Dienstpflicht für freiwillige Feuerwehr: „Das allerletzte Mittel“

Freiwillige Feuerwehrleute in Bad Pyrmont haben aus Protest gegen den Verfall ihrer Wachen den Dienst quittiert. Jetzt droht die Zwangsverpflichtung.

Ein Schrank mit Jacken und Helmen der Freiwilligen Feuerwehr steht in einem Gebäude.

Hilft nix ohne Personal: Ausrüstung einer Freiwilligen Feuerwehr, irgendwo in Deutschland Foto: dpa-Zentralbild / Bernd Wüstneck

OSNABRÜCK taz | Nie hat in Bad Pyrmont der Ortsname besser gepasst als heute. Pyr? Feuer! Im niedersächsischen Städtchen im Weserbergland ist Streit entflammt. Sein Gegenstand: die freiwillige Feuerwehr.

Es geht um den Neubau einer Feuerwache, als Ersatz für die veralteten Wachen der freiwilligen Wehren im Zentrum und im Ortsteil Holzhausen. Als Standort vorgesehen: der Parkplatz am Gondelteich. Das Verfahren zur Findung des Totalunternehmers für Planung und Bau lief. Aber dann kommt der 13. Januar, und mit ihm die gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Bauen, Klima- und Umweltschutz und für Feuerschutz, Sicherheit und Verkehr. Auf ihr wird alles gekippt. CDU, FDP und die Bürgerbewegung „intakt“ stellen den Neubau­standort infrage.

Viele Feuerwehrleute, schon lange gefrustet vom schlechten Zustand ihrer alten Wachen, gaben aus Protest spontan ihre Funkmeldeempfänger zurück. Die Folge der Personalknappheit: Bürgermeister Klaus Blome (CDU) erwägt die Anordnung einer Dienstpflicht für alle bisher freiwilligen Feuerwehrleute.

Dass das geht, besagt §15 des niedersächsischen Brandschutzgesetzes. Allerdings dürfe es „nur das allerletzte Mittel“ sein, gibt Rosa Legatis zu bedenken, Sprecherin des niedersächsischen Ministeriums für Inneres. Gegeben hat es das in Niedersachsen noch nie.

Bundesweit gibt es nur ein Beispiel dafür: 2005 in List auf Sylt. Das Ministerium, sagt Legatis der taz, hoffe, „dass vor Ort eine Regelung gefunden wird, dass die Einsetzung einer Pflichtfeuerwehr vermieden werden kann“. Gespräche zur Beratung der Gemeinde hätten stattgefunden und würden „auf Wunsch gerne fortgeführt“.

Klaus Blome, CDU-Bürgermeister

„Alle bisherigen Mitglieder würden in eine Pflichtfeuerwehr überführt werden“

Stadtbrandmeister Maik Gödeke hält eine Dienstverpflichtung für „sehr unglücklich“. Das Hin und Her um den neuen Standort empört ihn: „Das zieht sich jetzt schon 11 Jahre lang hin. Nichts bewegt sich. Das macht meine Leute natürlich zornig“, sagt er der taz. „Und jetzt diese Arroganz und Ignoranz, nicht zu akzeptieren, dass der Standort am Gondelteich vielleicht die einzige Lösung ist!“

Die beiden alten Wachen seien eine Zumutung. Die Mängellisten sind lang: zu kleine Fahrzeughallen und Tordurchfahrten, Umkleide- und Sanitärräume. Veraltete Schulungsräumlichkeiten. Mangelnde Außenbeleuchtung. Stolperstellen in der Pflasterung. Zu wenig Pkw-Stellplätze für die Aktiven.

„Beide Häuser weisen Mängel auf, die durch bauliche Maßnahmen gar nicht mehr oder nur sehr schwer zu beheben sind“, sagt Bürgermeister Klaus Blome. Insbesondere Holzhausen sei betroffen. „Teile des Feuerwehrhauses sind gesperrt oder nur mit verminderter Personenzahl zu betreten.“

Trotzdem wird am Gondelteich nicht gebaut. Blome sagt: „Kritiker halten diesem Standort städtebauliche Gründe wegen der Nähe zum Kurbezirk, den Wegfall von Parkplätzen und zu hohe Kosten entgegen.“ Ein alternativer Standort sei im Gespräch, stehe zur Untersuchung an. „Allerdings liegt dieser in der Nähe von Kliniken, was auch kritisch gesehen wird.“ Hört sich nicht danach an, als ob bald eine Lösung gefunden ist.

Insgesamt stehen die freiwilligen Feuerwehren in Niedersachsen gut da. Von 2019 auf 2020 hat sich die Zahl ihrer Mitglieder um 2.111 auf 128.707 erhöht. In Bad Pyrmont herrscht derzeit jedoch akuter Mangel: Bei der Wehr Holzhausen sind nur 15 von 59 Kräften einsatzbereit, in Pyrmont 14 von 47. Nicht alle Ausfälle beruhen auf der Rückgabe der Melder, auch Corona-Quarantänen schlagen zu Buche. Um das abzufedern, helfen die Wehren aus anderen Ortsteilen und Nachbarorten.

„Alle bisherigen Mitglieder der Stadtfeuerwehr Bad Pyrmont zwischen 18 und 55 Jahren würden in eine Pflichtfeuerwehr überführt werden“, sagt Blome. „Daneben auftretende personelle Lücken müssten aus dem Kreis der Bürgerinnen und Bürger aufgefüllt werden, wobei auch Vorkenntnisse eine Rolle spielen können.“ Am 10. März tagt der Stadtrat das nächste Mal.

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