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Unterkunftssuche für Geflüchtete am ZOBAuf der Suche nach „guten Händen“

Am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) vermitteln Freiwillige mit viel Mühe Ukraine-Flüchtlinge an private Gastgeber*innen. Nicht immer klappt es.

Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine am ZOB Foto: Verena Brüning

Berlin taz | „Housing“ steht über dem weißen Container, drinnen sitzen sechs junge Menschen an Laptops, tippen, telefonieren, reden gedämpft, damit sie einander nicht stören. Die private Unterkunftsvermittlung am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) brummt an diesem Mittag. Auf der unteren Ebene mit den Bus-Plattformen und dem kleinen Wartehallen-Container ist es zu dieser Tageszeit recht ruhig. Die meisten Busse kommen zwischen 23 und vier Uhr morgens an, in manchen Tagen beziehungsweise Nächten bringen sie bis zu 2.500 Flüchtlinge. Hier oben, wo die Container für die freiwilligen Helfer stehen und die fünf Zelte der Malteser zum Ausruhen, für Spenden und Erste Hilfe, ist den ganzen Tag Betrieb. Tina Wendel, Masterstudentin, seit Tag 6 des Krieges Teil des Housing-Teams, sagt: „Wir sind 24/7 erreichbar. Wir haben ja eine Verantwortung, die Flüchtlinge in gute Hände zu übergeben.“

Mehr als 3.000 private Gastgeber, neudeutsch „Hosts“, hat die selbstorganisierte Gruppe „We at ZOB / Berlin Arrival Support“ laut Wendel in ihrer Datenbank. Manche haben ihre Couch, ein Zimmer oder auch eine ganze zur Zeit leer stehende Wohnung schon mehrmals für je ein paar Tage Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Wie viele Geflüchtete sie vermittelt haben, sei kaum zu beziffern, erklärt Johannes Klein, Pressekoordinator der Gruppe: Zwar hätten sie für jeden Vermittlungsvorgang den Namen eines Geflüchteten abgespeichert, aber dahinter stehe oft eine Familie oder Gruppe – im Schnitt drei Personen, schätzt er. 1.700 Namen seien inzwischen auf der Vermitteltenliste: Das wären 5.100 Vermittlungen in private Unterkünfte.

Zum Vergleich: Das Land Berlin hat nach eigenen Angaben bislang „mehr als 20.000“ Kriegsflüchtlinge untergebracht. Unterbringung heißt hier zumeist Großunterkünfte, teilweise Zelte: auf dem Messegelände unweit des ZOB, im früheren Terminal 5 des BER, im ehemaligen Flughafen Tegel, der alten Knobelsdorff- Kaserne und, und, und. Die Hel­fe­r*in­nen am ZOB finden, ein privates „Housing“ sei solchen unpersönlichen Massenunterkünften vorzuziehen; die allermeisten Flüchtlinge, die sie fragen, würden das auch lieber wollen. „Natürlich ist es schöner, wenn die Menschen einen persönlichen Ansprechpartner haben, der oder die sich vielleicht auch ein wenig um die kümmert und nicht nur seine Couch hergibt für ein, zwei Nächte“, sagt Wendel.

Manchmal findet sich einfach nichts

Manchmal müssen sie stundenlang telefonieren um eine Lösung zu finden. Etwa für zwei blinde Frauen, die sie an einen Blindenverein in Niedersachsen vermitteln konnte, erzählt Wendel. Eigentlich haben sie für besonders vulnerable Personen eine Telefonnummer beim Landesflüchtlingsamt, aber „leider bekommen wir dort nur unzureichende Auskünfte“, sagt die Hauptkoordinatorin der Freiwilligen, Yasemin Acar. Also sind die Helfer auch hier auf sich gestellt.

Neue Kritik an der Bettenbörse

100.000 Geflüchtete Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) rechnet mit bis zu 100.000 geflüchteten Menschen aus der Ukraine, die Berlin vorübergehend aufnehmen und versorgen muss. „Das ist eine sehr große Herausforderung.“

Zwei Möglichkeiten Im Landesamt für Einwanderung (LEA) können ukrainische Geflüchtete, die zunächst ohne Registrierung untergekommen sind und in der Stadt bleiben wollen, einen Aufenthaltstitel beantragen. Bislang seien 11.000 Online-Anträge eingegangen – davon lediglich 30 bis 40 von Männern. Etwa 1.000 Anträge seien bereits bearbeitet. Damit wolle man diesen Geflüchteten den Umweg über eine Registrierung im zentralen Ankunftszentrum in Tegel ersparen, wie LEA-Direktor Engelhard Mazanke erläuterte.

Ein offener Brief Zahlreiche Hilfsorganisationen erneuerten am Sonntag ihre Kritik an der Bettenbörse Unterkunft Ukraine, die auch vom Senat unterstützt wird: Der „zentralistische Ansatz“ der Vermittlung von privaten Unterkünften für Geflüchtete funktioniere nicht. Zwar gebe es mehr als 365.000 Unterkünfte in der Datenbank, doch die Vermittlung finde nicht statt. Die Ehrenamtlichen fordern das Teilen der Datensätze, um beim „Matching“ helfen zu können. (taz, dpa)

Trotz aller Bemühungen finden sie manchmal kein passendes „Match“, weder in ihrer Datenbank noch mittels Recherche. Etwa für die sechsköpfige Familie, die nicht nur zu groß ist für private Gastgeber, sondern auch zwei Rollstuhlfahrer hat und einen Herzkranken. „Also Tegel?“, fragt eine Helferin. „Ja, muss wohl“, sagt Wendel seufzend. Wenn es nicht anders geht oder die Betreffenden wollen, bringen sie Flüchtlinge in die staatlichen Unterkünfte. Sogar einen eigenen Fahrdienst haben sie – auch der 24/7 im Einsatz.

Zu Beginn des Krieges, als die ersten Züge mit den Flüchtlingen aus Polen in Berlin eintrafen, war viel zu hören von der großen Hilfsbereitschaft der Berliner*innen. Tausende trugen sich in die Onlinevermittlung unterkunft-ukraine.de ein – viele hörten dann allerdings nicht mehr davon, klagen Hilfsorganisationen wie Moabit und berlin hilft (s. Infokasten). Hunderte fuhren zum Bahnhof um Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, Hel­fe­r*in­nen in gelb-orange Westen vermittelten sie vor Ort an übermüdete Geflüchtete. Schnell kam Kritik auf, ein solcher „Viehmarkt“ sei geradeu eine Einladung an Menschenhändler. Die Vermittlung am Hauptbahnhof wurde bald darauf eingestellt.

Am ZOB haben sie inzwischen ein System etabliert, mit dem sie hoffen, ausschließen zu können, dass sie Flüchtlinge an die falschen Leute vermitteln. Alle Hosts, erklärt Wendel, die sich in ihre Datenbank www.linktr.ee/weatzob eintragen, müssten die ID-Nummer ihres Personalausweises oder Reisepasses angeben, später beim persönlichen Kennenlernen am ZOB oder an der Haustür des Hosts wird die Nummer mit dem Ausweis abgeglichen. Zudem gebe es ein Telefongespräch mit allen Anbietern, wo man sie auch nach ihren Motiven befrage. Wendel: „Alle unsere Fahrer sind zudem angehalten, die Leute bis zur Tür zu bringen und sie nur dem Host zu übergeben, wenn sie ein gutes Gefühl dabei haben.“

Sicherheit durch die freiwilligen Strukturen

Einmal habe ein Fahrer dies nicht gehabt, berichtet sie, da hätten sie einen „extra Sicherheitscheck“ bei dem Host gemacht: „Er war dann aber doch in Ordnung.“ Eine Nachverfolgung jedes Matches, also dass jemand nach ein paar Tagen anruft und die Flüchtlinge fragt, wie es ihnen geht, „schaffen wir leider nicht, dafür sind es zu viele“, bedauert Wendel. Aber alle Flüchtlinge bekämen beim ZOB die Notfallnummer des Housing-Teams. „Zum Glück hat die bislang noch niemand gewählt.“

Unklar war am Sonntag, ob und wie es mit der Unterkunftsvermittlung am ZOB weitergeht. Eigentlich wollen die Freiwilligen, solange die großen Anlaufstellen wie Tegel – wo unterkunft-ukraine wieder tätig werden soll – noch nicht reibungslos funktionieren, weitermachen. Doch man fühle sich von der Politik nicht gut unterstützt, das Zusammenspiel mit anderen Hilfsorganisationen sei zuletzt ebenfalls schwierig geworden, sagte Pressekoordinator Klein der taz – konkreter wollte er zunächst noch nicht werden. Für den Sonntagnachmittag war eine Krisensitzung zwischen Hilfsorganisationen vor Ort und den Freiwilligen geplant.

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