoch. Und das ist überfällig angesichts der Lebensrealität der Studierenden heute. Vor allem aber berücksichtigt die Ampel damit endlich stärker all jene Studierenden, die über den zweiten Bildungsweg an die Uni kommen – und in der Regel deutlich ­älter sind als die Abiturient:innen.

Neben der Signalwirkung für alle Haupt­schü­le­r:in­nen oder Azubis, die insgeheim doch von einem späteren Studium träumen, aber es oft auch wegen der finanziellen Unsicherheit doch bleiben lassen, erfüllt die Erweiterung des Bafög-Höchstalters auch eine ganz praktische Funktion: Sie weitet den Kreis der Bafög-Berechtigten aus. Für dieses Ziel hebt die Ampel auch die Vermögens- und Einkommensfreibeträge an. All das ist dringend nötig.

Nachhaltiger Erfolg

Zur Erinnerung: Die Zahl der Bafög-Empfänger:innen ist seit Jahren im Sinkflug – trotz aller Reformen, die endlich die „Trendwende“ schaffen sollten. Sage und schreibe 26 Reformen hat das Bafög in seiner 50-jährigen Geschichte bereits erlebt. Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der staatlichen Förderung haben die vielen Nachbesserungen bislang nicht aufgehalten. Vergangenes Jahr bezogen gerade mal 11 Prozent der Studierenden Bafög. 1971, als es unter Kanzler Willy Brandt eingeführt wurde, waren es noch 44 Prozent. Trauriger kann man einen 50. Geburtstag kaum feiern.

26 Reformen hat das Bafög in seiner 50-jährigen Geschichte erlebt

Was natürlich nicht heißt, dass mit der 27. Bafög-Novelle – sofern sie Bundestag und Bundesrat verabschieden – die Arbeit getan ist. Denn eines wird sich auch im kommenden Wintersemester nicht ändern: dass das Bafög nicht überall zum Leben reichen wird. Dafür sind die Mieten und Lebenshaltungskosten vielfach zu hoch. Von den zu erwartenden Heizkosten im nächsten Winter ganz zu schweigen. Natürlich kann man darüber streiten, ob man vom Bafög allein leben können müssen soll. Fakt ist aber: Passt die Ampel ihre Bafög-Erhöhungen nicht regelmäßig an die Preissteigerungen an, wird die Reform kein nachhaltiger Erfolg. Oder, um es im Ampelsprech zu sagen, kein Fortschritt.

Und schließlich sollten SPD, Grüne und FDP nicht vergessen, was sie sonst noch alles beim Bafög versprochen hatten: unter anderem eine Studienstarthilfe für Menschen aus einkommensschwachen Familien. Auch wollten sie den Anteil am Bafög reduzieren, den die Emp­fän­ge­r:in­nen nach dem Studium zurückzahlen müssen. Also her mit der 28. Bafög-Reform! Es kann nur besser werden.

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3 Kommentare

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  • Warum sollten sich Azubis oder Berufsschüler:innen wohl freuen, werden sie doch immer noch gegenüber Student:innen klar benachteiligt? Obwohl ihnen kein verbilligter Wohnraum in Wohnheimen und kein billiges Essen in der Mensa zur Verfügung steht, erhalten Sie immer noch massiv weniger Geld. Wie soll da bitte schön der Fachkräftemangel gerade in wichtigen Klimaberufen klappen?

    • @Leichtmatrose:

      Bafög ist ein Darlehn und kein vom Staat geschenktes Einkommen.

  • Gute Entwicklung.

    Nur die Prozentzahl zu Brandts Zeiten sagt nicht alles:



    in West D gab es 1971 480.00 Studierende (davon dann ca 220t mit BaFöG; bei ca. 45% Arbeiter in der Bevölkerung - die Reform sollte Arbeiterkinder zum Studium bringen),

    in 2021 gibt es 3.000.000 Studierende davon ca 330t mit BaFöG, bei ca 16% Arbeiter - in der Annahme, dass Arbeiter weniger im Vollzeitjob verdienen).