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NDR-Podcast zu Shoa-LeugnerFaschistische Fußnote

Der berüchtigte Nazi Thies Christophersen sah seinem Großvater so ähnlich – Grund für Claas Christophersen, nach Verbindungen zu forschen.

Alles übertrieben, behauptete Thies Christophersen bis zuletzt: Kinder im KZ Auschwitz, Januar 1945 Foto: EPA/dpa

Hamburg taz | „Das wissen sogar die Hühner“, sagt die Stimme eines nicht mehr ganz jungen Mannes. „Wir wollen nämlich gar keine Freiheit, wir wollen Ordnung.“ Der da spricht, ist Thies Christophersen, und er war, was man eine Legende nennen könnte, allerdings unter Norddeutschlands Neonazis. Geboren 1918 in Kiel, gestorben 1997 in Molfsee, hat sich der Bauernsohn und verhinderte Weltkriegsfrontsoldat eine ganz besondere Schlüsselrolle in der rechten und ganz weit rechten Landschaft erworben.

Er veröffentlichte 1973 die Broschüre „Die Auschwitz-Lüge“ – ein Titel, der Christophersen Eingang in die Geschichtsbücher verschafft habe, so formuliert es nun der Potsdamer Rechtsextremismus-Experte Gideon Botsch: Eine „Fußnote Christophersen“ werden wir nach seiner Einschätzung noch sehr lange „mit uns herumschleppen“.

Bin ich verwandt mit diesem Mann? Das fragte sich Claas Christophersen, 43, wegen der bemerkenswerten Ähnlichkeit seines eigenen Großvater, Karl-Heinz Christophersen, mit dem Holocaust-Leugner. In der Familie hieß es aber stets, es gebe da zwei „Christophersen-Linien“, und mit diesem Thies habe man nun wirklich nichts zu tun. Ob das stimmt, dem ist Claas in Gestalt einer Radiosendung nachgegangen, die Anfang Februar NDR Info gesendet hat und die weiterhin als Podcast anzuhören ist.

Zusammen mit Ko-Autor Norbert Zeeb will er aber auch herausarbeiten, welche Rolle „Der ewige Faschist“– so der Titel – und seine Ideen heute noch spielen, und das vielleicht nicht nur am äußersten rechten Rand. Die „Spurensuche“, so heißt es im Untertitel, beginnt in Claas' Elternhaus: Auch dort, erinnert er sich, gab es einst ein Exemplar von Thies' berüchtigter Auschwitz-Broschüre. Warum, das wisse er nicht mehr, sagt sein Vater; und dass er es irgendwann mal entsorgt habe.

True-Crime-Kniffe

„Der ewige Faschist“ bedient sich einiger Kniffe des nicht nur, aber insbesondere bei Podcasts enorm populären „True Crime“-Genres. Liefert also Informationen mitunter spannungsdienlich verzögert – nutzt aber auch ein Sounddesign, das manchmal hart an der Grenze des Spekulativen landet. Braucht das alten Radiointerviews entnommene Gerede eines erkennbar unbeirrten Hitler-Anhängers wirklich noch eingestreute merkwürdige Synthieflächengruselakustik?

Info Podcast

„Der ewige Faschist“ ist auf ndr.de und in der ARD-Audiothek erhältlich

Es bleibt aber das Anhören wert, was da vier jeweils etwas über 20 Minuten langen Folgen in Szene gesetzt wird (Regie: Alexander Schumacher). Und das auch, weil die Scheu vor einem Denken und Reden, wie es Thies Christophersen tat, heute ja eher bröckelt, als dass darauf Verlass wäre. Was es nun mit der Verwandtschaft oder nicht auf sich hat zwischen dem Nazi und dem Nachforschenden: Das sei ausnahmsweise nicht vorab verraten; Spannung halt.

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1 Kommentar

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  • Als Buch dazu empfehle ich



    "Der Tote im Bunker" von Martin Pollack.

    Seit ich jenes Buch gelesen habe und die Zeichen auf meine Familie angewendet habe, bin ich mir ziemlich sicher, woran meiner Großeltern (alle) geglaubt hatten.



    Nicht schön, aber befreiend.